Debatte um Handelsabkommen

CETA muss für die EU ein Lehrstück sein

Containerschiffe liegen kurz nach Sonnenuntergang im Hafen in Hamburg am Terminal Burchardkai.
Neue Märkte ohne Handelsbarrieren - das soll CETA sein. Allerdings: Wichtige Schutzregelungen werden als Handelshindernis betrachtet. © Daniel Reinhardt, dpa
Von Thomas Otto |
Aus dem Kampf um die Zustimmung für CETA sollte die Politik wichtige Lehren ziehen, meint unser Korrespondent Thomas Otto. Um mit TTIP zum Ziel zu kommen, müsse es einen Neustart der Verhandlungen geben - und einen ernsthaften Umgang mit Vorbehalten und Kritik.
Man kann nur hoffen, dass EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten aus dem Hickhack um CETA lernen werden. Für TTIP, das Freihandelsabkommen mit den USA, muss das heißen: Neustart, zurück auf Null.
Momentan ist es sowieso illusorisch, an einen baldigen Abschluss von TTIP zu denken: EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström selbst hat klar gemacht, dass zunächst die Wahlen in den USA abgewartet werden müssen. Die Verhandlungen kommen seit Monaten nicht voran und noch ist völlig unklar, ob der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin der USA weiterverhandeln lassen werden.

Nun muss die Grundkonstruktion von TTIP hinterfragt werden

Ein wirklicher Neustart müsste heißen, die grundlegende Konstruktion von TTIP zu hinterfragen. Die ist nämlich – und genau genommen auch die von CETA – von einer neoliberalen Idee geprägt: Regulierung ist schlecht, beseitigen wir davon so viel wie möglich. Es ist allerdings eine Illusion, dass die Märkte schon alles selbst regeln werden. Diesen Kräften müssen klare Grenzen gesetzt werden. Oder anders gesagt: Für Unternehmen mag weniger Regulierung gut sein, für die Gesellschaft ist es das nicht. Denn Regulierung hat nicht zum Ziel, wirtschaftliche Aktivität zu behindern, sondern Bürger zu schützen. Damit meine ich nicht die Farbe von Blinkern oder die Verkabelung von Maschinen. Solche Unterschiede ließen sich auch außerhalb von TTIP angleichen. Gemeint sind Grenzwerte, Preisbindungen, Beschränkungen des freien Marktes – aus gutem Grund, wie bei der öffentlichen Daseinsvorsorge.
In TTIP – und bereits auch in CETA – kommt der so genannte Negativlistenansatz zum Tragen: Alle Bereiche, die nicht explizit ausgenommen werden, werden liberalisiert. In früheren Abkommen war es umgekehrt: Es wurde nur liberalisiert, was aufgelistet wurde. Gerade in Anbetracht der rapiden Entwicklung des Internets ist heute noch gar nicht absehbar, welche neuen Produkte und Dienstleistungen es in fünf oder zehn Jahren geben wird. Mit dem Negativlistenansatz wird Regulierung heute schon ausgeschlossen, von der wir noch gar nicht wissen, dass wir sie eines Tages brauchen werden. Und zugleich gilt: Regulierung kann nur noch zurückgenommen werden, nicht aber verschärft. Der feuchte Traum eines jeden Großkonzerns. Die Zukunft der Bürger wird damit verkauft.

Die Geheimniskrämerei muss ein Ende haben

Zugleich haben es Kritiker leicht, Ängste vor möglichen Folgen von TTIP zu schüren: Ist so doch noch völlig unklar, wie sich das Abkommen auswirken wird. Da hilft es auch nichts, einzelne Bereiche – wie Kultur und audiovisuelle Medien – nachträglich auszunehmen. Der Fehler steckt schon im Grundansatz. Das und die Geheimniskrämerei schon um das Verhandlungsmandat, das 2013 auch vom liberalen damaligen Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler für Deutschland unterzeichnet wurde – haben es den Freihandels-Kritikern leicht gemacht und TTIP im deutschen Sprachgebrauch zum Schimpfwort verkommen lassen. Den Widerstand gegen TTIP und CETA haben sich EU-Kommission und Mitgliedsstaaten so selbst eingebrockt.
TTIP ist ein vollkommen überfrachteter, neoliberaler und im Geheimen ausgedealter Angriff auf die Zukunft unserer Gesellschaft – zum Nutzen der Wirtschaft und damit vor allem zum Nutzen der Besitzenden. Wir brauchen ein neues Verhandlungsmandat für die EU-Kommission. Ein Mandat, das in aller Öffentlichkeit und unter Beteiligung der Zivilgesellschaft demokratisch erteilt wird. Darauf müssen transparente Verhandlungen folgen.

Ein genau vorgezeichneter Weg durch die Institutionen und Gremien

Und es muss von vorn herein klar sein, welche Institutionen welchen Teilen des Abkommens zustimmen müssen. Am Ende muss ein Papier stehen, dessen Auswirkungen vorhersagbar sein werden. Wir brauchen kein Freihandelsabkommen, sondern ein Fair-Handelsabkommen – egal ob mit den USA, Australien, Neuseeland, Lateinamerika….Es sind nämlich etwa 20 Handelsabkommen, an denen die EU gerade arbeitet.
Zumindest EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat heute bewiesen, dass sie noch nicht aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat: Sie wolle die bisherigen Gespräche mit der neuen US-Regierung wieder aufnehmen, sagte sie vor der CETA-Unterzeichnung. Von einem grundlegenden Umsteuern in der Handelspolitik war nichts zu hören.
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