Debüt im Deutschlandradio Kultur

"Eine perfekte Verbindung von Form und Leidenschaft"

Nicholas Collon
Nicholas Collon © Jim Hinson
Im zweiten Debüt-Konzert der Saison am 25.11.2015 geben wir wieder drei international erfolgreichen jungen Musikern die Chance, sich in der Berliner Philharmonie zu präsentieren. Der rumänische Cellist Andrei Ioniţă, der französische Pianist Adam Laloum und der britische Dirigent Nicholas Collon führen gemeinsam mit dem DSO Berlin Werke von Strawinsky, Schostakowitsch, Mozart und Bernstein auf.
Der Cellist Andrei Ioniţă wurde 1994 in Rumänien geboren. Im Alter von fünf Jahren erhielt er an der Musikschule in Bukarest zunächst Klavierunterricht , bevor er nach drei Jahren zum Violoncello wechselte. Seit 2012 studiert er an der Universität der Künste Berlin bei Jens Peter Maintz. Weitere musikalische Impulse erhielt er in Meister- und Kammermusikkursen namhafter Lehrer wie Steven Isserlis, David Geringas, Heinrich Schiff, Wolfgang Boettcher, Gidon Kremer und Christian Tetzlaff.
Andrei Ionita
Andrei Ionita© Daniel Delang
Mit dem Gewinn des 2. Preises beim Internationalen ARD-Wettbewerb München im September 2014 gewann Andrei Ioniţă die Aufmerksamkeit der internationalen Musiköffentlichkeit. Nur wenige Wochen später wurde ihm in Berlin der 2. Preis des "Internationalen Grand Prix Emanuel Feuermann" 2014 zuerkannt. Im Juli 2015 gewann Andrei Ioniţă den 1. Preis des Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerbs.
In der aktuellen Saison wird Andrei Ioniţă bei zahlreichen renommierten Orchestern debütieren: dem St. Petersburg Philharmonic Orchestra, der Filarmonica di Bologna oder auch der Filarmonica "George Enescu" in Bukarest. Es sind außerdem mehrere Auftritte mit Valery Gergiev vorgesehen, unter anderem in London, München, Baden-Baden und St. Petersburg. Andrei Ioniţă ist Stipendiat der Deutschen Stiftung Musikleben und spielt ein Violoncello von Giovanni Battista Rogeri, Brescia 1671.
Der französische Pianist Adam Laloum begann relativ spät, mit zehn Jahren, Klavier zu spielen. Nach dem Unterricht am Konservatorium von Toulouse wechselte er 2002 an das Conservatoire nach Paris in die Klasse von Michel Béroff. Während dieser Jahre nutzte er die Chance, mit musikalischen Persönlichkeiten wie Daria Hovora, Jean Mouillère, Claire Désert, Christian Ivaldi, Ami Flammer und Vladimir Mendelssohn zu arbeiten und nahm an Meisterklassen von Dmitri Bashkirov und Paul Badura-Skoda teil. Ab 2006 setzte er seine Ausbildung am Konservatorium von Lyon in der Klasse von Gery Moutier fort. Nach dem Gewinn des 1. Preises des Clara Haskil-Wettbewerbs im Jahre 2009 arbeitete Adam Laloum in Hamburg mit dem Pianisten Evgeni Koroljov.
Adam Laloum
Adam Laloum© Carole Bellaiche
Als Solist konzertierte Adam Laloum mit dem Marinsky Orchestra (Valery Gergiev), dem Orchestre de Paris (Cornelius Meister), dem Orchestre du Capitole de Toulouse (Kazuki Yamada), dem Orchestre Philharmonique de Monte Carlo (Alain Altinoglu), dem Orchestre Philharmonique de Radio France (Sir Roger Norrington) sowie dem Verbier Festival Orchestra (Charles Dutoit). In der laufenden Saison tritt Adam Laloum u.a. im Münchner Herkulessaal, im Théâtre des Champs-Elysées, bei den Schwetzinger Festspielen, in der Wigmore Hall, beim Lucerne Festival und im Auditorium du Louvre auf, außerdem bei den Festivals in Schwetzingen, Bad Kissingen, Mecklenburg-Vorpommern, Verbier, Colmar, la Roque d'Anthéron, beim Klavier-Festival Ruhr und La Folle Journée de Nantes.
