Von der Straße ins Studio mit Weltmusik
Il Civetto begannen ihre Karriere in der Berliner U-Bahn. Hier haben sie so viel Stimmung gemacht, dass sich die Bahnhöfe in Partys verwandelten. Von dort ging es auf die Bühnen der Berliner Clubs. Nun ist ihr Debütalbum erschienen - und das zu hören lohnt sich.
Vincent Neumann: "Wenn man die Musik der Band il Civetto das erste Mal hört, will man gar nicht nicht glauben, dass diese Band aus Berlin kommt. Die klingen eher nach Frankreich oder Osteuropa oder auch mal nach Westafrika. Aber eben nicht nach Berlin. Doch genau da begann ihre Karriere vor fünf Jahren - in einer Berliner U-Bahn."
Kerstin Poppendieck: "Straßenmusiker kennt man. Aber wenn es da regnet oder man an der falschen Ecke steht, bringt das kaum was. Da ist die U-Bahn sehr clever. Na klar ging es darum Musik zu machen, aber natürlich auch darum, Geld einzuspielen. Deshalb haben sie il Civetto nicht im Berufsverkehr in die Bahn gestellt, wo zwar viele Leute unterwegs sind, die aber oft bescheiden gelaunt. Sondern sie sind immer am Wochenende Abends losgezogen, wenn die Fahrgäste entspannt waren, zu Parties, Konzerten, Kino unterwegs waren. Und nicht selten war es so, dass irgendwann der ganze U-Bahn Wagen getanzt hat, selbst wenn sie ausgestiegen sind, wurde im U-Bahnhof weiter gefeiert. Sie hatten auch ihre Instrumente auf die U Bahn abgestimmt. Leicht und mobil mussten sie sein: Saxophon, Ukulele, Cachon und zwei Gitarren. Und bei einer dieser U-Bahnsessions wurden sie von einem Fahrgast angesprochen, ob sie nicht gegen Gage bei einer Party spielen würden. Und so begann dann ihre Karriere."
Neumann: "Schöne Geschichte. Gibt es denn auch so eine Geschichte zu ihrem Musikstil? Balkanmusik, Gypsyfolk, Swing, orientalische Klänge – das ist ja doch eher außergewöhnlich für eine junge Band aus Deutschland."
Poppendieck: "Schuld daran ist die zweite große Leidenschaft der Bandmitglieder: Alle reisen unheimlich gern. Und auf diesen Reisen lassen sie sich immer musikalisch inspirieren. Die waren in Afrika unterwegs, in Südamerika, in verschiedenen europäischen Ländern. Ein Lied des Album haben sie zum Beispiel im Senegal geschrieben und das dann auch gleich im Studio des Bassisten von Yussuf NDour aufgenommen. Sie arbeiten auf ihren Reisen immer mit lokalen Künstlern zusammen und spielen dort Konzerte. Das Album zum Beispiel haben sie in der Türkei fertig geschrieben und produziert. Also da kommen all die vielen unterschiedlichen musikalischen Einflüsse her. Und auch die verschiedenen Sprachen auf dem Album kommen von den Reisen. Es gibt ein Lied auf Deutsch. Ansonsten singen sie auf französisch, portugiesisch und noch andere Sprachen und das alles in einem wilden Mix. Eine ganz eigene Sprache, wie Leon Bollinger der Percussionist der Band und Gitarrist Tristan Böttger erzählen:", ...
"...und all diese Sprachen, die wir auf unserer Reisen gelernt haben, haben wir zusammen in eine eigene Sprache gepackt, weil wir uns so besser ausdrücken können. Wenn man nämlich nur eine Sprache hat, dann kann man vielleicht das Eine nicht so gut sagen, dafür das Andere besser sagen. Wenn wir´s zusammenpacken haben wir die komplette Fülle. Erfunden ist sie so gar nicht diese Sprache, weil sie ja auf real existierenden Sprachen beruht und dadurch auch ne echte Bedeutung hat, und wenn man sich mal ganz doll konzentriert, kriegt man glaub ich auch noch den direkten Sinn raus, was wir sagen. Und ist es auch einfach wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass Sprache nicht immer nur eine direkte Aussage treffen muss oder transportieren muss, sondern dass es uns um Emotionen geht."
"Tolle Bilder, eine wirklich witzige Geschichte"
Neumann: "Das Eine ist ja, Lieder selbst für sich zu interpretieren, aber erzählen sie denn Geschichten in ihren Texten? Was verpasst man denn, wenn man gar kein französisch oder portugiesisch spricht?"
Poppendieck: "Eine ganze Menge, wie ich finde. Musiker sagen das ja ganz gerne: Der Zuhörer soll meine Stücke selbst interpretieren, sie bedeuten für jeden etwas anders. Das ist ja gut und schön, nur verpasst man in dem Fall wirklich schöne Märchen und faszinierende Figuren. Die erste Single aus dem Album heißt Baba Che. Im Video ist Baba Che ein Gemüsehändler, der mit der Frau vom Fleischer durchbrennt. Das Video vermittelt eine sehr schöne Stimmung, tolle Bilder, eine wirklich witzige Geschichte. Dann gibt es das Stück Tamarir, das von einem Mann in Westafrika erzählt und seinem Alltag dort, die Schönheit der Natur auf der einen Seite, die Armut auf der anderen. Und dann gibt es Märchen von Rabbis, die zu Feen werden oder von einem Waldungeheuer."
"Der Song erzählt davon, wie man im Wald aufwacht und zuerst gar nicht weiß, wo man sich überhaupt befindet und sich durch den Wald schlägt und den Lockrufen verschiedener Fabelwesen folgt und an ein riesengroßes Lagerfeuer kommt, an dem verschiedenste irrwitzige Gestalten zusammen ein Fest feiern, und das Ungeheuer entpuppt sich als eine riesengroße Feier von Wesen, denen man auf Grund ihres Erscheinungsbildes abgeneigt wär, oder vor dem man Angst hätte. Aber alle feiern zusammen."
Neumann: "Was macht denn für dich das Besondere des Albums aus?"
Poppendieck: "Ich hatte beim Hören das Gefühl zu Reisen. Das liegt natürlich an der Musik, die man eher anderen Ländern als Deutschland zuordnet, gemischt mit den fremden Sprachen. Das hat mir gefallen. Es ist einfach ein Album das auffällt. Man will einfach tanzen. Diese Lebensfreunde und den Spaß, den die Bandmitglieder an dem haben, was sie da machen, da schaffen sie auch auf dem Album zu transportieren. Da steckt eine ungeheure Energie dahinter. Es ist sehr abwechslungsreich, alles akustisch und es macht einfach Spaß."
Neumann: "Meine Kollegin Kerstin Poppendieck über das Debütalbum von il Civetto. So heißt auch das Album. Am 5. Dezember wird es eine Record Release Party im Ritter Butzke in Berlin geben, im kommenden Jahr geht die Band dann auf Tour."