Von der Welt vergessen
Vor vier Jahren explodierte die Bohrinsel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko. Der Ölkonzern BP verkündete nun das Ende der Aufräumarbeiten. Das Gegenteil sei der Fall, klagen Umweltschützer und betroffene Anwohner, die immer noch wütend sind.
Auf der anderen Seite der Insel liegt die Krabbenfischerei von Dean Blanchard, die größte der Gegend. In einem schmucklosen Bürocontainer sitzt der kleine Mann mit den kräftigen Händen und der ledrigen Haut hinter seinem Schreibtisch, raucht, und erinnert sich.
"Es wäre einfach gewesen das alles einzusammeln - es schwimmt doch oben! Wir haben Schöpfnetze, hätten das einfach einsammeln können. Aber es war billiger für sie, das einfach zu besprühen, absinken zu lassen und den Golf von Mexiko zu ruinieren. Und aus irgendeinem Grund - ich nehme an es war Geld - hat die Regierung ihnen das auch noch erlaubt."
"Sie", damit meint er BP - British Petrolium, die Betreibergesellschaft der Plattform Deepwater Horizon, die hier auf Grand Isle immer schon "Well from Hell" hieß, das "Bohrloch zur Hölle". Als die Bilder des 10.000 Quadratkilometer großen Ölteppichs um die Welt gehen, entscheidet sich der Konzern dafür, im großen Stil ein Zersetzungsmittel zu versprühen, Corexit 9500.
Die Chemikalie soll das Öl zersetzen und hinab sinken lassen, damit es nicht an die Küste gelangt. Einzige Auflage: Kein Einsatz in Küstennähe, um die Auswirkungen auf Menschen und Tiere gering zu halten. Dean Blanchard steckt sich die nächste Zigarette an und redet sich in Rage.
"Es gibt einen Regierungsbericht der besagt, dass BP niemals in einem Radius von sechs Meilen um diese Insel herum gesprüht hat. Aber sogar unser Priester hier schwört, dass er beim Abendessen auf der Terrasse voll erwischt wurde. Wem willst du eher glauben: einem Priester oder BP?"
BP streitet ab
In Raceland, direkt am Louisiana Highway One liegt die HNO-Praxis von Dr. Michael Robichaux. Ein zweckmäßiger Flachbau, mit etwas angegilbter Inneneinrichtung. Als die Aufräumarbeiten an der Golfküste beginnen steigen die Patientenzahlen, mit den immer gleichen Beschwerden: Schwächeanfälle, Schwindel, Übelkeit, plötzliche Blutungen. Erinnerungslücken, und vor allem: Kopfschmerzen. Ob die Symptome auf den Kontakt mit Öl oder den Reinigungs- und Zersetzungs-Chemikalien zurückzuführen sind? BP streitet das von Anfang an ab.
"In deren Stellungnahme stehen Sachen wie 'entsprechende Behauptungen sind widerlegt worden, derartige Krankheiten existieren nicht. Das ist Bullshit! Sie existieren nicht, weil die Studien für die sie selbst bezahlt haben sagen, dass sie nicht existieren'. Aber deswegen existieren sie trotzdem. Ich habe hier so etwas vorher nie gehabt und dann plötzlich einen Patienten nach dem anderen.
Die von BP tun was sie können um zu behaupten, sie würden alles wiedergutmachen im Golf. Unterm Strich geben sie zwar Millionen für PR aus und für Anwälte, aber nur um ihre Haftung und die Verluste zu reduzieren, nicht für den Golf und die Folgen des Unglücks. Erst neulich hat ihre Presseabteilung wieder einen Artikel veröffentlicht in dem sie behaupten alles sei wieder in Ordnung am Golf. Das ist einfach nicht wahr."
Unabhängige Gutachten gibt es kaum
Raleigh Hoke ist Sprecher des Gulf Restoration Networks. Das Altbaubüro in New Orleans ist voll mit jungen Menschen und sieht eher aus wie ein Start-Up-Unternehmen als eine Umweltorganisation. Die Gruppe lässt regelmäßig Drohnen fliegen über den Wetlands von Louisiana, um den Zustand der Küstenlandschaft zu dokumentieren. Denn wirklich unabhängige Gutachten zu diesem Thema gibt es kaum.
"Das Frustrierende ist die Tatsache dass viele der Experten eingebunden sind in ein gigantisches Projekt namens Rohstoff-Schadens-Begutachtungs-Prozess. Das ist ein wissenschaftlich-juristischer Prozess, der klären soll, welchen Schaden das Öl angerichtet hat und was es braucht, um ihn zu begleichen. Das Ganze ist aber nicht öffentlich, die teilnehmenden Wissenschaftler dürfen nicht darüber sprechen, und erst recht nicht vor Gericht aussagen. Deshalb kann sich BP hinstellen und sagen 'alles ist wieder gut', obwohl das niemand so genau wissen kann. Und das was wir bisher sehen, sind eher schlechte Anzeichen."