Der britische Dirigent Nicholas Collon wurde am Clare College der Universität Cambridge zunächst in den Fächern Viola, Klavier und Orgel ausgebilet. Nach seinem Debüt beim London Symphony Orchestra im November 2010 wurde er 2011 Assistent von Vladimir Jurowski beim London Philharmonic Orchestra. Im Juni 2015 wurde er zum Chefdirigenten des niederländischen Residentie Orkest / The Hague Philharmonic ernannt; das Amt übernimmt er mit Beginn der Saison 2016/2017 für vorerst drei Jahre.
Nicholas Collon ist Gründer und Chefdirigent des Aurora Orchestra, das durch innovative Programme und Crossover-Projekte internationale Aufmerksamkeit erregte. Mit dem Aurora Orchestra gastierte er u. a. beim Musikfest Bremen, den BBC Proms und im Londoner Southbank Centre. Darüber hinaus leitete er als gefragter Gastdirigent Orchester wie das Londoner Philharmonia Orchestra, das City of Birmingham Symphony Orchestra, das London Symphony Orchestra, das Orchestre National du Capitole de Toulouse, die Bamberger Symphoniker, das Münchener Kammerorchester und das Ensemble Intercontemporain. Dabei konzertierte er mit herausragenden Partnern, u. a. mit Ian Bostridge, Angelika Kirchschlager, Vilde Frang, Francesco Piemontesi, Steven Isserlis sowie François Leleux.
Im Opernbereich debütierte Nicholas Collon in der vergangen Saison mit Mozarts ›Die Zauberflöte‹ an der English National Opera in London sowie an der Welsh National Opera. Im Jahr 2013 gab er mit Brittens ›The Rape of Lucretia‹ seinen Einstand am Pult von ›Glyndebourne on Tour‹.
Igor Strawinsky
Feu d'artifice. Fantasie für großes Orchester op. 4
Dmitrij Schostakowitsch
Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 Es-Dur op. 107
W.A. Mozart
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 23 A-Dur KV 488
Leonard Bernstein
Symphonische Tänze aus "West Side Story" (1961)
Andrei Ioniță, Violoncello
Adam Laloum, Klavier
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Nicholas Collon
Karten:
Besucherservice der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH
Charlottenstr. 56 | 2. OG
10117 Berlin | am Gendarmenmarkt
Öffnungszeiten Mo bis Fr 9 – 18 Uhr
Tel 030. 20 29 87 11
Fax 030. 20 29 87 29
tickets@dso-berlin.de

Folgenreiche, festliche und rätselhafte Premieren
Von Albrecht Dümling

Der Impresario im Publikum
Igor Strawinsky: ›Feu d'artifice‹ op. 4
Seinem Lehrer Nikolai Rimski-Korsakow, der ihn fünf Jahre lang als Privatschüler unterrichtete, verdankte Igor Strawinsky viel. Von ihm lernte er die Disziplin, die für die kompositorische Arbeit nötig war, und erhielt viele Anregungen. Rimski-Korsakow war ihm außerdem eine moralische Instanz. Als Strawinskys Vater starb, trat der Lehrer an dessen Stelle. Angesichts dieser großen Nähe war es für den jungen Komponisten selbstverständlich, ein Musikstück zu schreiben, als die Tochter des Meisters heiratete. Er schuf es ab Mai 1908 innerhalb von sechs Wochen und schickte die fertige Partitur dem Brautvater in dessen Sommerresidenz. Wenige Tage später erhielt er jedoch ein Telegramm mit der Nachricht vom Tod Nikolai Rimski-Korsakows am 21. Juni.
Bei dem musikalischen Hochzeitsgeschenk handelte es sich um das Orchesterstück ›Feu d'artifice‹ (Feuerwerk) – ein Kompendium der Orchestrationskünste, die Strawinsky bei Rimski-Korsakow gelernt hatte. Dieser hatte ihm eingeschärft, schon bei den ersten Entwürfen an bestimmte Instrumente zu denken. Für sein nur vier Minuten dauerndes Stück wählte Strawinsky eine opulente Besetzung. Neben drei Flöten, zwei Oboen, drei Klarinetten und sechs Hörnern fällt der große Streicherapparat auf. Nur wenige Instrumente entzünden zu Beginn das Feuer: Leise und engstufig in sich kreisende hohe Flötenfiguren, ergänzt durch Blitze von Piccoloflöte und Violinen. Erst allmählich füllt sich das Klanggewebe und erfasst auch die tiefe Lage. Als Gegenpol zur Chromatik stellen die Blechbläser ein diatonisches Thema vor, das zuerst in Bruchstücken und schließlich als Fugato erklingt. Ruhige Violin-Flageoletts, die an die Zauberformel aus dem ›Zauberlehrling‹ von Paul Dukas erinnern, unterbrechen die rasche Bewegung. Dann kehrt in diesem dreiteiligen Scherzo das erste Thema wieder, zuerst rückläufig gespielt, schließlich in der Originalgestalt. Den in den Himmel geschossenen Feuerwerkskörpern entsprechend, dominiert im Orchester die schwebend wirkende Höhe.
