Den Bürgern "sinnvoll erklären", wofür Mautgelder verwendet werden

Reinhard Meyer im Gespräch mit Gabi Wuttke · 10.04.2013
Vor der Verkehrsministerkonferenz hat sich Reinhard Meyer bereits festgelegt: Es mache keinen Sinn, immer über neue Mautmodelle nachzudenken, wenn das eingenommene Geld nicht zweckgebunden Straßen, Schienen oder Wasserstraßen zugute komme, sagte der SPD-Politiker.
Gabi Wuttke: Straßen sind das Spiegelbild eines Landes - wagen wir diesen Vergleich, dann sind mehr Alt- als Neu-Bundesländer keine blühenden Landschaften. Für den Zustand von Bundesautobahnen und Bundesstraßen ist Berlin verantwortlich, nicht aber für den Zustand der Wege über Land und durch die Städte.

Bevor Reinhard Meyer, der Wirtschafts- und Verkehrsminister von Schleswig-Holstein, heute als Vorsitzender die Verkehrsministerkonferenz in Flensburg eröffnet, ist er am Telefon. Einen schönen guten Morgen!

Reinhard Meyer: Schönen guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Wie tief sind denn derzeit bei Ihnen die Schlaglöcher in den Straßen?

Meyer: Also, wir haben nicht nur nach dem Winter erhebliche Schäden zu beklagen, sondern wir haben einen generellen Zustand, der dazu führt, dass ungefähr 30 Prozent der Straßen in Schleswig-Holstein in einem Zustand sind, wo eigentlich dringend was getan werden müsste.

Wuttke: Gehen Sie mit bei dem Vergleich: Der Zustand der Straßen spiegelt wider, wie gut oder schlecht es einem Land geht?

Meyer: Das finde ich nicht den richtigen Vergleich, aber es hat ein bisschen damit zu tun, wo die Schwerpunkte in der Politik gelegt werden und wofür man Geld ausgibt.

Wuttke: Das heißt, Sie verstehen schon, dass man im Ruhrpott sauer ist?

Meyer: Ich verstehe, dass man im Ruhrpott sauer ist, aber man ist auch sauer in Schleswig-Holstein, weil der Zustand der Straßen eben wirklich beklagenswert ist. Und wenn wir nicht aufpassen, dann rutschen wir in eine Situation, die wir so schnell nicht wieder verbessern können.

Wuttke: Das heißt, wo sollten für Sie die Prioritäten liegen?

Meyer: Wir machen uns Gedanken auf der Verkehrsministerkonferenz darüber, wie wir die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in der Zukunft besser gestalten können. Es macht ja keinen Sinn, immer über neue Mautmodelle nachzudenken, wenn das Geld, das eingenommen wird, nicht zweckgebunden dann zum Beispiel den Straßen, der Schiene oder den Wasserstraßen zugute kommt. Und das ist derzeit das Problem, das die Verkehrspolitiker in der Republik haben.

Wuttke: Das heißt, wenn Sie keine zusätzliche Maut wollen - aus welcher Quelle soll dann das Geld für ordentliche Straßen zukünftig kommen?

Meyer: Also es gibt im Prinzip zwei Möglichkeiten. Wir wissen natürlich, dass wir ja politisch im Verteilungskampf sind, und wenn es dann darum geht, Geld aus dem Haushalt zu verteilen, dann wird das eher in die Bereiche Bildung und Soziales gehen, da hat der Verkehr immer das Nachsehen.

Meine Position ist: Wenn wir über Maut, sogenannte Nutzerfinanzierungen, nachdenken, dann brauchen wir Systeme, die dafür sorgen, dass das Geld dann auch eins zu eins wieder dort landet, wo es gebraucht wird, nämlich im Verkehrsbereich. Nur dann haben wir bei den Bürgern die Akzeptanz dafür. Ansonsten kommt schnell das schlimme Wort von der Abzocke, wenn nicht sichtbar wird, dass das, was man an Geld eingenommen hat, auch zur Sanierung der Straßen verwendet wird.

Wuttke: Aber trotzdem wäre es doch eine verdeckte neue Steuer.

Meyer: Nein, …

Wuttke: Wie?

Meyer: … insbesondere dann, wenn sozusagen klar wird, dass man das Geld wirklich dafür nutzt, die Straßen zu verbessern, und das erhöht wirklich die Akzeptanz. Wir müssen allerdings auch über andere Modelle nachdenken. Wir haben ja das Problem, dass wir jedes Jahr in den Haushalten immer wieder den Streit darüber führen: Wie viel soll der Verkehrsbereich bekommen? Ich kann mir auch vorstellen, dass man für große Projekte – wir reden hier im Norden über den Nord-Ostsee-Kanal, der einen Sanierungsstau von 1,3 Milliarden hat über Jahre –, dass man für große Projekte auch Sonderprogramme macht, die auch überjährig sind, also nicht nur, jedes Haushaltsjahr neu zu streiten, was brauchen wir denn, genau definieren, was man in welchem Jahr für welche Maßnahme braucht, und dadurch auch mehr Transparenz erzielt. Und insofern werden wir über all diese Themen auf der Verkehrsministerkonferenz reden.

