Die CDU will "Klarheit" beim Asylrecht
Die Große Koalition streitet um die Einrichtung von Transitzonen. Thomas Strobl, stellvertretender CDU-Vorsitzender, hat die Haltung seiner Partei bekräftigt. Er ist überzeugt davon, dass die EU-Kommission bei der rechtlichen Prüfung auch "die besondere Lage" erkennen werde.
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende, Thomas Strobl, hat die Haltung seiner Partei in der Debatte um die Einrichtung von Transitzonen für Flüchtlinge bekräftigt. In einer krisenhaften Situation brauche man außergewöhnliche Maßnahmen, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Man müsse jetzt an vielen Stellschrauben drehen:
"Wir müssen zunächst einmal alles dafür tun, dass nicht Menschen in Deutschland einen Asylantrag stellen, die in Wahrheit nicht politisch verfolgt sind. Das machen wir durch die Beseitigung finanzieller Fehlanreize. Und jetzt werfen wir auch einen Blick auf unsere Grenzen."
Er sei überzeugt davon, dass in der Europäischen Kommission trotz rechtlicher Bedenken "die ganz besondere Lage" gesehen werde, betonte Strobl:
"Das ist ja nicht der Normalbetrieb, der an unseren Grenzen stattfindet. Und das wir jetzt einfach prüfen: Was können wir tun, um dieses Problem zu lösen? Das kann, glaube ich, jedermann nachvollziehen."
Verfolgt die CDU das Ziel der Abschreckung?
Auf die Frage, ob mit der Einrichtung von Transitzonen auch das Ziel einer Abschreckung verbunden sei, entgegnete Strobl:
"Von Klarheit würde ich sprechen. Wir müssen klar machen: In Deutschland gilt das Asylrecht, unser Artikel 16a. Es gilt die Genfer Flüchtlingskonvention. Diejenigen, die aber nicht darunter fallen, die können wir in Deutschland nicht aufnehmen. Und ich habe gar nichts dagegen, wenn es ein Signal in die Herkunftsländer gibt: 'Es hat keinen Sinn, sich auf den beschwerlichen Weg nach Deutschland zu machen und den Schleuser und Schlepper mit dem letzten Geld zu bezahlen.'"
Strobl äußerte sich auch zur möglichen praktischen Umsetzung von Transitzonen. Die "leistungsfähige Bundespolizei" garantiere den Schutz an den Grenzen und die Gewährung der öffentlichen Sicherheit:
"Hier sind die Transitzonen nicht die Lösung aller Probleme. Aber das ist ein Baustein, dass wir dieses bewährte Flughafenverfahren jetzt an unsere Grenzen nehmen."
Man brauche entsprechende Baulichkeiten und auch entsprechendes Personal. Deswegen seien im Bundeshaushalt auch 3000 zusätzliche Stellen für Polizisten genehmigt worden.
Das Interview im Wortlaut:
!Nana Brink:!! Wie reagieren wir richtig auf die steigenden Flüchtlingszahlen? Quer durch alle Lager ist man sich ja einig, diese anhaltend hohe Zahl kann das Land auf Dauer nicht verkraften. Nach Vorstellung der Union sollen nun Transitzonen an deutschen Grenzen eingerichtet werden, in denen im Eilverfahren über Asylanträge entschieden werden soll.
Innenminister Thomas de Maizière hat dazu einen Entwurf vorgelegt, der das deutsche Asylrecht ändern soll. Und zwar sollen diese Transitzonen – die gibt es ja nur an Flughäfen –, die sollen jetzt auch an den Grenzen, Außengrenzen möglich sein. Thomas Strobl ist stellvertretender Vorsitzender der CDU und Landesvorsitzender seiner Partei in Baden-Württemberg. Ich grüße Sie, schönen guten Morgen!
Thomas Strobl: Guten Morgen!
Brink: In den Transitzonen soll schnell über Asylanträge entschieden werden. Allerdings muss man sich auch mal klar machen, über welche, nämlich Asylanträge von Menschen, die ohne Papiere kommen oder aus sicheren Herkunftsländern wie zum Beispiel vom Balkan. Diese Zahl ist aber sehr rückläufig. Es sind nur noch sieben Prozent. Warum also noch Transitzonen?