Bei der von Alexander Siloti am 6. Februar 1909 in Sankt Petersburg dirigierten Uraufführung beeindruckten die vielfältigen Klangfarben das Publikum, Strawinskys älterer Kollege Alexander Glasunow mäkelte jedoch: »Kein Talent, nur Dissonanz.« Besonders begeistert äußerte sich der Impresario Sergej Diaghilev, der für seine Präsentationen russischer Kunst in Paris einen musikalischen Mitarbeiter suchte. Ihm imponierte die Orchestration des ›Feuerwerks‹ so sehr, dass er den jungen Komponisten mit mehreren Bearbeitungen und schließlich mit der Musik zum Ballett ›Der Feuervogel‹ beauftragte. Dessen umjubelte Pariser Premiere im Juni 1910 bedeutete für Igor Strawinsky den internationalen Durchbruch. Das bis heute originell und eigenständig wirkende ›Feuerwerk‹, sein bis dahin erfolgreichstes Werk, hatte dies vorbereitet. Rückblickend bewertete Strawinsky deshalb den 6. Februar 1909 als ein entscheidendes Datum für die Zukunft seiner musikalischen Laufbahn. Dieser Tag hatte ihn zu Sergei Diaghilev gebracht, der nach Rimski-Korsakows Tod sein wichtigster Förderer wurde.
In vier Tagen einstudiert
Dmitrij Schostakowitsch: Violoncellokonzert Nr. 1 Es-Dur
Der 12. Mai war für Dmitrij Schostakowitsch alljährlich ein besonderes Datum. An diesem Tag erinnerte er sich an die Leningrader Uraufführung seiner 1. Symphonie am 12. Mai 1926. Sie war ein überwältigender Erfolg, immer wieder wurde der zwanzigjährige Komponist auf das Podium gerufen. Die Kritiker feierten die frühe Meisterschaft des jungen Mannes, der eben erst sein Studium abgeschlossen hatte. Schon ein Jahr später dirigierte Bruno Walter diese Symphonie in Berlin, weitere Aufführungen in Philadelphia und New York schlossen sich an. Zehn Jahre nach diesem grandiosen Start wurde Schostakowitsch in einem Artikel der Zeitung ›Prawda‹ unter dem Titel »Chaos statt Musik« öffentlich angegriffen. Er lebte seitdem in ständiger Angst vor der Willkür Josef Stalins, der ihn abwechselnd ehrte und bedrohte. Nach erneuten Verleumdungen im Jahr 1948 wagte der Komponist nicht mehr, neue Werke, wie sein erstes Violinkonzert, zur Aufführung zu bringen.
Nach Stalins Tod begann endlich mit der »Tauwetter-Periode« eine Liberalisierung, die auch Schostakowitsch aufatmen ließ. Als er den Cellisten Mstislaw Rostropowitsch kennenlernte, für den Prokofjew ein Cellokonzert geschrieben hatte, beschloss er 1959, diesem Beispiel zu folgen. Für sein eigenes Konzert wählte er die »heroische« Tonart Es-Dur. Den Kopfsatz nannte er »ein Allegretto im Stil eines spaßhaften Marsches«. Ohne Vorbereitung beginnt das Soloinstrument mit einem energischen Vierton-Motiv, das ein von Schostakowitsch 1948 komponiertes Marschlied aus dem Propagandafilm ›Die junge Garde‹ zitiert und dann vom Orchester aufgegriffen wird. Das Verhältnis von Individuum und Kollektiv ist hier weniger konflikthaft als später im zweiten, 1966 uraufgeführten, Cellokonzert. Das schwere Blech und die große Trommel, die dort bedrohlich wirken, fehlen in diesem Werk. Zu den Holzbläsern, Streichern, Celesta und Pauke tritt das Horn als einziges Blechblasinstrument. Es fungiert als Partner des Solisten, nicht als Gegner.
