Auf der Suche nach Lenin
Weltweit gibt es rund 6000 Lenin-Skulpturen, laut Guinness-Buch liegt nur Buddha vor Lenin. Aus dem Berliner Stadtbild hingegen ist der Revolutionsführer weitgehend verschwunden. Aber wo sind die Denkmäler geblieben? Eine Spurensuche.
Sozialistische Pionierchöre besingen die großen Taten des großen Wladimir Iljitsch Uljanow – genannt Lenin. Diese Zeiten sind lange vorbei. Es ist still geworden um Lenin. Im hintersten Raum im Museum der Zitadelle Spandau im Nordwesten Berlins – liegt der Kopf des ehemaligen Revolutionsführers dezent beleuchtet auf einem Podest auf der Seite – ein vier Tonnen schweres Mahnmal aus ukrainischem Rot-Granit. Er scheint mit offenen Augen zu schlafen. Ein Besucher aus Bayern besucht den Russen, vielmehr seinen Kopf, und steht nun nachdenklich davor:
"Ich habe da ein bisschen ein gespaltenes Verhältnis zu, zur Zeit des Kommunismus in Deutschland. Obwohl, wenn er mit Abstand da jetzt wieder irgendwo ausgestellt wird, dann ist er ja Teil der Geschichte. Ich find's nur nicht gut, den irgendwo hinzustellen und dann so wie ums goldene Kalb zu tanzen, das würde ich dann wieder ablehnen."
"Ich habe da ein bisschen ein gespaltenes Verhältnis zu, zur Zeit des Kommunismus in Deutschland. Obwohl, wenn er mit Abstand da jetzt wieder irgendwo ausgestellt wird, dann ist er ja Teil der Geschichte. Ich find's nur nicht gut, den irgendwo hinzustellen und dann so wie ums goldene Kalb zu tanzen, das würde ich dann wieder ablehnen."
Eine rote Nelke für Lenin
Museumleiterin Andrea Theissen hat lange um Lenin gekämpft. Er ist das Highlight in ihrer Ausstellung über politische Denkmäler. Dabei soll es um Geschichte und ihre Einordnung gehen – ausgerechnet bei Lenin geht das aber offenbar noch nicht ohne Emotionen, jedenfalls bei denen, deren Held er früher mal war:
"Das haben wir tatsächlich registriert, dass wir viel mehr Besucherinnen und Besucher aus dem Ostteil haben und auch aus Ostdeutschland. Kurz nach der Eröffnung, da lag tatsächlich eine Nelke, eine rote Nelke, auf dem Sockel."
"Das haben wir tatsächlich registriert, dass wir viel mehr Besucherinnen und Besucher aus dem Ostteil haben und auch aus Ostdeutschland. Kurz nach der Eröffnung, da lag tatsächlich eine Nelke, eine rote Nelke, auf dem Sockel."
Nun hat der russische Held des Kommunismus ausgerechnet in Berlins schon immer kapitalistischem Westen seine vorläufig letzte Ruhe gefunden hat. Ironie der Geschichte. Aber bis hierhin war es ein langer Weg, der Umgang Berlins mit alten Lenin-Statuen und -Denkmälern ist alles anderes als geradlinig.
Als 19 Meter hohes Denkmal stand der ganze Lenin mit Kopf und Körper seit 1970 auf dem damaligen Leninplatz in Friedrichshain in Ost-Berlin. Eingeweiht vom Chef des Zentralkomitees der SED, von Walter Ulbricht:
"Es lebe, die unverbrüchliche deutsch-sowjetische Freundschaft."
Zerlegt und vergraben
Die Freundschaft zerbrach, genau wie die Sowjetunion und damit ihre Helden der sozialistischen Revolution. Lenin passte nicht mehr in das neue, demokratisch-deutsche Selbstverständnis. Schon 1991, kurz nach der Wiedervereinigung, wurde auf Betreiben des damaligen Berliner Senats damit begonnen, das Denkmal abzubauen. Besonders im Berliner Osten sorgte dieser Umgang mit dem einstigen Helden für wenig Begeisterung:
"Lenin, das ist auch für mich ein Stück Geschichte. - Naja, das war doch auch 40 Jahre unserer Welt, warum sollen wir die jetzt einfach so abreißen, einschmelzen oder so, war doch unsere Welt . – Ne, dit soll mal erhalten bleiben, da ist sonst gar nichts mehr von früher, von der DDR Zeit."
Es gab viel Diskussionen. Die einen wollten ihn behalten, konservieren, die anderen wollten alles, was an die DDR erinnerte, möglichst schnell loswerden. Am Ende wurde Lenin in über 100 Teile zerlegt und in einem Wald im äußersten Berliner Südosten verbuddelt.
"Lenin, das ist auch für mich ein Stück Geschichte. - Naja, das war doch auch 40 Jahre unserer Welt, warum sollen wir die jetzt einfach so abreißen, einschmelzen oder so, war doch unsere Welt . – Ne, dit soll mal erhalten bleiben, da ist sonst gar nichts mehr von früher, von der DDR Zeit."