Strobl: Weil es insgesamt nach wie vor hohe Zahlen sind. Und wir hatten in der ersten Jahreshälfte ja knapp die Hälfte aller Flüchtlinge, die etwa vom Westbalkan kamen, ohne dass sie schutzwürdig sind. Die Anerkennungsquote liegt bei unter einem Prozent. Dadurch, dass wir jetzt finanzielle Anreize beseitigen für Menschen, die eigentlich nicht politisch verfolgt sind, hier einen Asylantrag zu stellen, gehen die Zahlen schon zurück.
Aber, schauen Sie: Wir müssen jetzt an vielen Stellschrauben drehen. Und wir müssen zunächst einmal alles dafür tun, dass nicht Menschen in Deutschland einen Asylantrag stellen, die in Wahrheit nicht politisch verfolgt sind. Das machen wir durch die Beseitigung finanzieller Fehlanreize. Und jetzt werfen wir auch einen Blick auf unsere Grenzen. Wir werden darüber hinaus eine Reihe von weiteren Maßnahmen ergreifen müssen. Es gibt nicht die einzelne Maßnahme, die diese große Herausforderung zu einem guten Ergebnis bringt.
Die Transitzonen und das EU-Recht
Brink: Bleiben wir aber trotzdem bei der, über die wir jetzt sprechen, die Transitzonen. Das EU-Recht ist ja da nicht eindeutig, zumindest nicht, was die Binnengrenzen, also Schengen, zum Beispiel zwischen Deutschland und Österreich, angeht. Es ist nicht explizit verboten, aber auch nicht explizit erlaubt. Sie brauchen eine Genehmigung. Sind Sie sich sicher, dass Sie die bekommen?
Strobl: Da bin ich jedenfalls sehr zuversichtlich. Es ist rechtlich umstritten, das ist wahr. Manche sagen, das darf man für einen bestimmten Zeitraum machen. Die einen sagen, für zwei Monate, andere sprechen von zwei Jahren.
Meine persönliche Meinung ist, dass wir das jetzt in jedem Fall machen sollen. Und ich bin schon auch ganz überzeugt, dass in der Europäischen Kommission gesehen wird, dass wir eine ganz besondere Lage haben. Das ist ja nicht der Normalbetrieb, der an unseren Grenzen stattfindet. Und dass wir jetzt einfach prüfen, was können wir tun, um dieses Problem zu lösen, das kann, glaube ich, jedermann nachvollziehen.
Brink: Aber Sie sind ja Jurist. Und Sie wissen ja, wie schwierig das ist mit der Auslegung. Und da ist das Recht ja ganz deutlich. Sie sagen, es gibt natürlich eine Genehmigung in Ausnahmefällen, wenn die öffentliche Ordnung in Frage gestellt ist oder die innere Sicherheit bedroht.
"Wir haben ein massives Problem an unseren Grenzen"
Strobl: Wir haben ein massives Problem an unseren Grenzen. Das ist ja kein ordentliches Verfahren, wenn Tausende von Migranten in unser Land kommen, ohne dass sie registriert werden. So hat sich das ja niemand vorgestellt. Wir haben uns vorgestellt, dass wir im Grunde genommen die gleichen sicheren Grenzen an den EU-Außengrenzen haben, wie wir sie früher an den nationalen Grenzen hatten. Das funktioniert offensichtlich nicht. Dann haben wir aufgrund der Globalisierung und, ich füge hinzu, der Digitalisierung, aufgrund von fürchterlichen Kriegen und Terror jetzt sehr schnelle Migrationsbewegungen, wie sie noch nie dagewesen sind. Und in einer solchen, ich möchte sagen, krisenhaften Situation brauchen wir außergewöhnliche Maßnahmen. Und ich bin ganz sicher, dass das in der Europäischen Kommission genauso gesehen wird.
Brink: Gut, aber wie gesagt, wir brauchen eine Genehmigung der EU-Kommission dafür. Aber Sie haben von Vorstellungen gesprochen. Und viele, zum Beispiel auch die Gewerkschaft der Polizei, versuchen sich ja vorzustellen, wie das praktisch funktionieren soll. Sie sagen, zum Beispiel die Gewerkschaft der Polizei, wir haben gar kein Personal dafür. Wie soll das in der Praxis funktionieren? Wie sehen Sie das?
