Dekolonisiert euch! Wie können wir unser Denken befreien?
Darüber diskutiert Katrin Heise heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit dem Menschenrechtsaktivisten Joshua Kwesi Aikins und der Journalistin Tabea Grzeszyk. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de" target="_blank" href="https://www.deutschlandfunkkultur.de/im-gespraech.969.de.html">gespraech@deutschlandfunkkultur.de. "Eine Welt 2.0 – Dekolonisiert euch!" – dieser Themenschwerpunkt zieht sich in diesem Jahr durch die die Programme des Deutschlandradios.
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Wie wir unser Denken befreien können
79:21 Minuten
Kolonialismus: Was geht uns der heute noch an? Sehr viel mehr, als viele von uns wahrhaben wollen. Er begegnet uns in Straßennamen, bei Stellenbesetzungen, im täglichen Miteinander. Er bestimmt unser Weltbild, unsere Politik. Wie können wir uns dekolonisieren?
"Die deutsche Gesellschaft ist vom Kolonialismus geprägt, unsere Gesellschaft ist ohne gar nicht denkbar", sagt Joshua Kwesi Aikins. Der Politikwissenschaftler unterrichtet am Lehrstuhl für Entwicklungspolitik und postkoloniale Studien der Universität Kassel, dem einzigen seiner Art in Deutschland. "Man kann die Welt nicht verstehen, ohne den Kolonialismus mit einzubeziehen."
Institutionell und strukturell
Der Alltagsrassismus hänge eng mit der kolonialen Geschichte zusammen, so der Menschenrechtsaktivist:
"Deutschland ist ein Land mit einem starken strukturellen und institutionellen Rassismus. Das hat oft nichts mit dem bösen Willen Einzelner zu tun. Im Gegenteil, es gibt Rassismus, der ohne bewusstes rassistisches Handeln entsteht. Ich erlebe das ständig. Oft bin ich als Afrodeutscher der Einzige im Zug, der kontrolliert wird."
Aikins setzt sich in der Initiative "Vielfalt entscheidet – Diversity in Leadership" für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Rassismus in Firmen und Verwaltungen ein – besonders bei der Stellenbesetzung. Seine Mahnung: "Es ist wichtig, die Geschichte von Rassismus und Kolonialismus in Deutschland neu zu erzählen."
Rassismus als Wahrnehmungsfilter
"Wie kann man den Weg ebnen für eine gesellschaftliche Auseinandersetzung?", fragt Tabea Grzeszyk. Die Journalistin ist Geschäftsführerin von Hostwriter, einem Netzwerk, das Journalistinnen und Journalisten dabei hilft, über Ländergrenzen hinweg zusammenzuarbeiten.
Sie engagiert sich auch in dem Projekt "Unbias the News", das gegen die Dominanz westlicher Perspektiven in der internationalen Berichterstattung kämpft. "Die Kolonien sind zwar zurückgegeben, aber der Rassismus ist immer noch da. Er ist ein Wahrnehmungsfilter: Er markiert die anderen. Wir - die weiße Mehrheitsgesellschaft - definieren uns durch die Abwertung der anderen."
"Eine wichtige Lektion ist, zuzuhören"
Diese Abwertung betreffe nicht nur Afrodeutsche, sondern auch Menschen nichtdeutscher Herkunft, anderer Religionen, Frauen mit Kopftuch. "Solange Putzfrauen mit Kopftuch herumlaufen, hat sich niemand daran gestört. Aber bei Lehrerinnen regen sich alle auf. Das hat etwas mit Deutungsmacht zu tun", sagt Tabea Grzeszyk:
"Eine wichtige Lektion ist, zuzuhören. Wir müssen aushalten, dass jemand die Situation anders empfindet. Und bereit sein, zu teilen. Eine gerechtere Gesellschaft bedeute auch, dass weniger Weiße an Schaltstellen sitzen."
(sus)