Zwei Frauen, zwei Wege in die Freiheit
Beide wuchsen in streng religiösen Familien auf, wurden verheiratet und brachen aus ihrem bisherigen Leben aus: Die Jüdin Deborah Feldman und die Muslima Manal al-Sharif erzählen gemeinsam von ihrer beeindruckenden Emanzipationsgeschichte.
Deborah Feldman ist schon etwas früher da. Sie hat einen Heimvorteil - seit einigen Jahren wohnt sie in Berlin. Es gibt Popcorn.
Deborah Feldman freut sich auf Manal al-Sharif, die für sie zur Freundin geworden ist:
"Als ich über ihre Kindheit gelesen habe, über die Struktur in der saudi-arabischen Gesellschaft, natürlich musste ich an extrem ähnliche Strukturen in meiner eigenen Gesellschaft denken, aber immerhin hat Manal mir das gleiche mitgeteilt, als sie mein Buch gelesen hat: Wie kann das sein, dass zwischen den Chassiden in New York und den Arabern in Saudi-Arabien so viele Gemeinsamkeiten gibt. Aber wenn man dann in den einzelnen Details reingeht, wird es auch gefährlich zwischen weiblichen Geschichten im Allgemeinen zu vergleichen, weil jede weibliche Geschichte einzigartig ist."
Dennoch springen zunächst die Ähnlichkeiten dieser beiden jungen Frauen in die Augen. Als Manal al-Sharif angekommen ist und ihren Mantel ablegt, brechen die beiden in Lachen aus:
"We are wearing the same colour?"
Beide tragen ein auffallend ähnliches Kleid in exakt gleichem Dunkelgrün.
"Is this embarassing for you?"
"No! This is a beautiful coincidence!"
Die 550 Plätze im Saal sind bereits besetzt und noch immer stehen die Menschen Schlange. Es ist ein besonderer Abend. Nicht nur, weil hier gleich zwei Frauen ihre beeindruckende Emanzipationsgeschichte erzählen, sondern auch, weil Deborah Feldman und Manal al-Sharif hier gemeinsam auf dem Podium sitzen. Vor einigen Jahren wäre das für die beiden noch unvorstellbar gewesen.
"Als ich über ihre Kindheit gelesen habe, über die Struktur in der saudi-arabischen Gesellschaft, natürlich musste ich an extrem ähnliche Strukturen in meiner eigenen Gesellschaft denken, aber immerhin hat Manal mir das gleiche mitgeteilt, als sie mein Buch gelesen hat: Wie kann das sein, dass zwischen den Chassiden in New York und den Arabern in Saudi-Arabien so viele Gemeinsamkeiten gibt. Aber wenn man dann in den einzelnen Details reingeht, wird es auch gefährlich zwischen weiblichen Geschichten im Allgemeinen zu vergleichen, weil jede weibliche Geschichte einzigartig ist."
Dennoch springen zunächst die Ähnlichkeiten dieser beiden jungen Frauen in die Augen. Als Manal al-Sharif angekommen ist und ihren Mantel ablegt, brechen die beiden in Lachen aus:
"We are wearing the same colour?"
Beide tragen ein auffallend ähnliches Kleid in exakt gleichem Dunkelgrün.
"Is this embarassing for you?"
"No! This is a beautiful coincidence!"
Die 550 Plätze im Saal sind bereits besetzt und noch immer stehen die Menschen Schlange. Es ist ein besonderer Abend. Nicht nur, weil hier gleich zwei Frauen ihre beeindruckende Emanzipationsgeschichte erzählen, sondern auch, weil Deborah Feldman und Manal al-Sharif hier gemeinsam auf dem Podium sitzen. Vor einigen Jahren wäre das für die beiden noch unvorstellbar gewesen.
Der Hass auf Juden ist in Saudi-Arabien allgegenwärtig
"Wir sind in Saudi-Arabien aufgewachsen mit Hass auf Juden, ja, ich bin da ganz ehrlich. Israel war der Feind, Juden sind Feinde und jeder, der nicht Muslim ist, irrt und wird im Höllenfeuer enden. Alle diese Dinge, die erfunden werden, über Juden oder auch Schwule. Mein Verleger hier ist im Übrigen schwul, vor zehn Jahren hätte ich nicht mit ihm geredet. Es ist wichtig zu wissen, dass all diese Ängste, die geschürt werden, die Vorurteile und Stereotypen nach nur einer Begegnung weg sein können."
