Partnerschaft für alle
"Ehe für alle" - ein Begriff der in die Irre führt, denn Geschwister oder Altersgemeinschaften zählen bislang nicht dazu. Stephan Detjen fordert einen Gesetzentwurf, der alle engen sozialen Bindungen verfestigt, schützt und angemessen privilegiert.
Der Begriff "Ehe für alle" führt in die Irre. Er verspricht etwas, was auch der Gesetzgebungsapell der rot-rot-grünen Bundesratsmehrheit nicht hält. Schwule und lesbische Paare, aber eben nicht jeder und jede sollen danach heiraten dürfen. Nicht das beiderseitig verwitwete Geschwisterpaar, das im Greisenalter zusammengezogen ist, füreinander aufkommt und sich als Erben eingesetzt hat; auch nicht die Bewohner des Mehrgenerationenhauses oder der Alterswohngemeinschaft, die in den Genuss von Steuerprivilegien und Sorgerechten kommen wollen, weil sie sich in einer Weise umeinander kümmern, die den Staat entlastet.
Die Ehe, und zwar auch die auf homosexuelle Partner erweiterte Ehe, wird auch nach den Vorstellungen der Öffnungsbefürworter ein Rechtsinstitut für Menschen bleiben, die jenseits sozialrechtlich messbarer Verpflichtungen miteinander verbunden sind. Der Staat schützt die besondere Gemeinschaft von Sexualpartnern. Das ist die Antwort auf die legitime Frage, die Annegret Kramp-Karrenbauer vor ein paar Tagen aufgeworfen hat. Gleichstellungsaktivisten haben der Saarländischen Ministerpräsidentin vorgeworfen, Homosexualität mit Polygamie oder Inzest gleichzusetzen. Sie verkannten dabei, dass Krampp-Karrenbauer auf eine Diskrepanz zwischen dem Slogan "Ehe für alle" und der Intention derer hingewiesen hat, die lediglich schwulen und lesbischen Paaren den Ehestand ermöglichen wollen.
Sexuelle Bindung keine Voraussetzung
Die Diskussion darüber bildet einen kulturellen Wandel der Gesellschaft ab, der tief verwurzelte Ressentiments und Diskriminierungen überwindet, um die homosexuelle als eine der heterosexuellen ebenbürtige Liebe anzuerkennen. Wenn man das kritisieren will, dann allenfalls weil auch die rot-rot-grünen Gesetzentwürfe nicht weit genug gehen. Ein wirklich rational handelnder und kalkulierender Staat müsste die Frage von Annegret Kramp-Karrenbauer anders beantworten und in der Tat die Ehe für alle öffnen, die sich in das besondere Verhältnis von Rechten und Pflichten einordnen wollen, das der Staat mit der Ehe regelt. Es geht dabei um Unterhaltszahlungen, Sorgerechte, Erbschaftsprivilegien und in der Familie um Erziehungsrechte. Mit wem aber die Partner ins Bett gehen, braucht den aufgeklärten Staat in diesem Zusammenhang nicht zu interessieren.
Dass die Ehe auch nach den Wünschen der rot-rot-grünen Reformer mit den vorstaatlichen Erwartungen an sexuelle Bindung aufgeladen bleibt, illustriert die kulturelle Dimension und Grenze der Debatte. Es wäre deshalb ein weiterer Fortschritt, wenn am Ende nicht nur die Ehe geöffnet, sondern auch ein besonderer Schutz für Verantwortungsgemeinschaften entstünde, die auch der Staat in Zeiten des demografischen Wandels und der alternden Gesellschaft von seinen Bürgern fordert. Eine Lösung könnte es sein, das Rechtsinstitut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft neben der Ehe zu erhalten und als abgestufte Form der Partnerschaft konsequent für alle zu öffnen. Heterosexuellen wie Homosexuellen, Geschwistern ebenso wie Altersgemeinschaften stünde dann eine Form der Bindung offen, die eine gesteigerte soziale Bindung verfestigt, schützt und angemessen privilegiert.