Deniz Yücel und der PEN

Oberster Bratwurstwender statt König

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Deniz Yücel, Präsident der Schriftstellervereinigung PEN-Zentrums Deutschland steht zu Beginn der Mitgliederversammlung in Gotha am Rednerpult.
Deniz Yücel war nur knapp acht Monate PEN-Präsident - dann schmiss er hin. © dpa / picture alliance / Martin Schutt
Von Jörg Magenau |
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Deniz Yücel hat die Schriftstellervereinigung PEN nach seinem Rücktritt als „Bratwurstbude“ bezeichnet. Warum hat er sich dann vorher überhaupt zum Vorsitzenden machen lassen? Und hat ihn der PEN wiederum nicht als "Aufmerksamkeitsgaranten" gewählt?
Eigentlich ist es ganz einfach: Wer sich zum Präsidenten einer Bratwurstbude machen lässt, darf sich hinterher nicht darüber beklagen, einer Bratwurstbude vorgestanden zu haben.
Als „Bratwurstbude“ hat Deniz Yücel den deutschen PEN bezeichnet, nachdem er am Wochenende von seinem Amt als PEN-Präsident zurückgetreten ist und die Bratwurstbude dann auch gleich verlassen hat.

Wer König sein will, braucht ein Königreich

Da muss er sich allerdings schon fragen lassen, warum er sich im vergangenen Oktober überhaupt zum neuen Vorsitzenden wählen ließ. Wenn der PEN eine Bratwurstbude ist, dann war er das doch wohl auch schon damals. Wenn Deniz Yücel aber gerne König geworden wäre und nicht nur oberster Bratwurstwender, dann hätte er sich halt ein passendes Königreich aussuchen müssen.
Nun hat er aber in den knapp acht Monaten seiner konfliktreichen Regentschaft festgestellt, dass die Poeten, Essayisten und Novellisten, die sich unter diesen etwas altertümlichen Tätigkeitsbeschreibungen im PEN versammeln, gar keine Poeten, Essayisten oder Novellisten sind, sondern eher unbekannte Sachbuchautoren, Reiseführerschreiber, namenlose Möchtegerns und - schlimmer noch - jede Menge weiße, alte Männer, die ja derzeit allesamt keinen leichten Stand auf Erden haben. Mag sein.

Berufsverbände ziehen die Blassen und Müden an

Und wahrscheinlich ist der PEN wirklich nicht besonders interessant. Allerdings ist es doch wohl auch in anderen Berufsverbänden so, dass sich dort nicht die allergroßartigsten Meister ihres Faches tummeln und auch nicht die frische, aufbruchsbereite Jugend, sondern eher die blasseren, müde und älter gewordenen Lichter. Auch die Gewerkschaft wird weniger von kraftstrotzenden Arbeiterinnen und Arbeitern als von Funktionären geprägt.
Die Bedeutung des PEN-Clubs besteht nun aber hierzulande unglücklicherweise vor allem darin, Bedeutung zu erzeugen und all denen, die darin versammelt sind und sich auf Jahrestagungen tummeln, ein Gefühl höherer Bedeutung zu verleihen. Schriftsteller, die vorzugsweise allein am heimischen Schreibtisch arbeiten, haben daran ein verschärftes Interesse.
Denn Schriftsteller werden erst dann zu Schriftstellern, wenn andere sie für Schriftsteller halten. Das gilt besonders für die große Menge derer, die mit ihrem Geschriebenem nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie sich wünschen. Schriftstellerisches Selbstbewusstsein muss permanent, von Buch zu Buch und über alle Misserfolge hinweg, neu erworben und bestätigt werden. Darin liegen das Elend dieses Berufes und die trostreiche Funktion des PEN.

Die Mitglieder wussten, wen sie gewählt haben

Bedeutung entsteht durch Aufmerksamkeit. Die hat Deniz Yücel mit seiner hemdsärmeligen Art und seinem umstrittenen Führungsstil dem PEN fraglos beschert. Die Mitglieder sollten sich also nicht beklagen. Sie wussten ja doch, wen sie im Oktober gewählt haben und haben es vermutlich genau deshalb getan. Deniz Yücel war ihr Aufmerksamkeitsgarant, den sie dann aber schlecht ausgehalten haben. Aufmerksamkeit erhält der PEN immer nur dann, wenn es öffentlich ausgetragene Kontroversen gibt.
Die letzte Phase solcher Aufmerksamkeitsproduktion war der Streit um die Vereinigung der ost- und westdeutschen Hälften, die 1998 dann endlich erfolgte. Damals ging es immerhin noch um etwas, wenn auch vor allem um Befindlichkeiten. Seither ist der PEN allenfalls mit seinem Einsatz für Verfolgte und Inhaftierte - „Writers in Prison“ - als eine Art Schriftsteller-Amnesty wichtig geblieben.
Wenn es heute darüber hinaus aber nur noch um Führungs-Stilfragen, um Beleidigtsein und gutes oder schlechtes Benehmen geht, braucht es den PEN nicht mehr. Dann könnte auch Amnesty International die Arbeit übernehmen – wo im Übrigen viel weniger über Bedeutung und Jahrestagungen gesprochen wird.

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