"Keine andere Kriminalität als in anderen Branchen"
Amnesty International fordert die weltweite Legalisierung der Prostitution und erntet viel Kritik dafür. Dabei habe die Menschenrechtsorganisation gute Gründe für ihren Vorstoß, meint die Schriftstellerin Pieke Biermann, die mit dem Grundgesetz argumentiert.
Die scharfe Kritik an der Grundsatzentscheidung von Amnesty International, sich weltweit für eine Entkriminalisierung der Prostitution einzusetzen, hält an. So kritisierte die Gründerin der Hilfsorganisation "Solwodi" (Solidarität mit Frauen in Not), Lea Ackermann: Frauen in der Prostitution seien die am meisten ausgebeutete Gruppe in der Gesellschaft.
Im Deutschlandradio Kultur sprach sie von einem ungeheuerlichen Vorgang. Amnesty gehöre der Name "Menschenrechtsorganisation" aberkannt.
"Da muss der Gleichheitsgrundsatz her"
Ganz anders argumentiert - ebenfalls bei uns im Programm - die Schriftstellerin Pieke Biermann, die die Neu-Positionierung von Amnesty International beim Thema Prostitution begrüßt – und sich dabei auf das Grundgesetz bezieht:
Pieke Biermann: "Ich kann nicht verschiedene Tätigkeiten, zu denen sich Menschen frei entscheiden – erwachsene, vernunftbegabte, entscheidungsfähige Menschen allerlei Geschlechts – aufteilen in solche, die Entscheidungsfreiheit haben dürfen und solche, die sie nicht haben dürfen. […] Sexarbeit - alle Dienstleistungen, die man als sexuell oder sexoid oder wie auch immer bezeichnen könnte, können doch nicht plötzlich anders als Spezialbereich definiert werden – da muss der Gleichheitsgrundsatz her, und mehr ist das nicht."
"Es gibt die Strafbarkeit von Menschenhandel"
Amnesty setze sich immer für Entkriminalisierung ein. Insofern sei die Entscheidung nur folgerichtig.
Dass die Kriminalität im Bereich der Prostitution besonders hoch sei, ließ sie nicht gelten:
"Die Kriminalität dieser Branche ist keine andere Kriminalität als die in anderen Branchen oder im Privatleben auch. Es gibt die Strafbarkeit von Menschenhandel, von Nötigung und Zwang zu bestimmten Tätigkeiten, von sexueller Nötigung und und und. Die kann man alle in der Prostitution verfolgen – und man verfolgt sie auch. [...] Da gibt es überhaupt keinen neuen Handlungsbedarf."
Zudem sei es kaum möglich, den Strafbestand der Zuhälterei gesetzlich klar zu definieren:
"Die Sexarbeit ist ein Riesenkomplex von hochdifferenzierten Arbeitsplätzen - mal sind sie gut organisiert, mal sind sie spontan, die so genannte Gelegenheitsprostitution, die in Wohnungen individuell von einer Person ausgeführt wird – mal sind es größere Betriebe. Es gibt überhaupt keinen allgemeinen Begriff, den man in irgend so ein Gesetz fassen könnte, wo man sagen könnte, das ist jetzt aber Zuhälterei."
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Hören oder lesen Sie dazu auch die Gegenposition von Lea Ackermann von der Hilfsorganisation "Solwodi":