Debatte um "Turbo"-Abi

"Kulturkampf an der völlig falschen Stelle"

Gymnasiallehrerin Theresa Neudecker sitzt in einem Gymnasium in Straubing / Bayern vor einer Tafel mit der Aufschrift "G8" und "G9".
Wie lang soll die Schulzeit dauern? Die Debatte um das "Turbo"-Abitur reißt nicht ab. © picture alliance / dpa
Klaus-Jürgen Tillmann im Gespräch |
Der Bildungsforscher und emeritierter Professor für Schulpädagogik an der Universität Bielefeld, Klaus-Jürgen Tillmann, sieht in der Diskussion um die Rückkehr zur neunjährigen Gymnasialzeit (G9) einen "bildungspolitischen Kulturkampf an der völlig falschen Stelle". G8 bedeute nicht mehr Stress oder schlechtere Leistungen.
Aus seiner Sicht gebe es keine prinzipiellen bildungstheoretischen Argumente gegen die achtjährige Gymnasialzeit, sagte Tillmann am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur: "Und auch die These, dass G 8 zwingend so etwas wie massive Stressproduktion und Überlastung von Schülern bedeuten muss, finde ich nicht schlagend."
Keine Unterschiede bei Stress, Leistungen und Nachhilfe
Tillmann verwies auf einige Untersuchungen, in denen Schüler aus G 8 und G 9 befragt worden seien. Sie hätten ein durchgängiges Ergebnis gezeigt: "Dass wir nämlich keine Unterschiede finden. Weder bei der Frage nach Leistungsstress und besonderer Belastung (...), noch beim Ausmaß der Nachhilfe finden wir Unterschiede. Und die Leistungen im Abitur sind auch ziemlich gleich."
Er warnte vor der geplanten Rückkehr einiger Bundesländer zum G 9: "Die berechtigte Kritik am föderalistischen Chaos, die würde sozusagen erst eine Substanz kriegen, wenn diese Form von Rückänderung jetzt überall in unterschiedlicher Form passiert."
Pragmatisches Nachdenken gefordert
Derzeit existierten zwei mögliche Varianten der Gymnasialzeit, sagte Tillmann. Jetzt müsse man sich pragmatisch Gedanken machen, "welche Variante denn unter bestimmten Bedingungen sinnvoll ist. Ich finde, das ist kein Grund für solche bildungspolitischen Schlachtfeste."
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