Daphne Büllesbach ist Executive Director von European Alternatives, einer europaweit aktiven zivilgesellschaftlichen Organisation, die sich für die Umsetzung von Gleichberechtigung, Demokratie und Kultur jenseits von Nationalstaaten einsetzt. Sie ist Ko-Kuratorin des Politik-, Kunst- und Kulturfestivals Transeuropa (Palermo 2019, Madrid 2017, Belgrad 2015) und veröffentlichte gemeinsam mit Kollegen den Band: "Shifting Baselines of Europe" im transcript Verlag. Sie studierte Sozial und Politikwissenschaften in London, Paris und Cambridge.
Antifaschismus gehört nicht in die linke Ecke
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Ende Mai ist Europawahl: Danach müsse sich zeigen, ob die Parteien der Mitte ein Konzept gegen Nationalisten und Rechtsextreme im EU-Parlament haben, meint die Politologin Daphne Büllesbach – oder der Faszination des Autoritären nachgeben.
Wenn wir die europäische Demokratie am Leben erhalten wollen, dürfen wir uns nicht weiter die Frage stellen, wie mit Rechten zu reden sei. Stattdessen gilt es kurz vor der Europawahl diese müßige Perspektive umzukehren - und die Mitte der Gesellschaft kritisch in den Blick zu nehmen: Welche Rolle spielen die sogenannten liberalen Eliten und Verteidiger der liberalen Demokratie beim Aufstieg rechter, nationalistischer Kräfte? Und: Was hat Deutschlands Politik mit dem Aufstieg nationalistischer Kräfte in ganz Europa zu tun?
Es wurde viel geschrieben über Steve Bannon, der seine Netzwerke und sein Geld in Europa verbreitet und hinter den Kulissen rechte Kräfte bündelt. Es wurde auch viel geschrieben über die Internationalisierung der Nationalisten, die sich längst über nationale Grenzen hinweg sehr erfolgreich strategisch zusammentun und versuchen, dieses Europa autoritär umzukrempeln. Der Bundespräsident warnte bei seiner Amtsantrittsreise nach Paris 2017 vor der "Faszination des Autoritären".
Der Extremismus der Mitte
Was in dieser Debatte aber fast immer fehlt, ist der Blick auf die Faszination der etablierten politischen und gesellschaftlichen Kräfte für das Autoritäre und die Koalitionsbereitschaft mit Rechtsaußen. In Deutschland, wie in vielen weiteren Ländern, öffnen konservative bis liberale Kräfte Rechtsaußen das Tor zur Mitte der Gesellschaft.
In Spanien, wo im April Neuwahlen anstehen, streben Konservative und Liberale eine Koalition mit der neu gegründeten rechtsradikalen Partei Vox an. In Österreich ist so eine Koalition an der Regierung. Wer nur auf die Ränder schaut, verkennt die Gefahr des Extremismus der Mitte. Hier findet eine Normalisierung rechten Gedankenguts statt.
Was nicht übersehen werden darf: die etablierten, sich als pro-europäisch darstellenden Parteien der Mitte entwerfen keine echten Zukunftsvisionen gegen das Konzept der Nationalisten. Während die Nationalisten ein Europa ohne gemeinsame soziale Standards, ohne Umwelt-oder Klimaauflagen, ein wirtschaftsfreundliches Europa fordern, erhalten pro-europäische Parteien einen Status quo aufrecht, der offensichtlich nicht funktioniert, weil er politische, soziale und wirtschaftliche Krisen produziert.
Das Europa der Menschenrechte
Wenn wir aktiv sein wollen und es als Chance begreifen, dass wir in diesen Tagen bis zur Wahl noch etwas tun können, dann lohnt sich ein Blick dorthin, wo ein anderes Europa bereits im Entstehen ist. Es gibt sie, die anderen, die vielen, die sich stark machen, für das, was gerade in Europa auf dem Spiel steht, wenn die Faszination des Autoritären die Mitte der Gesellschaft ergreift: die Frauenstreiks, die Klimastreiks, Bündnisse, Aktionen wie "Unteilbar", "wellcomeunited", "Seebrücke" oder die Solidarity Cities. Sie alle leben das Europa der Menschenrechte: ein Europa, das auf Gleichheit, Frieden und Brüderlichkeit aufbaut.
Nach den Europawahlen wird sich nicht nur zeigen, wie stark rechtsextreme Parteien im Europaparlament vertreten sind. Mindestens ebenso wichtig: es wird sich in den Parlamentsabstimmungen der nächsten Jahre zeigen, welche Anträge aus der AfD, der Fidesz Partei, der Front National, der italienischen Lega und so weiter, von Mitgliedern der im Europaparlament ewig herrschenden Großen Koalition mitgetragen werden.
Den Antifaschismus wieder bürgerlich machen
Werden wir das hinnehmen oder werden wir das Zermalmen der Demokratie durch die selbstbewusste neue-alte Rechte nicht einfach als demokratisch legitimiertes Geschehen akzeptieren? Ich hab das im Geschichtsunterricht gelernt, der Faschismus wurde 1933 an die Macht gewählt.
Der Wertekonsens, der nach dem Zweiten Weltkrieg von Schuman und Monnet als Grundstein europäischer Integration gelegt wurde, zerbricht. Wo sind sie heute die Konservativen, die den Antifaschismus zur Basis ihres demokratischen Handelns machen? Machen wir den Antifaschismus wieder bürgerlich, er gehört nicht in die linke Ecke.