"Dem Geschäft mit dem Tod muss Einhalt geboten werden“
Thüringens Justizministerin Marion Walsmann (CDU) hat die Initiative mehrerer unionsgeführter Bundesländer zum Verbot gewerblicher Sterbehilfe als notwendig verteidigt. Das bisherige Strafrecht reiche nicht aus, sagte Walsmann. Wenn man nicht handele, überlasse man das Feld denjenigen, die Geschäfte mit dem Tod machen wollten.
Hanns Ostermann: Wie gehen wir in Deutschland mit organisierter Sterbehilfe um. Hilft das Strafrecht wirklich bei diesem überaus sensiblen und auch schwierigen Thema? Die Meinungen gehen weit auseinander, wenn sich heute der Bundesrat mit dem Problem beschäftigt. Für die Steilvorlage hatte der frühere Hamburger Justizsenator Kusch gesorgte, er habe einer 79-Jährigen beim Suizid geholfen. Fünf Bundesländer wollen jetzt die gewerbliche und organisierte Beihilfe mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestrafen. Thüringen gehört dazu und dort ist Marion Walsmann von der CDU, Justizministerin. Guten Morgen, Frau Walsmann!
Marion Walsmann: Ja, einen schönen guten Morgen!
Ostermann: Warum reicht das bisherige Strafrecht nicht aus?
Walsmann: Das bisherige Strafrecht reicht deshalb nicht aus, weil es zwar die aktive Sterbehilfe unter Strafe stellt, bisher wurde ja die Tötung auf Verlangen in Paragraf 216 mit Freiheitsstrafe sanktioniert. Aber, was bisher außen vor blieb, war die Rolle von Organisationen oder Einzeltätern, die professionelle Angebote zur Selbsttötung vermittelten. Und das war eine Gesetzeslücke, wie leider auch der traurige Fall dieser Würzbürger Rentnerin sagt und zeigt.
Ostermann: Mit dem Suizid und dem Leid anderer Menschen dürfen keine Geschäfte gemacht werden, so heißt es in der Begründung. Aber werden damit künftig Fälle wie die des früheren Hamburger Senators wirklich erfasst?
Walsmann: Sie werden dann erfasst, wenn es sich auf eine Gewinnerzielung ausrichtet, dieses Geschäft. Wir wollen ja, dass diese zynische Geschäft mit dem Tod, sozusagen den "Tod aus den Gelben Seiten" unter Strafe stellen, dass sich Menschen in Organisationen und Vereinen zusammenfinden, die hoffnungslose Hilfe bieten für Menschen in verzweifelten Situationen und diese Menschen nicht lebensbejahend beraten, sondern mit einem schnellen Tod eine Lösung offerieren, unabhängig von der individuellen Problematik, und denen es auch nicht darum geht, lebensbejahend zu beraten, sondern die einfach ein Geschäft damit machen wollen. Und das ist unmenschlich, das ist menschenverachtend. Und ich denke, da muss Einhalt geboten werden.
Ostermann: Dieses Gesetz würde bedeuten, Staatsanwälte müssten von Amts wegen jedem Hinweis nachgehen und in die Intimsphäre alter oder todkranker Menschen eindringen. Ist das nicht praxisfern?
Walsmann: Das ist gar nicht praxisfern, weil es sind zwei Richtungen, die verfolgt werden. Einmal die Bildung von Organisationen oder Vereinigungen, die sich mit diesem Ziel zusammenschließen und eben auf Gewinnerzielung aus sind oder aber auch der Einzeltäter, der ganz bewusst sozusagen inseriert und die schnelle Möglichkeit des Todes anbietet. Und das ist weder aktive noch passive Sterbehilfe, was dort in den Blick genommen wird, sondern eben eine Situation, die bisher sich zwar langsam versucht zu etablieren, indem Vereine versuchen, in Deutschland auch Fuß zu fassen, die eben mehr oder weniger auf Geschäftemacherei aus sind, aber die wirklich nicht die Hilfe für Menschen im Blick haben. Das wäre ja auch ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich um Hospizarbeit und Palliativmedizin bemühen, wobei man da auch deutlich sagen muss, dass es hier nicht darum geht, etwas zu verbieten, wenn man hinsichtlich seines eigenen Lebens Verfügung zum Lebensende trifft, wie zum Beispiel Patientenverfügung, oder wenn in Fällen Ärzte auch Medikamente anordnen, wohlwissend, dass sie vielleicht schmerzstillend, aber auch lebensverkürzend sein sollten. Das fällt nicht darunter.
Ostermann: Bleibt es nicht in der Praxis doch ein Problem, die Grenze zwischen erlaubter passiver Sterbehilfe und strafbarer aktiver? Ist diese Grenze wirklich klar?
