Demonstration gegen Corona-Maßnahmen

ZDF-Journalistin Dunja Hayali muss Dreh abbrechen

10:55 Minuten
Dicht gedrängt und ohne die Abstandsregeln zu beachten, stehen Tausende bei einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen in Berlin.
So eine Krise wie die Corona-Pandemie sei ein ideales Gelegenheitsfenster für Extremisten, sagt der Politikberater Johannes Hillje. © Christoph Soeder/dpa
Johannes Hillje im Gespräch mit Britta Bürger |
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Bei der Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung wurde die ZDF-Journalistin Dunja Hayali bedroht. Sie musste den Dreh abbrechen. Die unterschiedlichen Teilnehmer verbinde ein Antimedienpopulismus, sagt der Politikberater Hillje.
Die ZDF-Journalistin Dunja Hayali schaut immer sehr genau hin - und zwar ganz aus der Nähe. Am Samstag war sie bei der Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen, zu der rund 20.000 Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet nach Berlin gereist waren. Begleitet von "Lügenpresse"-Chören bewegte sich die Journalistin langsam durch die Menge und versuchte, zu verstehen, wer dort gegen was demonstriert.
Dabei wurde sie beschimpft und von Menschen ohne Maske bedrängt – bis ihr eigenes Security-Team ihr dazu riet, den Dreh abzubrechen. Es sei schlicht zu gefährlich. Nun hat sie das aufgenommene Material ins Netz gestellt – privat bei Instagram. Ebenso die rüden Kommentare dazu.
Unter den Demonstrierenden waren Corona-Leugner, Verschwörungsideologen, Impfgegner, Friedensbewegte, rechte Esoteriker und Rechtsextremisten. Diese heterogene Gruppe eine ein aggressiver Antimedienpopulismus, genauer gesagt: eine Antijournalismuseinstellung, sagt Johannes Hillje. Er ist Politik- und Kommunikationsberater. Zuletzt ist von ihm das Buch "Propaganda 4.0. Wie rechte Populisten Politik machen" erschienen.
Ein weiterer gemeinsamer Nenner sei die Anti-Establishmenteinstellung der Demonstrierenden, sagt Hillje. Damit seien Eliten in den Medien, der Politik, der Wirtschaft und der Wissenschaft gemeint. Die Rechtsextremisten nutzen nach Hilljes Ansicht nun die Gelegenheit, um die Demonstration zu kapern.

"Gelegenheitsfenster für Extremisten"

"Und das waren zu einem wirklich beträchtlichen Teil eben auch organisierte Rechtsextremisten, nicht nur von den einschlägigen Parteien wie der NPD, sondern auch von eben rechtsextremistischen Medien wie dem 'Compact'-Magazin, das mittlerweile auch vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Und wir sehen eben, dass so eine Krise wie die Corona-Pandemie ein Gelegenheitsfenster ist für Extremisten."
Diese nutzten die politische, wirtschaftliche und gesundheitliche Verunsicherung der Menschen angesichts des neuen Virus – "um ihre Thesen, die sie auch schon vorher vertreten haben, auf diese Corona-Thematik drauf zu setzen". Insofern seien die Teilnehmenden dafür verantwortlich, sich genau anzusehen, mit wem sie da zusammen demonstrierten.

Das politische Gegenüber delegitimieren

Die bedrohliche Stimmung auf der Demonstration bilde im Grunde "genau das ab, was viele Extremisten wollen", sagt Hillje, "nämlich eine extreme und aggressive Polarisierung in der Gesellschaft; dass man gar nicht mehr auf das Argument des Gegenübers eingeht, sondern sein Gegenüber eigentlich nur noch delegitimiert und beschimpft".
Dem strategischen Hochkochen solcher Stimmungen "müssen alle anderen gesellschaftlichen Kräfte entgegenwirken. Wir können uns so eine aggressive Stimmung in einer Demokratie nicht wünschen. Die führt nicht zu einem demokratischen und friedlichen Miteinander. Also da ist tatsächlich vieles zu tun in der Gesellschaft", sagt Hillje.

Ausdrücke wie "Covidioten" sind kontraproduktiv

Auch solche Beschimpfungen wie "Covidioten" - von der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken getwittert - seien kontraproduktiv und vor allem "Ausdruck einer großen Hilflosigkeit der Politik". Solche verbalen Angriffe stärkten nur den Zusammenhalt einer Gruppe, die sich ohnehin ausgeschlossen fühle, so Hillje.
(ckr)
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