Manal al-Sharif wird 1979 in Saudi-Arabien geboren, sie wächst mit zwei Geschwistern in einer streng religiösen Familie in Mekka auf, in ärmlichen Verhältnissen. Obwohl in Saudi-Arabien nicht geläufig, werden sie und ihre Schwester beschnitten. Schon früh trägt sie die Vollverschleierung, den Niqab.
"Meine Mutter nannte nie meinen Namen Manal, wenn wir auf der Straßen waren. Sie rief mich Mehmet, das ist der Name meines Bruders. Ich war namenlos!"
Manal al-Sharif wird 1979 in Saudi-Arabien geboren, sie wächst mit zwei Geschwistern in einer streng religiösen Familie in Mekka auf, in ärmlichen Verhältnissen. Obwohl in Saudi-Arabien nicht geläufig, werden sie und ihre Schwester beschnitten. Schon früh trägt sie die Vollverschleierung, den Niqab.
"Meine Mutter nannte nie meinen Namen Manal, wenn wir auf der Straßen waren. Sie rief mich Mehmet, das ist der Name meines Bruders. Ich war namenlos!"
Beide durften als Mädchen nicht rumspringen oder klettern
Manal, die gerne Sport macht, durfte als Mädchen nicht laufen, springen, klettern - wieder aus Angst um ihre Jungfräulichkeit.
"Wir durften auch nicht laufen oder rumspringen. Aber nicht wegen unserer Unschuld, sondern weil das als schamloses Verhalten angesehen wurde. Über Jungfräulichkeit sprach niemand. Meine Gemeinde hatte es geschafft, alles, was mit Sex zu tun hatte, komplett auszulöschen aus unserem Bewusstsein. Und als ich meine Tage bekommen habe, dachte ich, ich sterbe und muss ins Krankenhaus."
Deborah Feldman wächst in einer ultraorthodoxen jüdischen Satmarer-Gemeinde auf: mitten in New York und doch abgeschlossen von der Außenwelt. Mit 17 wird sie zwangsverheiratet, in der Hochzeitsnacht wird ihr, wie allen verheirateten Satmarer-Frauen, der Kopf geschoren. Mit Anfang 20 beginnt sie sich Stück für Stück von der Gemeinde zu distanzieren: Sie führt ein Doppelleben, studiert heimlich Literatur - bis sie sich schließlich scheiden lässt und mit ihrem kleinen Sohn aus der Gemeinschaft flieht.
"Das Schwierigste war, dass du keinen Boden mehr unter den Füßen hast. Da ist nichts, nichts, nichts aus deinem alten Leben mehr, nichts außer deinem Kind - und unter deinen Füßen ist nur Luft."
"Was Deborah getan hat, war viel mutiger als das, was ich getan haben. Sie trennen dich komplett von deiner Familie. Deine Familie erklärt dich für tot, es kommen Trauergäste. Obwohl ich Aktivistin bin, obwohl meine Familie nichts von dem gut findet, was ich tue, hat sie mich nicht verstoßen."
"Wir durften auch nicht laufen oder rumspringen. Aber nicht wegen unserer Unschuld, sondern weil das als schamloses Verhalten angesehen wurde. Über Jungfräulichkeit sprach niemand. Meine Gemeinde hatte es geschafft, alles, was mit Sex zu tun hatte, komplett auszulöschen aus unserem Bewusstsein. Und als ich meine Tage bekommen habe, dachte ich, ich sterbe und muss ins Krankenhaus."
Deborah Feldman wächst in einer ultraorthodoxen jüdischen Satmarer-Gemeinde auf: mitten in New York und doch abgeschlossen von der Außenwelt. Mit 17 wird sie zwangsverheiratet, in der Hochzeitsnacht wird ihr, wie allen verheirateten Satmarer-Frauen, der Kopf geschoren. Mit Anfang 20 beginnt sie sich Stück für Stück von der Gemeinde zu distanzieren: Sie führt ein Doppelleben, studiert heimlich Literatur - bis sie sich schließlich scheiden lässt und mit ihrem kleinen Sohn aus der Gemeinschaft flieht.
"Das Schwierigste war, dass du keinen Boden mehr unter den Füßen hast. Da ist nichts, nichts, nichts aus deinem alten Leben mehr, nichts außer deinem Kind - und unter deinen Füßen ist nur Luft."
