Debbie Harry wird 75

New-Wave-Ikone und Vorbild

06:11 Minuten
Porträt von Debbie Harry auf der Bühne.
Stimme der Band Blondie: Debbie Harry. © Getty Images / Michael Ochs Archive / Richard McCaffrey
Von Martin Böttcher |
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Stimmgewaltig, selbstbewusst und sehr blond - Debbie Harry ist vor allem als das Gesicht der New-Wave-Band Blondie bekannt. Ein Superstar à la Madonna oder Lady Gaga war sie nie - und doch hat sie Generationen von Sängerinnen nach ihr geprägt.
Ein altes TV-Video, schwarz-weiße Bilder, auf einer kleinen Bühne die Band Blondie. Alles sieht ein bisschen unprofessionell aus – auch Sängerin Debbie Harry. Sie erklärt, wo der "Pogo" herkommt, der Tanz der Punks.
Und wie sie einerseits voll drin ist in den Feinheiten der Subkultur und sich gleichzeitig darüber lustig machen kann – das hat etwas! Ein paar Monate später kennt die ganze Welt Blondie, die Band, die den Punk mit den Mitteln von Disco in die Clubs brachte.
"Heart of Glass" war der große Hit für Debbie Harry und ihrer Band. Nummer eins in vielen Ländern, auch in den beiden wichtigsten, was die Popkultur angeht, in Großbritannien und die in den USA. Aber wo kam das her? Wo kam Debbie Harry her?
Blondie gab es schon länger, gemeinsam mit ihrem Freund, dem Gitarristen Chris Stein, hatte Harry die Band 1974 gegründet und aus Rock und Punk und Wave eine schöne Undergroundmischung hinbekommen.
Und dass man sich selbst vermarkten muss, hatte sie auch schon gehört: "Auf der Highschool habe ich viel gemalt. Und meine Kunstlehrerin hat da zu mir gesagt: Egal, wie gut du bist, als Künstlerin musst du die Hälfte deiner Zeit damit verbringen, deine Kunst zu verkaufen. Kann doch nicht sein, dachte ich. Aber es stimmt: Du musst diese zusätzliche Arbeit investieren!"

Kein leichter Start ins Leben

Debbie Harry hat es nicht leicht gehabt am Anfang: 1945 geboren, gleich danach von der Mutter zur Adoption freigegeben. Die konservativen Adoptiveltern wünschten sich ein bescheidenes Mädchen. Deborah Ann Harry wünschte sich schon als Teenagerin eine Künstlerkarriere und zog Mitte der 60er nach New York.
Als Kellnerin in Manhattan bediente sie Andy Warhol, Miles Davis, Iggy Pop und andere Szenegrößen - und sie spielte dann auch schnell in ihren ersten Bands.
New York war damals noch eine ganz andere Stadt als heute. Heruntergekommen, mit viel Freiraum, Musikerinnern und Musiker, überhaupt Künstlerinnen und Künstler begegneten sich dort, beeinflussten sich, Genregrenzen waren auch dazu da, überwunden zu werden.
"Ich bin New Yorkerin", sagt Debbie Harry. "Manches hier wird sich wohl nie ändern: Menschen gehen nach New York, um Teil einer Szene zu werden und diesen lebendigen, anziehenden Ort zu erleben. Aber für uns war das damals eine ziemlich unschuldige Zeit, es ging nicht so sehr ums Geld, es war nicht voll, es war für Künstler einfacher."

Ein bisschen provokant, ein bisschen aggressiv

New York, die 70er, Punk – wichtige Eckpunkte für das Leben und die Karriere von Debbie Harry. Vor allem die Haltung hinter Punk war entscheidend: Alles nicht so ernst nehmen. Traditionen anzweifeln, Konventionen hinter sich lassen.
Ihre eigene Rolle im Spektakel hat sie dabei ziemlich treffend analysiert: eine sehr feminine, an Marylin Monroe erinnernde Frontfrau in einer männlichen Band in einem klaren Macho-Umfeld. Ein bisschen provokant, ein bisschen aggressiv, aber auch ein bisschen dem Klischee des blonden Püppchens entsprechend. Was dabei gespielt, was ernst war, blieb offen.
Aber Debbie Harry sang ja nicht nur, sie sorgte für die Show und sie schrieb auch an den Songs mit: "Auftritte sind toll. Aber wenn man einen Song schreibt, dann ist das noch mal ganz anders und sehr befriedigend!"
Eine künstlerisch selbstbestimmte Frau in tollen Klamotten. Debbie Harry war damals, Ende der 70er, Anfang der 80er, in gewissen Kreisen eine Stilikone. Ihre Outfits bastelte sie sich aus Kissenbezügen, aus Resten, aus Klebeband, halb Glamour, halb Trash.

Blondie war nur eine Station

Blondie, die Band, war dabei nur eine Station. Man trennte sich 1982, kam aber später wieder zusammen. Debbie Harry versuchte sich solo, sie spielte in Filmen wie David Cronenbergs "Videodrome" oder John Waters "Hairspray" mit, arbeitete die eigene Vergangenheit in Büchern auf.
Die Sängerin Debbie Harry während eines Konzerts, 2003.
Ikone forever: Debbie Harry ist auch nach ihrer Blondie-Zeit der Konzertbühne treu gelieben. © Imago / Everett Collection / George Taylor
Aus heutiger Sicht aber am wichtigsten: Debbie Harry hat mit ihrer Energie, mit ihrer Lust an der Selbstinszenierung und der Selbstvermarktung ziemlich überzeugend vorgemacht, wie eine selbstbestimmte Karriere als Frau im Pop aussehen kann. Wenn man will, kann man eine Linie ziehen, von ihr zu Madonna, Lady Gaga, Amy Winehouse und auch zu Billie Eilish.
Heute, mit 75, sieht Debbie Harry dank Schönheitschirurgie irgendwie alterslos aus. Wann Schluss ist mit der Musik? Wie Debbie Harry früher mal sagte: Sie hört auf, wenn sie schwer krank oder tot ist.
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