Der zweite Satz, eine elegische Sarabande, beginnt mit Dialogen von Cello und Horn. Im Mittelteil tritt endlich das Orchester stärker hervor, worauf das von einer Celesta begleitete Solocello in gespenstisch wirkenden hohen Flageolett-Tönen antwortet. Die Solokadenz beginnt ruhig, wird dann bewegter und virtuoser. Damit leitet sie über zum Final-Rondo, in dem sich der bissige Humor des Komponisten zeigt. Während er im Hauptthema des heiteren Kopfsatzes eine eigene Melodie zitiert hatte, spielt er nun auf das von Stalin besonders geschätzte georgische Volkslied ›Suliko‹ an. In Gedanken an den verhassten Diktator verzerrt Schostakowitsch die mit einem Terz-Fall beginnende Liedmelodie und macht den ganzen Satz zu einem Danse macabre. An den Cellisten stellt er dabei mit extrem hohen Tönen und Doppelgriffen enorme technische Anforderungen. Zum Schluss erinnert er noch einmal an das Hauptthema, dessen vier erste Töne zugleich aus den Initialen seines Namens,
d es c und h, hergeleitet sind. Dieses Monogramm, das den Bekenntnischarakter der Musik unterstreicht, sollte in seinem weiteren Schaffen noch eine zentrale Rolle spielen.
Mstislaw Rostropowitsch hat die ihm gewidmete Komposition innerhalb von nur vier Tagen einstudiert und am 4. Oktober 1959 in Leningrad zu einer sehr freundlich aufgenommenen Uraufführung gebracht. Bereits einen Monat später gastierte er mit diesem Werk in den USA.
Rätselraten um die Uraufführung
Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzert Nr. 23 A-Dur KV 488
Mit seinen nicht weniger als 27 Klavierkonzerten, die er in rascher Folge ab 1773 schuf, wurde Wolfgang Amadeus Mozart zum Schöpfer des modernen Klavierkonzerts. Diese Werkreihe bildet, so der Mozart-Forscher Alfred Einstein, den Gipfel seines instrumentalen Schaffens. Einstein bewunderte daran die Synthese von Kompliziertheit und Klarheit, von Innovation und Verständlichkeit. Der Komponist selbst hatte sich dies zum Ziel gesetzt, wie er 1782 seinem Vater erklärte: »Die Concerten sind eben das Mittelding zwischen zu schwer und zu leicht«. Kenner sollten darin Neues entdecken, »doch so, daß die Nichtkenner damit zufrieden sein müssen, ohne zu wissen warum«.
Mozart, ein glänzender Pianist, spielte seine Klavierkonzerte meist in eigenen Veranstaltungen, sogenannten Akademien. Die Uraufführungen waren festliche Ereignisse und fanden ein breites Interesse. Anders als bei den vorangegangenen Konzerten KV 467 und 482, die der Komponist im März bzw. Dezember 1785 dem Wiener Publikum vorstellte, ist beim A-Dur-Konzert KV 488, einem seiner meistgespielten Werke, kein Uraufführungsdatum überliefert. Nach ersten Entwürfen im Jahr 1784 vollendete Mozart diese Komposition am 2. März 1786, noch während der Arbeit an der Oper ›Die Hochzeit des Figaro‹. Im September bot er sein Klavierkonzert über den befreundeten Kammerdiener Sebastian Winter dem Fürstenhof von Donaueschingen an und versicherte, es sei in Wien noch unbekannt und gehöre zu einer Gruppe von Werken, welche »ich für mich oder einen kleinen Zirkel Liebhaber und Kenner zurückbehalte«. Die Partitur wurde für Donaueschingen erworben. Wir wissen aber nicht, wann und wo der Komponist sein neues Werk erstmals zu Gehör brachte.
Alfred Einstein hielt das A-Dur-Konzert für die ideale Erfüllung von Mozarts Anspruch, Kenner wie Liebhaber gleichermaßen zu befriedigen. Über den Kopfsatz schrieb er, niemals habe der Komponist »einen Satz geschrieben von solcher Einfachheit der Struktur, von solcher ›Normalität‹ in der thematischen Relation von Tutti und Solo, von solcher Klarheit der thematischen Erfindung«. Was so einleuchtend wirkt, ist dennoch eigenständig und originell. Zwar entspricht die Vorstellung zweier Themen in der Exposition der Norm. Ungewöhnlich ist dann aber die Durchführung, die sich vor allem einem dritten Thema widmet. Für Mozarts besondere Sorgfalt spricht neben der langen Entstehungszeit auch die Tatsache, dass er die Solokadenz hier nicht bloß andeutete, sondern vollständig ausnotierte.
