Tobias Schlegl: "Schockraum"
Piper Verlag 2020
288 Seiten, 22 Euro
Traumatische Erfahrungen als Notfallsanitäter
10:34 Minuten
Tobias Schlegl hängte seinen Moderatoren-Job an den Nagel, um Notfallsanitäter zu werden. In seinem Debütroman "Schockraum" verarbeitet er nun das Erlebte und weist auf die widrigen Arbeitsbedingungen der Retter hin.
Moderator beim Fernsehen ist für viele ein Traumjob. Tobias Schlegl hat ihn viele Jahre ausgeübt. Er hat bei Viva und MTV und später Sendungen wie extra3 und das ZDF-Kulturmagazin Aspekte moderiert.
Vor vier Jahren kündigte er dann, um sich zum Notfallsanitäter ausbilden zu lassen. Das dauert drei Jahre, ist anspruchsvoll und in vielerlei Hinsicht herausfordernd. Wie sehr, das kann man jetzt in Schlegls Debütroman "Schockraum" nachlesen.
Nach eineinhalb Jahren als Notfallsanitäter* hatte Schlegl jede Menge heftige Einsätze erlebt. Die seien so intensiv gewesen, dass er Hilfe benötigt habe, berichtet er. Die bekam er dann auch - ein Kollege erkannte die Situation und alarmierte das Kriseninterventionsteam. Dort habe er dann unter anderem den Tipp bekommen, über das Erlebte zu schreiben, sagt Schlegl:
"Ich wollte aber nicht über mich schreiben. Die Geschichte ist ja eigentlich gut ausgegangen. Mir wurde geholfen und alles ist gut gelaufen. Ich fand es künstlerisch viel interessanter, den düsteren, melancholischen Weg durchzuspielen. Was wäre, wenn mir keiner geholfen hätte? Genau da setzt der Roman an."
Ein Roman als Debatten-Appell
Schlegl hofft, dass er mit "Schockraum" eine Debatte anstoßen kann. Denn beim Rettungsdienst handele um eine Männerdomäne, wo es als Zeichen von Schwäche gelte, wenn man sage, dass man einen Einsatz nicht verarbeitet habe und nicht weiterfahren könne.
Zugleich sind Schlegl viele Fälle bekannt, bei denen Kollegen einfach verschwanden. Die hätten dann für mehrere Monate eine Auszeit genommen oder seien gleich ganz weg gewesen, erzählt er – und das schon nach zwei, drei Jahren im Dienst. Das Problem sei, dass es zwar Hilfsangebote gebe, diese aber aktiv in Anspruch genommen werden müssten:
"Ich finde den Schritt, dass man selber aufstehen muss, extrem schwierig. Jeder Profifußballer hat Psychologen an seiner Seite. Wir kennen das Phänomen von Soldaten, die aus Afghanistan wiederkommen. Die bekommen sofort eine Therapie angeboten. Ich finde, das muss nach bestimmten Einsätzen automatisch passieren. Es gibt zwar die Supervision, also das Kriseninterventionsteam. Aber die muss man halt selbst aktivieren. Und das machen die wenigsten."
Eigentlich empfindet Schlegl den Job als sehr erfüllend, trotz der hohen Belastung und der vielen Überstunden. Eine Berufsempfehlung will er dennoch nicht aussprechen:
"Ich würde gerne den Satz sagen: Ich empfehle diesen Job zu hundert Prozent. Das kann ich aber nicht. Das kann ich jungen Menschen nicht sagen. Aufgrund der Arbeitsbedingungen. Sie sollten dieses Buch lesen, um zu wissen, worauf sie sich einlassen. Dabei ist es, wenn man es runterbricht, ein toller Job. Ich konnte ein Leben retten und dafür hat sich einfach alles gelohnt. Diese ganze Arbeit, dieser ganze Stress, diese ganzen Kämpfe, die ich ausgefochten habe. Es hat sich gelohnt. Weil ich bei einer Lebensrettung dabei sein konnte, und derjenige hat sich auch noch persönlich bei mir bedankt. Was will man mehr? Deshalb geht es mir gut."
*Wir haben die Berufsbezeichnung von Tobias Schlegl korrigiert.