Denkmal: Dresden und sein Schloss
Ein "Diamant sächsischer Geschichte" wird ab 30. Juli keinesfalls zufällig zum Exponat Nummer 1 der großen Denkmalpflegeausstellung "Zeitschichten": Das Dresdener Residenzschloss, schönste, älteste und teuerste Baustelle Sachsens, wurde von der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger Deutschlands als erstes hochkarätiges, aber noch längst nicht fertig restauriertes Objekt zum Gastgeber auserkoren.
ZeitSchichten – Erkennen und Erhalten…
Georg Dehios: "Was uns die Kunstgeschichte nach ihrem Teil vom historischen Lebensinhalt unseres Volkes zu sagen hat, sagt sie zumeist durch die Denkmäler. Von ihnen geht die Betrachtung aus, zu ihnen kehrt sie zurück. "
…und das dieser Tage nach Dresden - zu einem "Diamanten" sächsischer Geschichte, denn genau hier gab es vor bereits 105 Jahren den ersten "Tag für Denkmalpflege", auf dem Georg Dehios Konzept des berühmten, heute exakt 100-jährigen "Handbuchs der Deutschen Kunstdenkmäler" nach langer Diskussion beschlossen wurde…
Georg Dehio, der Initiator des Handbuchs, gilt als der Gründervater moderner Denkmalpflege – und so ist es kein Zufall, dass sich die große Denkmalpflegeausstellung "ZeitSchichten" vom 30. Juli bis 13. November auf Sachsens ältester, schönster und … teuerster Baustelle präsentiert: Im Residenzschloss Dresden, zugleich DEM Exponat Nummer 1 – Kuratorin Dr. Ingrid Scheuermann…
"Ich denke, das macht Sinn, weil man in diesen wunderbaren Räumen vieles sehen kann, was man theoretisch so gut wie gar nicht vermitteln kann. Wir sehen originale Substanz, wir sehen Reste von Bauzier, wir sehen aber auch die Reste und Überbleibsel der Zerstörung des Schlosses und sehen und erleben das Schloss in einem Zustand vor der Restaurierung und der Teilkonstruktion dieser Räume. Ich glaube, viele Dresdener und viele Leute aus Sachsen kennen diese Räume überhaupt nicht, und das ist ein Erlebnis, diese Räume erfahren zu können."
Dresden und sein Schloss… Die Dresdener und ihr Schloss…
"Wir konservieren ein Denkmal nicht, weil wir es für schön halten, sondern weil es ein Stück unseres nationalen Daseins ist…"
So Georg Dehio. Im besten Falle – und ganz sicher liegt dieser Fall im Herzen der Elbmetropole vor – können sich dabei Schönheit und – sagen wir mal einfach: Für etwas Besonderes "da sein" - durchaus ergänzen, so beeindruckt es die verdienstvolle Schlossführerin Renate Richter insbesondere…
" …dass sehr Viele von großem Stolz auch hier arbeiten, sehr motiviert sind und das eigentlich auch als die Krönung ihres Berufslebens betrachten, hier mitarbeiten zu dürfen. Und das ist eigentlich eine wunderschöne Situation, die man doch sehr selten erlebt."
Womit wir – salopp gesagt – schon bei den "Aktiven" sind, oder können wir zur Abwechslung gar "Aktivisten des Wiederaufbaus" sagen – dazu der Chef des Staatsbetriebes Sächsisches- und Immobilienbaumanagement, Ludwig Coulin…
"Also, die ersten Planungen, die sind schon unmittelbar nach der Katastrophe aufgestellt worden. Ich erinnere an die berühmte Diplomarbeit von Professor Glaser, der hier schon in den 60-er-Jahren sich um den Wiederaufbau verdient gemacht hat, wie überhaupt die Dresdener Bürgerinnen und Bürger eigentlich dieses Schloss sehen wollen wie auch die Frauenkirche…"
…Renate Richter, Dresdener Bürgerin…
"Es waren immer wieder Menschen zur Stelle, die immer wieder gesehen haben, wie können wir das über die schwere Zeit hinweg heben, damit dieses Schloss uns erhalten bleibt, bis es dann Ende der 60-er-Jahre soweit war, dass es wirklich dann feststand, dass das Schloss nicht abgerissen wird, und dann konnte man schon wieder nach vorne schauen. Und dann kommt eigentlich schon wieder die neuere Zeit, wo man Planungen gemacht hat, was kann eigentlich hier hinein…"
Apropos "Planungen"… Während sich die Ausstellung ZeitSchichten in der noch nicht abschließend restaurierten Raumfolge des Nordflügels sowie in den ehemaligen Paraderäumen Augusts des Starken im Westflügel im zweiten Obergeschoss präsentiert, fällt der Blick des heutigen Besuchers insbesondere auf den Ostflügel - er ist jetzt der letzte noch zerstörte Teil …ruinös, gebrochen aus Zeitschichten bestehend. Im ganz Tiefen, im Grunde: Archäologische Funde, älteste Teile des Schlosses, darüber mittelalterliche Gewölbe, aufgehende Mauern aus mehreren Zeiten bis hin zum Beginn des 20. Jahrhunderts…
" Das Residenzschloss ist ja vom letzten König noch mal zur Feier der Wettiner gründerzeitlich überformt worden. Und so ist es dann am 13. Februar zerstört worden. Das alles findet man da - mehr oder weniger natürlich. Weg ist die Innenarchitektur. Am besten erhalten - das muss man wissen: Das Haupttreppenhaus, die so genannte, berühmte englische Treppe aus der Zeit des Barock, über die auch der berühmte August gelaufen ist…"
Professor Peter Kulka, sein Architekturbüro Kulka & Partner in Dresden und Köln gewann das Auswahlverfahren "Ostflügel", an dem sich 78 Büros beteiligt hatten.
