Den Ruch eines Deals vermeiden

Von Christel Blanke, Hauptstadtstudio |
Ist Neckarwestheim II für ein Erdbeben der Stärke 6,5 ausgelegt? Würde der Reaktor in Grafenrheinfeld dem Absturz eines vollgetankten Jumbo-Jets standhalten? Können die Brennstäbe im AKW Unterweser gekühlt werden, wenn die Stromversorgung länger als ein paar Stunden ausfällt?
Konkrete Fragen an den aktuellen Sicherheitsstand von deutschen Atomkraftwerken, die der heute von der Reaktorsicherheitskommission vorgelegte Anforderungskatalog aber nicht enthält. Wer gehofft hatte, ab heute sei klar, was genau überprüft wird, um auf eine Situation wie in Japan bestmöglich vorbereitet zu sein, wurde enttäuscht. In dem Papier des unabhängigen Expertengremiums, das das Umweltministerium berät, werden Themen aufgelistet, zu denen die Fragen nun erst einmal formuliert werden sollen.

Da waren Mitarbeiter des Ministeriums wenige Tage nach dem Beben in Japan schon deutlich weiter. Doch deren Überlegungen für eine Sicherheitsüberprüfung waren so scharf, dass sie politisch kaum durchsetzbar gewesen wären. Da ging es unter anderem darum, eine Notsteuerstelle für jeden Reaktorblock und sämtliche Notstromdiesel zu verbunkern. Außerdem sollten alle Maßnahmen Bedingung dafür sein, dass die Meiler tatsächlich, wie im Energiekonzept vorgesehen, länger als von Rot-Grün vereinbart am Netz bleiben dürfen.

Die Reaktorsicherheitskommission soll die ersten Ergebnisse ihrer Überlegungen Mitte Mai abliefern. Dann sind zwei der drei Monate Moratorium um. Wie die Sicherheitsüberprüfung in den verbleibenden vier Wochen gelingen soll, muss die Bundesregierung noch erklären. Experten gehen davon aus, dass ein gründlicher Check eines AKW mindestens ein Jahr in Anspruch nimmt. Oder war das mit dem Innehalten für drei Monate doch so zu verstehen, dass in dieser Zeit nur darüber nachgedacht werden soll, wie die Sicherheitsanforderungen künftig aussehen sollen, und die eigentliche Prüfung kommt dann erst im Anschluss?

Warum hat man dann aber die sieben älteren Meiler nur für drei Monate vom Netz genommen? An deren Zustand hat sich nach Japan nichts geändert und das wird auch Mitte Juni nicht anders sein. Wenn die Bundesregierung es ernst meint mit ihrem Stresstest, dann können diese sieben Reaktoren und der Pannenmeiler Krümmel nicht wieder angefahren werden. Die Altmeiler werden den Stresstest nicht überstehen. Im Gegensatz zu jüngeren AKW, die zum Teil wenigstens gegen den Absturz kleinerer Flugzeuge ausgelegt sind, würden die Alten einem solchen Crash nicht standhalten. Eine Nachrüstung würde sich nicht lohnen, wenn sie denn überhaupt möglich wäre.

Mit den Betreibern sollen die neuen Sicherheitsstandards übrigens nicht diskutiert werden. Das ist gut. Denn sonst würden schnell Erinnerungen wach an eine lange Nacht im Kanzleramt. Anfang September hatte die Bundesregierung mit den Konzernen die Bedingungen für die Laufzeitverlängerungen ausgehandelt. Und der für Reaktorsicherheit zuständige Umweltminister musste draußen bleiben. Den Ruch eines Deals mit den Betreibern sollte die Bundesregierung dieses Mal vermeiden.
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