"Was Deborah getan hat, war viel mutiger als das, was ich getan haben. Sie trennen dich komplett von deiner Familie. Deine Familie erklärt dich für tot, es kommen Trauergäste. Obwohl ich Aktivistin bin, obwohl meine Familie nichts von dem gut findet, was ich tue, hat sie mich nicht verstoßen."
Der Preis für die Freiheit ist hoch
Auch Manal al-Sharif hat einen hohen Preis bezahlt für die Freiheit, die sie sich irgendwann nahm: Manal al-Sharif studiert nach der Schule Informatik und arbeitet jahrelang als einzige Frau bei der staatlichen Ölfirma Aramco. Sie heiratet, lässt sich aber wieder scheiden, als ihr Mann verlangt, dass sie ihre Arbeit aufgibt und den Niqab, die Vollverschleierung trägt. Manal Al-Sharif versucht danach als alleinerziehende berufstätige Frau ihren Alltag zu meistern. Ohne die Zustimmung eines männlichen Vormundes kann sie weder ein Bankkonto eröffnen noch eine Wohnung mieten noch alleine Auto fahren. 2011 tut sie es trotzdem und lässt sich dabei filmen. Manal al-Sharif wird für neun Tage in Haft genommen. Kurz darauf verlässt sie Saudi-Arabien, ihren kleinen Sohn muss sie bei ihrem Ex-Mann zurücklassen.
Als Teenager wollte Manal al-Sharif eine streng religiöse Frau werden. Wie ist aus ihr eine Aktivistin für Frauenrechte geworden?
"Ich glaube, das Schlimmste war diese Gehirnwäsche. Aber ich habe mich immer gefragt: Warum hat Gott mir ein Gesicht gegeben, wenn er jetzt von mir verlangt, dass ich es verstecke? Sie haben es mir erklärt, aber es hat mich nicht überzeugt."
"Wenn du einmal anfängst, die Dinge zu hinterfragen, kannst du nicht mehr aufhören. Und ich habe diese Antworten immer im Verbotenen gesucht, also in Büchern, da habe ich diese unzähmbaren Vorbilder gefunden."
Deborah Feldman erzählt, dass sie immer wieder Briefe von Frauen bekommt, die sie um Rat bitten: Aber den gibt es nicht, sagt sie. Hier sitzen zwei Frauen auf dem Podium, deren Geschichten einzigartig sind. Sie lassen sich nicht übertragen auf andere Lebenswege - aber sie können inspirieren. Wie sie Autoritäten hinterfragen, Wahrheiten anzweifeln, sich furchtlos ihre eigene Meinung bilden und mutig danach handeln.
"Wer hier im Saal kann nicht schwimmen? Bitte melden! Eine? Zwei? Ich auch nicht! Als Mädchen durfte ich nicht schwimmen lernen. Aber jetzt lebe ich in Australien. Ich werde surfen lernen, nicht nur schwimmen!"
"Ich glaube, das Schlimmste war diese Gehirnwäsche. Aber ich habe mich immer gefragt: Warum hat Gott mir ein Gesicht gegeben, wenn er jetzt von mir verlangt, dass ich es verstecke? Sie haben es mir erklärt, aber es hat mich nicht überzeugt."
"Wenn du einmal anfängst, die Dinge zu hinterfragen, kannst du nicht mehr aufhören. Und ich habe diese Antworten immer im Verbotenen gesucht, also in Büchern, da habe ich diese unzähmbaren Vorbilder gefunden."
Deborah Feldman erzählt, dass sie immer wieder Briefe von Frauen bekommt, die sie um Rat bitten: Aber den gibt es nicht, sagt sie. Hier sitzen zwei Frauen auf dem Podium, deren Geschichten einzigartig sind. Sie lassen sich nicht übertragen auf andere Lebenswege - aber sie können inspirieren. Wie sie Autoritäten hinterfragen, Wahrheiten anzweifeln, sich furchtlos ihre eigene Meinung bilden und mutig danach handeln.
"Wer hier im Saal kann nicht schwimmen? Bitte melden! Eine? Zwei? Ich auch nicht! Als Mädchen durfte ich nicht schwimmen lernen. Aber jetzt lebe ich in Australien. Ich werde surfen lernen, nicht nur schwimmen!"