Debattenkultur an Hochschulen

Meinung von Erkenntnis unterscheiden

07:02 Minuten
Der Wirtschaftswissenschaftler und AfD-Gründer Bernd Lucke bei seiner Antrittsvorlesung in der Universität Hamburg. Studierende protestieren.
Als der Wirtschaftswissenschaftler und AfD-Gründer Bernd Lucke letztes Jahr seine Antrittsvorlesung halten wollte, wurde er von Studierenden daran gehindert. © Markus Scholz / dpa
Paula-Irene Villa Braslavsky im Gespräch mit Gabi Wuttke |
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Einen verengten Diskurskorridor an den Unis kann Paula-Irene Villa Braslavsky nicht ausmachen: "Wir setzen uns mit wissenschaftlichen Methoden mit allen Positionen auseinander", betont die Soziologin. Unis seien nicht Ort der politischen Debatte.
Es stehe schlecht um die Meinungsfreiheit an deutschen Universitäten, konstatierte vor ein paar Tagen der Präsident des Deutschen Hochschulverbands, Bernhard Kempen. Er sprach von einer "Verengung des Diskurskorridors" und von einer "nach rechts wie nach links gerichteten Tabuisierungsstrategie", die er sehr bedauere. Für Kempen sind diese Bildungseinrichtungen weniger Orte, an denen es um Haltung gehe, als vielmehr Orte der Erkenntnis und der Wahrheitssuche.
Dem kann auch die Soziologieprofessorin Paula-Irene Villa Braslavsky von der Ludwig-Maximilians-Universität in München zustimmen: Bei der Suche nach Erkenntnis gehe es einerseits um Faktenfindung durch Beobachtung und anderseits um Reflexion, also die "methodisch-kontrollierte Deutung dessen, was in der Welt und in uns selbst passiert".
Aber eine Diskursverengung an den Hochschulen beobachtet Villa Braslavsky nicht, wie sie sagt: "Die Universität ist eben nicht die öffentliche politische Debatte, sondern wir setzen uns in der Universität, in der Wissenschaft mit methodisch-kontrollierten, mit wissenschaftlichen Methoden, mit allen Positionen, die es im politischen Raum gibt, auseinander – und zwar selbstverständlich."

Wissenschaftlich valide Argumente entwickeln

Zwar hätten Studierende unterschiedliche politische Haltungen, doch im Seminarraum gehe es darum, wissenschaftlich valide Argumente zu entwickeln und wissenschaftliche, an Erkenntnis orientierte Positionen zu vertreten und nicht einfach nur politische Meinungen, sagt Villa Braslavsky. "Das heißt nicht, dass politische Meinungen per se total tabuisiert werden, sondern: Die Ausbildung in der Universität besteht auch darin, Meinung von Erkenntnis zu unterscheiden."

Gräben höchstens innerfachlicher Art

Doch dafür braucht man Raum und Zeit, wie Villa Braslavsky erklärt. Beides knappe Güter in Zeiten von Bachelor- und Masterstudiengängen. Der Druck auf die Studierenden, in kurzer Zeit vielen Anforderungen gerecht zu werden, ist stark gestiegen, wie Villa Braslavsky berichtet. Deswegen müssten gerade die Lehrenden ein Auge darauf haben, Studierende auch in ihrer kritischen Urteilsfähigkeit auszubilden.
"Die Unterschiede verlaufen eben nicht zwischen links und rechts oder zwischen Gender und Klimaleugnung, sondern zwischen unterschiedlichen Paradigmen und Methoden innerhalb der Disziplin. Da wünsche ich mir manchmal mehr Debatte miteinander. Wenn es überhaupt so etwas wie Gräben gibt, dann sind sie innerfachlicher Art."
(ckr)
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