Demokratieforscher zur Zukunft der CDU

Ohne "Idealrepräsentanten" keine Wahlsiege

29:46 Minuten
Das Logo der CDU am Konrad-Adenauer-Haus, der Bundeszentrale der Partei.
Wie geht es nach den Wahlverlusten weiter mit der Partei von Adenauer, Kohl und Merkel? © picture alliance / dpa / Michael Kappeler
Bernhard Weßels im Gespräch mit Hans Dieter Heimendahl |
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Um erfolgreich zu sein, muss die CDU kein konservatives Profil entwickeln, sondern überzeugende Kandidaten aufstellen, die in der politischen Mitte punkten, meint der Politologe Bernhard Weßels. Auch für den Kampf um AfD-Wähler hat er einen Rat.
Den wesentlichen Grund für das schlechte Abschneiden der CDU bei der Bundestagswahl sieht der Politikwissenschaftler Bernhard Weßels in der Uneinigkeit der Spitzenkräfte der Partei. Das ist auch bedeutsam für die Frage, wie es weitergeht mit der CDU nach der Ära Merkel, die in weiten Kreisen diskutiert wird.
Wählerinnen und Wähler erwarteten von Parteien erstens Geschlossenheit, sagt der Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin – und zweitens eine überzeugende Person an der Spitze. Wenn diese herausgehobene Person von anderen Exponenten der Partei kritisiert oder gar infrage gestellt werde, zögerten die Menschen an den Wahlurnen.
Weßels spricht davon, dass die CDU einem "Idealrepräsentanten" brauche, der die Partei verkörpere und in dieser Rolle von allen akzeptiert und dadurch bestätigt werde.

Der schrittweise Rückzug von Angela Merkel

Angela Merkel hat mit ihrem Rückzug vom Parteivorsitz einen Übergang ermöglichen wollen, meint Weßels. Letztlich hätten aber vor allem die Männer in der Spitze der CDU dies nicht zugelassen, sondern sich einen Kampf um die Führung geliefert, der die Partei als ganze geschwächt hat.

Ein Rücktritt als Kanzlerin und eine Übergabe des Amtes an eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger hätte dieser oder diesem ermöglicht, mit einem Amtsbonus in den Wahlkampf zu ziehen. Bernhard Weßels glaubt aber nicht, dass dann keine Auseinandersetzung in der CDU um die Führung aufgebrochen wäre.

Konservatismus als amorphe Konstruktion

Erfolg könne die CDU auf Dauer nur haben, wenn sie Wählerinnen und Wähler in der politischen Mitte zu überzeugen vermag, meint der Politikwissenschaftler: Dort hätten Helmut Kohl oder Angela Merkel ihre Mehrheiten erobert.
Zwar könnte ein Vertreter des konservativen Flügels der CDU, beispielsweise Friedrich Merz, unter Umständen parteiintern eine Mehrheit überzeugen und binden, gerade unter den jungen Parteimitgliedern genieße dieser hohes Ansehen. Aber der Konservativismus sei in Deutschland eine amorphe Konstruktion geworden, der nur bei kulturellen Fragen noch eine Rolle spiele. Bernhard Weßels nennt die Familienpolitik, wenn man beispielsweise gegen das "Gender-Mainstreaming" ein "Familien-Mainstreaming" setzen oder auf eine moderne Weise eine Leitkultur vertreten würde.
Die wirtschaftspolitischen Überzeugungen Konservativer seien in Deutschland dagegen weitgehend ökonomische Realität und würden auch bis weit in die SPD nicht infrage gestellt.

Die AfD ist keine konservative Partei

Auf konservative Inhalte zu setzen ist in der CDU in den vergangenen Jahren als Rezept gegen die AfD beschworen worden, um an diese Partei verlorene Wähler zurückzugewinnen. Bernhard Weßels glaubt allerdings nicht, dass dies gelingen kann. Denn die AfD sei keine konservative Partei, sondern eine rechtsextreme Partei – auch wenn es Konservative unter den Mitgliedern gebe.
Die Wählerinnen und Wähler der AfD würden diese nicht wegen konservativer Überzeugungen oder Politikerwartungen wählen, sondern aus anderen Motiven: Diese reichten von Protest bis hin zu einer grundsätzlichen Unzufriedenheit, sei es mit der Globalisierung oder dem System der parlamentarischen Demokratie.
An der Entscheidung der Wähler mit diesen Motiven würde eine konservative Ausstrahlung der CDU nichts ändern, glaubt Bernhard Weßels. Diese Bevölkerungsgruppen seien nur durch politische Maßnahmen zu überzeugen, die sich in deren Lebenswirklichkeit positiv auswirkten.
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