Teresa Koloma Beck ist Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Gesellschaftsanalyse und sozialer Wandel an der Helmut-Schmidt-Universität (Universität der Bundeswehr Hamburg). Sie studierte in Paris und an der Universität Witten/Herdecke und promovierte 2010 an der Humboldt-Universität zu Berlin über Veralltäglichungsprozesse im Bürgerkrieg. Der Schwerpunkt ihrer akademischen Arbeit liegt in der alltagssoziologischen Erforschung von Gewaltkonflikten und Globalisierungsdynamiken.
Mehr "Bratwurst-Impfungen" und an kostenlosen Tests festhalten
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Die Bundesregierung will die kostenlosen Coronatests im Oktober auslaufen lassen. Die Soziologin Teresa Koloma Beck findet das keine gute Idee. Stattdessen sollte die Politik mehr Anreize schaffen, um mehr Leute zum Impfen zu bewegen.
Die Bundesregierung hat für die Gratis-Bürgertests im laufenden Jahr mehr als drei Milliarden Euro ausgegeben, teilte das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage der "Rheinischen Post" mit. Nun plant Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die kostenlosen Coronatests für jeden ab Mitte Oktober auslaufen lassen.
Die Soziologin Teresa Koloma Beck nennt das eine "schockierende Zahl". Vieles sei bei den Tests eben auch nicht optimal gelaufen. Sie erinnerte an die Berichte über Abrechnungsbetrug in einigen Testzentren. Kritisch beurteilt sie auch Spahns Vorschlag: "Da muss man relativ naiv sein, wenn man jetzt denkt, dass alle Leute, die sich kostenlos testen und nicht geimpft sind, sich dann einfach gegen Geld testen werden."
Ohne Tests keine Datengrundlage
Stattdessen werde es dazu kommen, dass sich sehr viel weniger Leute testen ließen."Damit verändert sich die Datengrundlage, die zur Verfügung steht, um Entscheidungen zu treffen." Sie könne nicht erkennen, dass dies den Interessen der Allgemeinheit diene. Die Tests sollten weiter mit öffentlichem Geld finanziert werden, damit es ausreichend Daten gebe, um politische Entscheidungen treffen zu können, so die Soziologin. Spahns Plan sei stattdessen der Versuch, noch mehr Druck aufzubauen, um die Leute zum Impfen zu bewegen.
Sie sei verärgert, dass dabei zu kurz komme, dass Menschen aus sehr unterschiedlichen Gründen nicht zur Impfung gingen. "Das ist ja keine kognitive Entscheidung, mach ich das jetzt oder mach ich das nicht", sagt Beck, sondern es gehe dabei auch um konkrete Lebensbedingungen. "Wie weit ist das entfernt, wie anstrengend ist mein Alltag sonst schon so, dass ich da noch sowas einplanen kann, wieviel Vertrauen habe ich in das öffentliche Gesundheitssystem, was für Erfahrungen habe ich da vorher gemacht?"
Die Bundesregierung habe solche Faktoren, auch der sozialen Ungleichheit, nicht genug berücksichtigt. In der Debatte klinge es zu stark so, als ginge es nur um Leute, die ideologisch verblendet seien. "Diese Debatte finde ich falsch", sagt Beck.
Hürden abbauen
Die Hürden seien für verschiedene Gruppen in der Gesellschaft unterschiedlich hoch, beruft sich die Soziologin auf Gesundheitsexperten. Deshalb müsse es vielmehr darum gehen, die Impfung noch mehr zu den Menschen hinzutragen, für die die Hürden höher seien - statt über Sanktionen nachzudenken. "Das ist noch nicht ausgeschöpft."
Es sei viel über die "Bratwurst-Impfung" in Thüringen gelacht worden. Dabei sei es dort darum gegangen, Hürden abzubauen und mit einer Volksfestatmosphäre eine vertraute Umgebung zu schaffen. "Das ist etwas anderes als eine Anmeldung in einem Online-System und ganz viel Papierkram in einem Impfzentrum in irgendeiner Halle." Das sei für manche Menschen nicht das richtige Szenario. Da sei die Bratwurst und was immer man sich da noch einfallen lasse, das bessere Modell.
(gem)