Es gab viel Diskussionen. Die einen wollten ihn behalten, konservieren, die anderen wollten alles, was an die DDR erinnerte, möglichst schnell loswerden. Am Ende wurde Lenin in über 100 Teile zerlegt und in einem Wald im äußersten Berliner Südosten verbuddelt.
Thälmann darf bleiben
Bereits Anfang der 1990er-Jahre stand die Statue auf der Gesamtberliner Denkmalliste, 1992 wurde sie aus der Denkmalliste ausgetragen. Während Lenin abgebaut wurde, steht ein riesiges Denkmal des Kommunistenführers Thälmann immer noch in Berlin, auch das ist umstritten. Hubert Staroste vom Landesdenkmalamt Berlin.
"Und da wird eben gesagt, das muss man differenzieren, mit Augenmaß machen und mit Gelassenheit, weil letztendlich von diesen Zeugnissen keine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland ausgeht, was ja auch der Fall ist. Ob man heute Lenin auch abgerissen hätte weiß ich nicht, aber es war damals eine andere Situation."
Erzählt der Denkmalschützer, denn:
"Die deutsche Geschichte ist ja nun mal reich an Brüchen und sehr ambivalent, gerade was das 20. Jahrhundert betrifft. Es hilft uns ja nicht, wenn wir alles wegräumen, die Geschichte bleibt uns ja erhalten, wir müssen uns ja mit ihr auseinandersetzen. Und wir nennen das dann auch immer ungeliebte Denkmale."
Viel ist von der alten, ungeliebten Welt nicht geblieben – und wenn, dann meistens im Museum.
"Und da wird eben gesagt, das muss man differenzieren, mit Augenmaß machen und mit Gelassenheit, weil letztendlich von diesen Zeugnissen keine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland ausgeht, was ja auch der Fall ist. Ob man heute Lenin auch abgerissen hätte weiß ich nicht, aber es war damals eine andere Situation."
Erzählt der Denkmalschützer, denn:
"Die deutsche Geschichte ist ja nun mal reich an Brüchen und sehr ambivalent, gerade was das 20. Jahrhundert betrifft. Es hilft uns ja nicht, wenn wir alles wegräumen, die Geschichte bleibt uns ja erhalten, wir müssen uns ja mit ihr auseinandersetzen. Und wir nennen das dann auch immer ungeliebte Denkmale."
Viel ist von der alten, ungeliebten Welt nicht geblieben – und wenn, dann meistens im Museum.
Die bronzene Lenin-Staute aus dem Deutschen Historischen Museum ist nach einem Ausflug nach Zürich wieder in Berlin. Sie war für eine Ausstellung über die Russische Revolution an das Schweizerische Nationalmuseum ausgeliehen worden und wird nun Teil der Sonderausstellung "1917. Revolution. Russland und Europa", ab Mitte Oktober in Berlin.
In Berlin erinnert kaum noch etwas an den Revolutionsführer
Das was in Berlin sonst noch an Lenin erinnert, ist schwerer zu finden. An einem Haus in Friedrichshain hängt unauffällig eine kleine Gedenktafel. Darauf steht unterhalb eines eingravierten Porträts: "In diesem Gebäude nahm W. I. Lenin im August 1895 an einer Arbeiterversammlung teil".
Die Lenin Büste, die bis 1997 vor der russischen Botschaft Unter den Linden stand, verschwand in einem nicht einsehbaren Innenhof. Ein großes Lenin-Relief an der ehemaligen russischen Schwimmhalle hinter der Botschaft wurde Anfang 2011 abmontiert, sagt Andrej Tschernodarov, gebürtiger Russe aus St. Petersburg:
"Sie haben erst mal am Anfang das gedeckt mit Holz und dann hat Lenin einfach ein neue Wohnung bekommen, also im Hinterhof steht immer noch diese Büste aber der präsentiert jetzt nicht die russische Botschaft."
Die Lenin Büste, die bis 1997 vor der russischen Botschaft Unter den Linden stand, verschwand in einem nicht einsehbaren Innenhof. Ein großes Lenin-Relief an der ehemaligen russischen Schwimmhalle hinter der Botschaft wurde Anfang 2011 abmontiert, sagt Andrej Tschernodarov, gebürtiger Russe aus St. Petersburg:
"Sie haben erst mal am Anfang das gedeckt mit Holz und dann hat Lenin einfach ein neue Wohnung bekommen, also im Hinterhof steht immer noch diese Büste aber der präsentiert jetzt nicht die russische Botschaft."
Nicht mal bei den Berliner Russen ist Lenin also noch "politically correct". Andrej Tschernodarov kann sich denken warum:
"Man identifiziert immer noch Russland mit Sowjetunion. Heute man möchte gar nicht, weil man nur dieses sowjetische, sozialistische Klischee auf russische Verhältnisse projiziert. Automatisch. Das stört."
