Debatte um virales "Manspreading"-Video

Schlechte Recherche statt Fakten?

Grafik eines Filmstreifens auf dem die Szene abgebildet ist, wie eine Frau einem Mann Flüßigkeit in den Schritt gießt.
In einer U-Bahn in Russland ist ein Mann mit einer Flüssigkeit begossen worden, wie hier in unserer Montage, und wurde dabei gefilmt. Dieses Video führt seit Wochen zu Debatten. © Montage: DLF Kultur
Patrick Gensing im Gespräch mit Shanli Anwar |
Ein russisches Video verbreitete sich im Netz, in dem eine Frau in der U-Bahn breitbeinig sitzenden Männern Flüssigkeit in den Schritt schüttet. Eine EU-Beobachtungsstelle stufte es als gefälscht ein. Die ARD-Faktenfinder sehen das anders.
Wenn ein Video viel geklickt wird, fragt man sich oft: Ist es echt oder gefälscht? Zuletzt gab es Diskussionen um ein russisches Video. Eine junge Frau scheint offenbar in St. Petersburg in der U-Bahn breitbeinig sitzenden Männern Flüssigkeit in den Schritt zu schütten. Man sprach von einer Anti-Manspreading-Aktion. Manspreading ist die Bezeichnung dafür, wenn vorrangig männliche Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr mit gespreizten Beinen dasitzen.
Wir haben bereits zwei Mal darüber berichtet: Zuerst als das Video im Netz verbreitet wurde und ein zweites Mal als es hieß, das Video könnte vom Kreml gefälscht worden sein. Diese Information kam von der EU-Beobachtungsstelle "EU vs Disinformation".
Nun machen wir das Video ein drittes Mal zum Thema, denn die ARD-Faktenfinder von tagesschau.de bezweifeln inzwischen den Fälschungsvorwurf.

"Man braucht bessere Belege"

"Die Vorwürfe, die da erhoben werden, kann man durch eine Quellenrecherche ausräumen", sagt Patrick Gensing vom ARD-Faktenfinder. "Wenn man einen Vorwurf erhebt, dass ein Video von einem anderen Staat in Auftrag gegeben wurde, dann braucht man bessere Belege als das, was die EU-Beobachtungsstelle da vorgelegt hat."
Gensing benennt die Gegenargumente:
"Es wird eine falsche Frau benannt, die in dem Video zu sehen sei. Dann wird behauptet, dass eine Produktionsgesellschaft dieses Video realisiert hat. Dafür gibt es keine Belege. Das sind Gerüchte aus den Sozialen Medien. Die Produktionsgesellschaft und die Macherinnen haben es dementiert."

"Eine gehörige Portion Skepsis"

Es werde auch behauptet, dass ein Mann, der in dem Video zu sehen ist, zwei Mal auftauche. Direkt nachdem das Video veröffentlicht wurde, hatte der Mann im russischen Facebook vk.com geschrieben, das sei eine Inszenierung gewesen, für die er bezahlt worden sei und er habe zwei Männer gespielt.
"Es gibt ein weiteres Interview mit diesem Mann, wo er diese Aussage zurücknimmt und das damit erklärt, dass er sich geschämt habe, weil er erkannt worden sei. Er hat diese Aussage widerrufen und sein ganzes Profil gelöscht bei vk.com. Selbst wenn diese Aussage stimmen würde, ist das noch lange kein Beweis dafür, dass dieses Video vom Kreml inszeniert ist."
Patrick Gensing nennt einige Regeln, die man beachten kann, um die Echtheit eines Videos zu prüfen. Folgendes sollte man sich fragen: "Wer hat das Video gepostet? Gibt es das vielleicht schon woanders? Warum zeigt mir jemand so was, was will der mir sagen? Kann ich dieser Quelle vertrauen?" Diese Faustregel gelte immer: "Einfach eine gehörige Portion Skepsis mitbringen!"
(cosa)
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