Walsmann: Diese Grenze ist ganz schwierig zu ziehen. Und das zeigen ja auch die Diskussionen. Aber es zeigt eben auch, wenn nicht gehandelt wird, dann wird das Feld denjenigen überlassen, die aus dem Leid und der Not und der Hoffnungslosigkeit anderer ein Geschäft machen wollen. Und das können wir einfach so nicht zulassen.
Ostermann: Nun war die Frau, der Roger Kusch half, nicht sterbenskrank. Sie hatte Angst, in ein Pflegeheim zu kommen. Müsste nicht viel mehr hier der Hebel angesetzt werden, bei der Betreuung älterer Menschen, bei den Angeboten für sie?
Walsmann: Da stimme ich Ihnen vollkommen zu, denn das ist ja gerade das Verwerfliche daran, dass ja eine vollkommene gesunde und geistig klare Frau vielleicht sogar dazu überredet wurde, diesen Weg zu gehen. Ich weiß das nicht, ich kann es nicht beurteilen, diesen Fall im Konkreten. Aber hier ist wirklich auch die Gesellschaft gefragt, aufzurufen und zu sagen, es gibt viele gute Angebote in Pflegeheimen und es gibt wie gesagt auch viele Menschen, die sich bemühen, andere Menschen nicht in die Einsamkeit gehen zu lassen. Aber das ist eine gesellschaftliche Aufgabe, und der muss man sich genauso stellen, genauso wie der Förderung von Hospizarbeit und Palliativmedizin.
Ostermann: Ich habe nur den Eindruck, dass Justizminister oder andere sehr schnell mit Gesetzen bei der Hand sind, aber das latente Problem, das wir seit Jahren kennen, wie geht es beispielsweise in Pflege- oder Altenheimen zu, diesem Problem stellt man sich nicht in dem erforderlichen Maße.
Walsmann: Die Sozialminister stellen sich diesem Problem schon sehr intensiv. Aber als Justizminister kann ich nur sagen, dass wir uns auch nicht schnell dieser Situation gestellt haben, sondern dieses Gesetzesinitiative zum Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung geht ja schon auf das Jahr 2006 zurück. Und es hat da eine ganz intensive Überlegung gegeben, was man tun kann, um Menschen auch zu schützen, in solche Situation zu kommen, sich in die Hände von Menschen zu begeben, die einfach die Sterbehilfe nur aus Profitstreben anbieten.
Ostermann: Rechnen Sie heute bei der Sitzung des Bundesrates mit der erforderlichen Mehrheit?
Walsmann: Ich hoffe, dass wir die Mehrheit dafür erringen und dass es dann auch eine Diskussion anschließend im Bundestag dazu geben wird, die das Problem auch noch mal klar umreißt und auch die Gesellschaft zu einem Bekenntnis zu einer Stellungnahme bringt.
Ostermann: Marion Walsmann von der CDU, die Justizministerin in Thüringen. Danke für das Gespräch heute früh bei uns in Deutschlandradio Kultur.
Walsmann: Bitte schön! Auf Wiederhören!
Ostermann: Auf Wiederhören!
Das Gespräch mit Marion Walsmann können Sie bis zum 4. Dezember 2008 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Marion Walsmann: Ja, einen schönen guten Morgen!
Ostermann: Warum reicht das bisherige Strafrecht nicht aus?
Walsmann: Das bisherige Strafrecht reicht deshalb nicht aus, weil es zwar die aktive Sterbehilfe unter Strafe stellt, bisher wurde ja die Tötung auf Verlangen in Paragraf 216 mit Freiheitsstrafe sanktioniert. Aber, was bisher außen vor blieb, war die Rolle von Organisationen oder Einzeltätern, die professionelle Angebote zur Selbsttötung vermittelten. Und das war eine Gesetzeslücke, wie leider auch der traurige Fall dieser Würzbürger Rentnerin sagt und zeigt.
Ostermann: Mit dem Suizid und dem Leid anderer Menschen dürfen keine Geschäfte gemacht werden, so heißt es in der Begründung. Aber werden damit künftig Fälle wie die des früheren Hamburger Senators wirklich erfasst?
Walsmann: Sie werden dann erfasst, wenn es sich auf eine Gewinnerzielung ausrichtet, dieses Geschäft. Wir wollen ja, dass diese zynische Geschäft mit dem Tod, sozusagen den "Tod aus den Gelben Seiten" unter Strafe stellen, dass sich Menschen in Organisationen und Vereinen zusammenfinden, die hoffnungslose Hilfe bieten für Menschen in verzweifelten Situationen und diese Menschen nicht lebensbejahend beraten, sondern mit einem schnellen Tod eine Lösung offerieren, unabhängig von der individuellen Problematik, und denen es auch nicht darum geht, lebensbejahend zu beraten, sondern die einfach ein Geschäft damit machen wollen. Und das ist unmenschlich, das ist menschenverachtend. Und ich denke, da muss Einhalt geboten werden.