In eine ganz andere Welt taucht der langsame Mittelsatz ein, Mozarts einziger Satz in der Tonart fis-Moll. Die große kantable und sich langsam herabsenkende Melodie im schwingenden Sechsachtel-Takt eines Siciliano, die der Solist ganz allein beginnt, wirkt wie eine Opernarie. Nach kurzer Aufhellung durch einen von der Klarinette (einem damals noch selten verwendeten Instrument) eingeführten A-Dur-Mittelteil kehrt der zarte Klagegesang wieder. Nicht wenige Musikfreunde halten dieses nur 99 Takte umfassende Adagio für den schönsten langsamen Satz, den Mozart je geschrieben hat. Mit energischen Sprüngen führt das Schluss-Rondo aus der stillen Versenkung in die Buffo-Heiterkeit des ›Figaro‹ zurück, nicht ohne kurz noch einmal das fis-Moll des Adagio-Satzes aufzugreifen.
Ein Orchester feiert
Leonard Bernstein: Symphonische Tänze aus ›West Side Story‹
»Man kann sich kaum einen anderen Komponisten vorstellen, der so perfekt Form und Leidenschaft verbindet.« Leonard Bernstein, der mit diesen Worten Mozart charakterisierte, hat wie dieser Kunst- und Volksmusik, Ernst und Unterhaltung verknüpft. Wie sein großes Vorbild komponierte er gleichzeitig Werke für das Theater und für den Konzertsaal, und auch bei ihm beeinflussten beide Sphären sich gegenseitig. Schon während seiner Studienzeit an der Harvard University hatte der Sohn jüdischer Einwanderer Bühnenmusiken geschrieben. 1942 schuf Bernstein seine erste Symphonie (›Jeremiah‹) und unmittelbar danach das Musical ›On the Town‹. Kein anderes Werk hatte aber eine so starke Resonanz wie seine ›West Side Story‹, eine Übertragung von Shakespeares ›Romeo und Julia‹-Drama auf den Broadway. Nicht zwei Angehörige verfeindeter Adelsgeschlechter stehen im Mittelpunkt dieses Musicals, sondern zwei junge New Yorker, die das Misstrauen der Einheimischen gegen Fremde durchbrechen wollen.
Der überaus erfolgreichen Premiere vom September 1957 folgten innerhalb von zwei Jahren 772 Aufführungen. 1958 wurde Bernstein zum Chefdirigenten der New Yorker Philharmoniker ernannt und war damit der erste und jüngste Amerikaner, der je diese Position erlangte. Schon 1961 wurde sein Vertrag um sieben Jahre verlängert. Am Valentins-Tag, dem 13. Februar 1961, sollte dies in einem Konzert der Philharmoniker gefeiert werden. Auf dem Programm standen ausschließlich Kompositionen Leonard Bernsteins, darunter die Symphonischen Tänze aus seiner ›West Side Story‹, welche Sid Ramin und Irwin Kostal für diesen Abend zusammengestellt und orchestriert hatten.
Obwohl die Tanzsuite mit dem Prolog beginnt, entspricht die Reihenfolge der neun Sätze nicht der Handlung des Musicals, sondern rein musikalischen Prinzipien. Das zu Beginn erklingende Tritonus-Intervall, in der Musikgeschichte oft das Symbol des Fremden und Bösen, verbindet viele Teile und verkörpert hier die Sehnsucht nach Liebe, nach Harmonie. Den bekannten Songs ›Somewhere‹ und ›Maria‹ stehen rhythmisch so komplexe Teile wie der kubanische ›Mambo‹ gegenüber, der nicht nur von den Schlagzeugern, sondern vom ganzen vollbesetzten Orchester ein Höchstmaß an Virtuosität abverlangt. Für diese ebenso intelligente wie kraftvoll mitreißende Partitur passt, was Bernstein über Mozarts Musik sagte: »Über ihr schwebt der Geist des Mitgefühls, der Menschenliebe, auch des Leidens – ein Geist, der zu allen Altersgruppen passt.«