Lenin ist heute hip
Dabei sei Lenin in Russland selber inzwischen wieder angesagt, sagt er. Und auch in Deutschland wandelt sich die Stimmung wieder. Auf die Frage nach Lenin, der Oktoberrevolution oder dem Kommunismus bekommt man positive Antworten:
"Sowjetunion nicht? – Das war vor langer Zeit mal ne ziemlich starke Sache glaube ich. – Urgesellschaft. Keine Macht. Kein Neid. Alle leben auf der gleichen Schwelle, auf dem gleichen Level. Ein gutes Ziel drauf hinzuarbeiten Menschlichkeit zu verwirklichen."
Lenin ist wieder hip und es gibt ihn inzwischen wieder auf T-Shirts, Tassen oder als Briefbeschwerer. Das Problem dabei: Je weniger Denkmäler an ihn erinnern, je weniger diese Geschichte eingeordnet und erklärt wird, desto mehr wird er glorifiziert, sagt Anna Kaminsky von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur.
"Sowjetunion nicht? – Das war vor langer Zeit mal ne ziemlich starke Sache glaube ich. – Urgesellschaft. Keine Macht. Kein Neid. Alle leben auf der gleichen Schwelle, auf dem gleichen Level. Ein gutes Ziel drauf hinzuarbeiten Menschlichkeit zu verwirklichen."
Lenin ist wieder hip und es gibt ihn inzwischen wieder auf T-Shirts, Tassen oder als Briefbeschwerer. Das Problem dabei: Je weniger Denkmäler an ihn erinnern, je weniger diese Geschichte eingeordnet und erklärt wird, desto mehr wird er glorifiziert, sagt Anna Kaminsky von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur.
"Lenin, der steht für den guten Anfang in Anführungsstrichen und auch in der Tradition all dessen, was danach kam immer so getan wurde als ob das eigentlich Böse an dem kommunistischen Regime erst mit Stalin begonnen hätte und Lenin, der hätte ja diese Utopie der sozialen Gerechtigkeit, dafür würde der ja stehen. Dass aber mit Lenin die Lager begonnen haben, dieser unglaublich blutige Bürgerkrieg, die Kollektivierung der Landwirtschaft. Und das fand ich so interessant, dass es gelungen ist in der DDR, ihn davon so abzukoppeln, als ob er damit gar nichts zu tun hätte."
Jedes Denkmal sollte historisch verortet, erklärt und eigeordnet werden, findet Anna Kaminsky. Bei einem der letzten verblieben Lenins in der Hauptstadt ist das nicht der Fall, dennoch steht er unter Denkmalschutz und darf nicht mehr entfernt werden. Ein buntes Glasfenster in der Jura-Bibliothek der Humboldt Universität in Berlin-Mitte zeigt Lenin studierend und im Gespräch mit Arbeitern und Soldaten. Das Fenster und weckt immer wieder Interesse, sagt eine Studentin in der Bibliothek:
"Ja es kommen viele Leute vom Bebelplatz hoch und schauen sich das Glasfenster an, viele Touristen auch, viele ausländische Leute und die fragen, wer das ist und warum da hier ist, weil man sieht das so schön von außen, weil es so leuchtet."
Verbuddelt im Köpenicker Forst
Ein Künstler schuf das Fenster 1968 für den damals in Leninsaal umbenannten Lesesaal. Aber auch hier: keine Erklärung, keine Einordnung. Die Infotafel wurde in einer Nacht- und Nebelaktion 1990 entfernt.
Also bleibt erst mal alles beim alten. Die meisten Lenin-Statuen sind aus der Öffentlichkeit verschwunden. Der kopflose Körper des 19 Meter Koloss vom ehemaligen Leninplatz ruht weiter in handlichen Portionen unter der Erde im Köpenicker Forst – auch wenn Schatzsucher immer wieder versuchen, die steinernen Überreste auszubuddeln. Und der Kopf – der sich genau am anderen Ende der Stadt befindet - zieht seit einem Jahr Besucher an, vor allem die aus dem Berliner Osten, freut sich Andrea Theissen, die Museumdirektorin der Zitadelle Spandau:
"Also den Kopf geben wir auch nicht her, weil es einfach in die Ausstellung gehört. Allein durch den Film 'Good Bye, Lenin!', das war im Bewusstsein der Menschen und ohne diesen Kopf wäre es auch nur die halbe Sache gewesen."
Also bleibt erst mal alles beim alten. Die meisten Lenin-Statuen sind aus der Öffentlichkeit verschwunden. Der kopflose Körper des 19 Meter Koloss vom ehemaligen Leninplatz ruht weiter in handlichen Portionen unter der Erde im Köpenicker Forst – auch wenn Schatzsucher immer wieder versuchen, die steinernen Überreste auszubuddeln. Und der Kopf – der sich genau am anderen Ende der Stadt befindet - zieht seit einem Jahr Besucher an, vor allem die aus dem Berliner Osten, freut sich Andrea Theissen, die Museumdirektorin der Zitadelle Spandau:
"Also den Kopf geben wir auch nicht her, weil es einfach in die Ausstellung gehört. Allein durch den Film 'Good Bye, Lenin!', das war im Bewusstsein der Menschen und ohne diesen Kopf wäre es auch nur die halbe Sache gewesen."