Strobl: Unsere Polizistinnen und Polizisten sind im Augenblick wirklich sehr belastet und sie machen eine exzellenten Job. Unsere Bundespolizei ist extrem leistungsfähig. Aber natürlich stehen die Polizistinnen und Polizisten auch vor einer riesengroßen Herausforderung, und ich möchte einfach die Gelegenheit nehmen, aus ganzem Herzen und ganzer Überzeugung auch Dankeschön zu sagen ...
Organisatorische Umsetzung
Brink: Aber Herr Strobl, das ist nicht unser Thema, sondern es geht darum, wie das organisiert werden soll.
Strobl: Das müssen Sie mir einfach erlauben. Und zweitens, weil wir eine leistungsfähige Bundespolizei haben, bin ich auch der ganzen Überzeugung, dass wir den Schutz an unseren Grenzen, die Gewährung der öffentlichen Sicherheit an unseren Grenzen, dass wir das gewährleisten können. Und hier sind die Transitzonen nicht die Lösung aller Probleme. Aber das ist ein Baustein, dass wir dieses bewährte Flughafenverfahren jetzt an unsere Grenzen nehmen.
Da gibt es ein paar Probleme selbstverständlich zu lösen. Wir brauchen entsprechende Baulichkeiten und anderes mehr. Wir brauchen auch entsprechend Personal. Deswegen haben wir im Bundeshaushalt auch genehmigt, dass wir 3.000 zusätzliche Polizistinnen und Polizisten einstellen. Ich kann mich nicht erinnern, dass es das jemals gegeben hat. Ich freue mich als Innenpolitiker über diesen Personalaufwuchs bei der Polizei, mit den Gewerkschaften. Wahr ist auch, das wird ein paar Tage dauern, bis diese Polizistinnen und Polizisten im Dienst sind. Trotzdem ist es richtig, dass wir die Polizei nun nachhaltig personell verstärken.
Brink: Aber Sie haben ja gerade gesagt, das ist ein außergewöhnlicher Vorgang. Und wir reden nicht von den hundert Menschen, die aufgenommen werden in den Flugtransitzonen, dafür ist sicherlich Personal da. Sondern wir reden von Zehntausenden, die dann in solchen Lagern, ja durch solche Lager geschleust werden sollen. Was sind da 3.000 Polizisten?
Strobl: Na ja – ob jetzt Zehntausende durch die Transitzonen geschleust werden, das warten wir mal ab. Aber wenn es einige Tausend sind, und wenn es uns gelingt, jeden Tag auch nur einige Hundert direkt aus einer Transitzone, die keine Asylgründe haben, unmittelbar wieder zurückzuschicken, nach wenigen Tagen, dann wird sich das in den Herkunftsländern herumsprechen.
Und dann erreichen wir das, was wir erreichen wollen, dass nicht mehr so viele kommen, die in Wahrheit unseres Schutzes nicht bedürfen, weil sie politisch nicht verfolgt sind. Und es ist ja auch im Interesse der Flüchtlinge, der Migranten, wenn sie schnell Bescheid wissen und nicht jahrelang bei uns in einem Verfahren hängen.
"Ich spreche von Klarheit"
Brink: Aber dann ist es auch legitim, ganz ehrlich von Abschreckung zu sprechen.
Strobl: Von Klarheit würde ich sprechen. Wir müssen klar machen: In Deutschland gilt das Asylrecht, unser Artikel 16a, es gilt die Genfer Flüchtlingskonvention. Diejenigen, die aber nicht darunter fallen, die können wir in Deutschland nicht aufnehmen.
Und ich habe gar nichts dagegen, wenn es ein Signal in die Herkunftsländer gibt. Es hat keinen Sinn, sich auf den beschwerlichen Weg nach Deutschland zu machen, den Schleuser und Schlepper mit dem letzten Geld zu bezahlen. Wir werden euch sehr schnell wieder zurückschicken.
Brink: Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl. Danke, Herr Strobl, für das Gespräch!
Strobl: Ich danke Ihnen und wünsche einen schönen Tag!
Brink: Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.