Ostermann: Dieses Gesetz würde bedeuten, Staatsanwälte müssten von Amts wegen jedem Hinweis nachgehen und in die Intimsphäre alter oder todkranker Menschen eindringen. Ist das nicht praxisfern?
Walsmann: Das ist gar nicht praxisfern, weil es sind zwei Richtungen, die verfolgt werden. Einmal die Bildung von Organisationen oder Vereinigungen, die sich mit diesem Ziel zusammenschließen und eben auf Gewinnerzielung aus sind oder aber auch der Einzeltäter, der ganz bewusst sozusagen inseriert und die schnelle Möglichkeit des Todes anbietet. Und das ist weder aktive noch passive Sterbehilfe, was dort in den Blick genommen wird, sondern eben eine Situation, die bisher sich zwar langsam versucht zu etablieren, indem Vereine versuchen, in Deutschland auch Fuß zu fassen, die eben mehr oder weniger auf Geschäftemacherei aus sind, aber die wirklich nicht die Hilfe für Menschen im Blick haben. Das wäre ja auch ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich um Hospizarbeit und Palliativmedizin bemühen, wobei man da auch deutlich sagen muss, dass es hier nicht darum geht, etwas zu verbieten, wenn man hinsichtlich seines eigenen Lebens Verfügung zum Lebensende trifft, wie zum Beispiel Patientenverfügung, oder wenn in Fällen Ärzte auch Medikamente anordnen, wohlwissend, dass sie vielleicht schmerzstillend, aber auch lebensverkürzend sein sollten. Das fällt nicht darunter.
Ostermann: Bleibt es nicht in der Praxis doch ein Problem, die Grenze zwischen erlaubter passiver Sterbehilfe und strafbarer aktiver? Ist diese Grenze wirklich klar?
Walsmann: Diese Grenze ist ganz schwierig zu ziehen. Und das zeigen ja auch die Diskussionen. Aber es zeigt eben auch, wenn nicht gehandelt wird, dann wird das Feld denjenigen überlassen, die aus dem Leid und der Not und der Hoffnungslosigkeit anderer ein Geschäft machen wollen. Und das können wir einfach so nicht zulassen.
Ostermann: Nun war die Frau, der Roger Kusch half, nicht sterbenskrank. Sie hatte Angst, in ein Pflegeheim zu kommen. Müsste nicht viel mehr hier der Hebel angesetzt werden, bei der Betreuung älterer Menschen, bei den Angeboten für sie?
Walsmann: Da stimme ich Ihnen vollkommen zu, denn das ist ja gerade das Verwerfliche daran, dass ja eine vollkommene gesunde und geistig klare Frau vielleicht sogar dazu überredet wurde, diesen Weg zu gehen. Ich weiß das nicht, ich kann es nicht beurteilen, diesen Fall im Konkreten. Aber hier ist wirklich auch die Gesellschaft gefragt, aufzurufen und zu sagen, es gibt viele gute Angebote in Pflegeheimen und es gibt wie gesagt auch viele Menschen, die sich bemühen, andere Menschen nicht in die Einsamkeit gehen zu lassen. Aber das ist eine gesellschaftliche Aufgabe, und der muss man sich genauso stellen, genauso wie der Förderung von Hospizarbeit und Palliativmedizin.
Ostermann: Ich habe nur den Eindruck, dass Justizminister oder andere sehr schnell mit Gesetzen bei der Hand sind, aber das latente Problem, das wir seit Jahren kennen, wie geht es beispielsweise in Pflege- oder Altenheimen zu, diesem Problem stellt man sich nicht in dem erforderlichen Maße.
Walsmann: Die Sozialminister stellen sich diesem Problem schon sehr intensiv. Aber als Justizminister kann ich nur sagen, dass wir uns auch nicht schnell dieser Situation gestellt haben, sondern dieses Gesetzesinitiative zum Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung geht ja schon auf das Jahr 2006 zurück. Und es hat da eine ganz intensive Überlegung gegeben, was man tun kann, um Menschen auch zu schützen, in solche Situation zu kommen, sich in die Hände von Menschen zu begeben, die einfach die Sterbehilfe nur aus Profitstreben anbieten.
Ostermann: Rechnen Sie heute bei der Sitzung des Bundesrates mit der erforderlichen Mehrheit?
Walsmann: Ich hoffe, dass wir die Mehrheit dafür erringen und dass es dann auch eine Diskussion anschließend im Bundestag dazu geben wird, die das Problem auch noch mal klar umreißt und auch die Gesellschaft zu einem Bekenntnis zu einer Stellungnahme bringt.
Ostermann: Marion Walsmann von der CDU, die Justizministerin in Thüringen. Danke für das Gespräch heute früh bei uns in Deutschlandradio Kultur.
Walsmann: Bitte schön! Auf Wiederhören!
Ostermann: Auf Wiederhören!
Das Gespräch mit Marion Walsmann können Sie bis zum 4. Dezember 2008 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio