Der Fall Attac: Im Februar 2019 sorgte ein Urteil des Bundesfinanzhofes für ziemlich viel Aufregung. Die Richter erkannten dem Trägerverein der globalisierungskritischen Vereinigung Attac kurzerhand den Status der Gemeinnützigkeit ab. Und das bedeutet: Sponsoren, die Attac unterstützen, können ihre Spenden nicht mehr von der Steuer absetzen. Begründet wurde dies seinerzeit mit einer zu einseitigen und offenkundigen politischen Ausrichtung des Trägervereins. Nun strahlt das Urteil auch auf andere Organisationen aus.
Attac-Urteil zeigt auch in Ludwigsburg Wirkung
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Das "DemoZ" ist ein alternatives Kultur- und Begegnungszentrum in Ludwigsburg mit 40 Jahren Geschichte. Jüngst hat das Finanzamt ihm den Status der Gemeinnützigkeit entzogen – politische Bildung werde da nicht "in geistiger Offenheit" betrieben.
"Wir sind im Demokratischen Zentrum Ludwigsburg. Wir sind ein soziokulturelles Zentrum. Uns gibt’s seit vierzig Jahren. Wir machen Kulturveranstaltungen. Jetzt sind wir in der Kneipe." Yvonne Kratz, Mitte zwanzig, ist im Vorstand des DemoZ, wie viele das Demokratische Zentrum im baden-württembergischen Ludwigsburg nennen.
Sie schlendert an bunt bemalten Barhockern und Tischen vorbei, zeigt auf Zeitungsartikel über zurückliegende Kulturveranstaltungen, die an die Wand genagelt sind. "Wir machen hier alles ehrenamtlich. Umso mehr sind wir darauf angewiesen, dass wir unterstützt werden in dem, was wir tun."
Zwei Kritikpunkte des Finanzamtes
Das ist seit gut sechs Wochen schwieriger geworden als die vierzig Jahre zuvor, berichtet Kratz: Denn: "Das Finanzamt Ludwigsburg hat uns im Rahmen einer Regelüberprüfung die Gemeinnützigkeit entzogen."
Yvonne Kratz holt den Bescheid hervor, der vor gut sechs Wochen im Briefkasten lag. Das Finanzamt habe dort gleich zwei Einwände hineingeschrieben. Zum einen kritisiere die Behörde eine auf der Homepage des Vereins und in Werbebroschüren veröffentlichte so genannte Ausschlussklausel: "Die quasi rechtsextreme Personen oder Personen, die schon mal durch Straftaten oder durch diskriminierendes Verhalten aufgefallen sind, dass wir die hier von Veranstaltungen ausschließen können."
Zum anderen stelle das Finanzamt den Förderzweck der Volksbildung beim Demokratischen Zentrum in Abrede: "Der Vorwurf ist da, dass wir das nicht in geistiger Offenheit umsetzen würden. Also wir würden laut Finanzamt im Sinne unserer Ideen beeinflussen, was so einfach nicht der Fall ist."
Konzerte, Lesungen, ein Kuba-Abend
In der Tat weist das Programm des DemoZ eine Fülle von Veranstaltungen auf, die mit Politik erst einmal überhaupt nichts zu tun haben. Da gibt es den Trommelworkshop, die Frauendisco und viele Konzerte. Aber im Programm finden sich auch ein Solidaritätsabend mit Kuba und eine Lesung über Defizite bei der Einhaltung von Menschenrechten in Deutschland.
Für das Finanzamt Ludwigsburg war all dies offenbar Grund genug, dem Demokratischen Zentrum die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Auf Anfrage wollte ein Sprecher der Behörde jedoch nicht zu dem Vorgang Stellung beziehen – mit Verweis auf das Steuergeheimnis.
Gleichwohl, das DemoZ als linksalternativ einzustufen, wäre sicher nicht ganz falsch und stößt auch bei Vorstandsmitglied Yvonne Kratz auf gar keinen Widerspruch. Haltung an sich sei ja etwas Positives: "Unser Interesse ist, gegen Diskriminierung vorzugehen und für Menschenrechte einzustehen. Und wir verstehen nicht, warum die Haltung nicht gemeinnützig sein soll."
Auslegung des Attac-Urteil vom BFH
Georg Jochum versteht das dagegen schon. Der Professor für Steuerrecht an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen hat das Attac-Urteil des Bundesfinanzhofes genau studiert. Für ihn ist das Vorgehen des Finanzamtes Ludwigsburg gegenüber dem Demokratischen Zentrum nur eine logische Folge daraus: "Das würde ich schon sagen, dass man das unter dieses Urteil subsumieren kann."
Denn analog zum Attac-Urteil sei die Bedingung für die Gemeinnützigkeit eines Vereins mit Bildungsangeboten nun mal daran gekoppelt, "dass die Bildung einen allgemeinbildenden Charakter hat, und das eine hinreichende Offenheit nach allen Seiten des politischen Spektrums besteht."
Kann ein Kultur- und Begegnungszentrum mit linksalternativem Einschlag dieser Forderung überhaupt genügen? Juristen wie Georg Jochum glauben das nicht, er gibt aber zu: Die Abgrenzung, was "hinreichende politische Offenheit" bedeutet, sei nicht in jedem Fall so einfach machbar.
Daher fordert Jochum: "Der Gesetzgeber muss im Grunde genommen ein bisschen besser definieren, was er eigentlich mit dieser Förderung des demokratischen Staatswesens und politischer Bildung meint. Das hat man jetzt den Gerichten überlassen. Und die Gerichte sind jetzt natürlich in diesem Zusammenhang ein klein wenig aufgeschmissen."
Ohne Fördergeld ist die Existenz in Gefahr
Auch beim Demokratischen Zentrum hoffen die Vorstandsmitglieder auf eine Nachbesserung durch den Gesetzgeber – zu ihren Gunsten. Denn an den Status der Gemeinnützigkeit sind auch die Fördermittel des Landes gebunden, die in den vergangenen Jahren stets anstandslos gewährt wurden: "Finanziell würde es, wenn die Fördermittel wegfallen, uns auf lang Frist an die Existenz gehen", sagt Yvonne Kratz.