Debatte um Wissenschaftsverlage

Deutschland vs. Elsevier

Eingangsschild vor einem Bürogebäude von Elsevier und anderen Unternehmen
Elsevier Verlag: Weltmarktführer unter den Wissenschaftsverlagen © imago / Richard Wareham
Leonhard Dobusch im Gespräch mit Frank Meyer |
Die Veröffentlichung wissenschaftlicher Zeitschriften ist ein Geschäft sui generis - nicht zuletzt, weil viel Steuergeld zirkuliert. Aktuell knirscht es sehr im Verhältnis zum Großverlag Elsevier. Ein Streitpunkt: Soll das Wissen weltweit frei zugänglich sein?
Wer profitiert von wissenschaftlicher Forschung und wer hat Zugang zu den Forschungsergebnissen – unter anderem um diese Frage geht es in der Auseinandersetzung zwischen deutschen Wissenschaftsorganisationen auf der einen Seite und dem Verlag Elsevier auf der anderen.
Das niederländische Unternehmen ist Weltmarktführer bei den Wissenschaftsverlagen mit rund 2500 Zeitschriften in seinen Datenbanken. Rund 180 Bibliotheken in Deutschland haben ihre Verträge mit Elsevier aber gekündigt. Unter dem Namen "Projekt DEAL" verhandelt ein Konsortium mit dem niederländischen Unternehmen. Darüber sprachen wir mit Leonhard Dobusch, der Professor für Organisation und Lernen an der Universität Innsbruck ist und über das Thema Open Access auf netzpolitik.org schreibt.

Kritik an Preisgestaltung

Kritik an der Preisgestaltung wissenschaftlicher Zeitschriften habe es schon lange gegeben, sagt Dobusch. Schließlich würden die Beiträge zum allergrößten Teil von öffentlich finanzierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verfasst und auch begutachtet würden, ohne dass die Verlage dafür etwas bezahlen müssten.
"Gleichzeitig erzielen gerade die großen Verlage sehr hohe Renditen damit. Bei Elsevier sind das rund 30 Prozent – das ist sehr viel."
Mit dem Internet und der einfacheren Möglichkeit, Forschungsergebnisse weltweit und quasi zum Nulltarif zugänglich zu machen, sei die Legitimation dieses Geschäftsmodells aus seiner Sicht endgültig ins Wanken geraten, sagt Dobusch.
"Die Bibliotheken und Forschungseinrichtungen sagen sich heute, wenn wir schon soviel für die Zeitschriftenabos zahlen, dann müssen zumindest die Aufsätze, die Beiträge unser eigenen Forscherinnen und Forscher weltweit Open Access – also frei zugänglich – sein."

Monopolistische Position

Prinzipiell sieht Dobusch kein Problem, wenn private Firmen an Dienstleistungen, die sie für öffentlich finanzierte Forschung erbringen, auch etwas verdienen. Forschung sei in vielen Bereichen auf private Dienstleister angewiesen.
"Problematisch ist es nur, wenn Verlage einerseits neue digitale Möglichkeiten – zum Beispiel zur Zugänglichmachung von Forschung verweigern oder nicht in dem Ausmaß nutzen, wie das möglich wäre – und gleichzeitig monopolistische Marktpositionen bei der Preisgestaltung ausnutzen. Und beides tut Elsevier. Und die monopolistische Position von Elsevier, die hat eben weniger mit dem Verlag und der Verlagsleistung zu tun, sondern damit, dass Wissenschaft ein Reputationsspiel ist, wenn man so will."
Es gehe um die Reputation einer Zeitschrift – wenn die einmal etabliert sei, dann könne man es sich in einer Disziplin gar nicht leisten, eine bestimmte Zeitschrift nicht zu abonnieren.
"Die muss man einfach haben, wenn man in diesem Bereich forschen will. Und diese Bedeutung einzelner Zeitschriften, die lässt sich Elsevier vergolden."

Breitere Öffentlichkeit

Bibliotheken und Forschungseinrichtungen wollten zu einer Lösung kommen und die in einem kollektiv verhandelten Deal festzuschreiben, so Dobusch:
"Was interessant ist bei diesen Verhandlungen ist, dass zwei der drei Großverlage – die drei haben ja zusammen ungefähr 50 Prozent des Publikationsmarktes in Deutschland unter sich aufgeteilt – nämlich Taylor & Francis und Springer Nature. Die sind eigentlich schon sehr weit auf die Forschungseinrichtungen und Bibliotheken zugegangen."
Es gebe auch eine Übergangsvereinbarung. Und die Verhandler seien zuversichtlich, noch Anfang bis Mitte 2018 eine Einigung zu erzielen, wie es sie in anderen Ländern schon gebe, etwa in den Niederlanden.
"Bei Elsevier ist die Situation aber anders: Obwohl die Verhandlungen mit Elsevier bereits ein Jahr länger dauern, gibt es nicht einmal eine Übergangsvereinbarung. Elsevier scheint sich selbst nicht sicher zu sein, ob man auf so eine Form von Publikationsverträgen umsteigen möchte – oder ob man vielleicht sogar lieber auf die Einkünfte aus Deutschland verzichtet."
(mf)
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