Wuttke: Das heißt, große Themen, da ist dann wieder der Bund mit gefragt.

Meyer: Da ist wieder der Bund mit gefragt, und insofern: Beim Thema Zustand unserer Straßen sitzen ohnehin der Bund, die Länder und die Kommunen in einem Boot. Wir müssen nämlich gemeinsam dafür sorgen, dass der Zustand der Straßen verbessert wird, und diejenigen, die über die Straßen fahren, die machen ja ohnehin keinen Unterschied, ob sie gerade aus der Stadt auf das Land fahren, in welchen Landkreis, und ob das eine Bundesstraße, eine Landesstraße ist, da geht es nur um den allgemeinen Zustand, und der ist weitgehend schlecht.

Wuttke: Aber ich möchte trotzdem noch mal darauf zurückkommen, dass Sie so einfach sagen, na ja, neue Steuern wäre eine neue Maut ja nicht, sondern das wäre dann akzeptiert, das hieße, das wären akzeptierte, neue Steuern. Das sagen Sie so einfach. Kann man so wirklich argumentieren und glauben, da kommt man in der Mitte der Gesellschaft mit an?

Meyer: Nein. Ich habe nicht gesagt, dass das jetzt akzeptierte, neue Steuern sind, sondern ich habe darauf hingewiesen, dass das Thema Maut für mich nur Sinn macht, wenn man gleichzeitig den Bürgern erklären kann und sinnvoll erklären kann, wofür dieses Geld tatsächlich verwendet wird. Nehmen Sie das Beispiel Lkw-Maut, wo es immer noch nicht eins zu eins in das fließt, wofür das Geld mal eingesammelt worden ist, besondere Belastungen durch den Schwerlastverkehr auf den Straßen, die dann eben auch zu besonderen Reparaturen führen.

All das sind Themen, die wir, glaube ich, deutlicher diskutieren müssen, damit wir auch überhaupt diese Akzeptanz erst mal bekommen. Wenn Sie das so zusammenfassen wollen: Ohne Akzeptanz bin ich auf keinen Fall für eine Maut, weil dann nämlich die Bürger auch überhaupt nicht verstehen, warum sie zur Kasse gebeten werden.

Wuttke: Das verstehen sie ja schon öfter nicht, wenn es um die hohe Mineralöl- und auch die Ökosteuer geht.

Meyer: Das ist zum Beispiel ein Problem, das dazu führt, dass wir ja hohe Einnahmen haben bei der Mineralölsteuer, und diese Mineralölsteuer - und das ist der Kern des Problems - eben nicht eins zu eins jetzt zum Beispiel in die Verbesserung in den Verkehrsbereich fließen, sondern noch für ganz andere Zwecke im Haushalt benutzt werden. Das ist ein bisschen so ähnlich wie beim Solidarzuschlag, der ja mal für den Aufbau Ost gedacht war in erster Linie, aber heute in weiten Teilen gar nicht mehr nach Ostdeutschland fließt, sondern in ganz andere Maßnahmen.

Und das sind genau diese Zusammenhänge, die dazu führen, dass die Bürger sagen: Ich bin ja bereit, ein Stück Solidarität zu üben oder etwas zu geben, damit dann anschließend ein Zustand, den ich beklage, verbessert wird, aber wenn das nicht transparent ist, wenn das nicht erklärt wird, dann ist das, glaube ich, der falsche Weg.

Wuttke: Warum treten Sie nicht einfach Herrn Ramsauer auf die Füße?

Meyer: Das tun wir schon bei anderen Themen, aber ich glaube, hier sind wir wirklich in einem Boot. Wir müssen gemeinsam für mehr Akzeptanz sorgen, und das heißt natürlich auch, wenn man das gesellschaftspolitisch sieht, dass man doch etwas offensiver die Diskussion darüber führen muss, welchen Zustand die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland hat und wie wir das gemeinsam verbessern können.

Wuttke: Sagt im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur der Sozialdemokrat Reinhard Meyer, Verkehrsminister von Schleswig-Holstein, derzeit Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz, die heute und morgen in Flensburg tagt. Herr Meyer, ich wünsche Ihnen alles Gute, schönen Tag!

Meyer: Ja, gleichfalls, schönen Tag!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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