Vom Kleinen Schlosshof über die Englische Treppe bis zum Hausmannsturm erstreckt sich horizontal das Areal, für das Peter Kulka, den Wiederaufbau plant. Vertikal reicht es von den archäologischen Resten der so genannten "Kemenate" unterm Großen Schlosshof bis zum Riesensaal im zweiten Obergeschoss.
Es ist der älteste und zugleich sensibelste Schlossteil – genau hier wird sich das Bauensemble mehr als 60 Jahre nach seiner Zerstörung wieder komplettieren.
Und das zugleich in einer Verflechtung der Museen der Staatlichen Kunstsammlungen - im Zusammenwirken von technischen und Service-Funktionen.
Das Können des gebürtigen Dresdeners, der seine Stadt zu DDR-Zeiten gen Westen verlassen musste, hat die Verantwortlichen im Freistaat längst überzeugt, dennoch bleibt manche Idee umstritten – so sind nicht alle Beteiligten glücklich, dass er beispielsweise den Riesensaal im 2. Stock "seines" Ostflügels gar nicht rekonstruieren will… und doch soll es ein Glanzstück werden…
"Man musste sich ja entscheiden, was baut man wieder auf? Es gibt eine barocke Fassung, es gibt eine mittelalterliche Fassung - gleichwohl bin ich kein Rekonstrukteur, das weiß man. Ich bin ein moderner zeitgenössischer Architekt, und ich werde jede Gelegenheit nutzen, um mit der neuen Aufgabe "Schlossmuseum" - da wo es angebracht ist und in Abstimmung mit dem Bauherrn und der Denkmalpflege - auch ein zeitgenössisches Zeichen zu setzen. Dazu gehört auch der Riesensaal. Es ist so, dass wir diesen Riesensaal in seiner Geometrie herstellen werden, aber - er wird auch ein neuer, moderner, grandioser Saal werden. Ich hoffe, er wird so schön werden wie der alte Riesensaal auf seine Weise.
Und ich glaube, da muss man gar nicht groß erklären, dass es dann natürlich eine wunderbare Aufgabe ist, wenn man an einem solchen Projekt mitwirken kann. "
Und Peter Kulka möchte, dass sich die Gäste des Schlosses zukünftig in dem Labyrinth der Räume des einstigen Wohnschlosses der Sächsischen Herrscher, das jetzt den Anforderungen eines Museums gerecht werden muss, "zu Hause fühlen" und vor allem wettergeschützt orientieren (!) können… Und so setzt er mit seiner Zeitschicht dem Kleinen Schlosshof als zukünftig zentralem Eingangsbereich die Krone und zugleich ein Dach auf: Nämlich ein Luftkissendach, auch aus Rauten. Man muss sich das wie eine Steppdecke vorstellen, transparent, nicht transluzent wie das Stadion in München, das man ja kennt, auch mit einer ganz anderen Konstruktion. Und so wird Dresden eine…quasi eine leichte Kuppel bekommen, oder ein "Kissen", das nachts leuchtet…
Sehr schön das Bild. Wenn man auf Dresden zufliegt, wird es mitten im Herzen - das Schloss liegt ja genau im Herzen der Stadt - einen hellen Lichtfleck geben, eine transparente Lichtfläche - und das ist das Wertvollste: Das ist die Schatzkammer Dresdens.
Trotz manch heftiger, zumeist fachlicher Auseinandersetzung kennt Dresdens Schlossarchitekt genauestens den gerade in Sachsens Hauptstadt alle einenden Willen – nämlich hier eine verehrte Ruine über die Zeiten zu retten, um dann tatsächlich etwas Großartiges zu schaffen…
"Es ist ja wichtig auch, dass die Bevölkerung mitgenommen wird. Man ist zur rechten Zeit an die Öffentlichkeit gegangen, man hat es erklärt, und es hat auch durchaus Zustimmung gegeben. Also, ich fand's dann faszinierend - ich hab ja einen Vortrag gemacht in den Kunstsammlungen, und da sind Dresdener aufgestanden und haben gesagt: "Die Kuppel ist noch zu flach!" Da kam plötzlich der Satz: "Sie könnte ruhig noch drei, vier Meter höher sein, man darf sie sehen!" Ja. Und davon lebt natürlich so was. "
Georg Dehio mahnte vor 100 Jahren…
"Den Raub der Zeit durch Trugbilder ersetzen zu wollen, ist das Gegenteil von historischer Pietät. Wir wollen unsere Ehre darin suchen, die Schätze der Vergangenheit möglichst unverkürzt der Zukunft zu überliefern, nicht, ihnen den Stempel irgendeiner heutigen, dem Irrtum unterworfenen Deutung aufzudrücken. "
Doch gerade in Dresden fügten viele Baumeister im Laufe der Jahrhunderte ihre ZeitSchicht hinzu. Und gegen Qualität, die der Aura des Denkmals gewachsen ist und sich in den Dienst eines modernen Museums stellt, gibt es eigentlich keine Einwände…
Was Historizität in der Innenausstattung des Schlosses für die Mitarbeiter bedeutet, schildert Chefrestaurator Hans-Christoph Walter im Grünen Gewölbe…
"Das Besondere ist, dass wir so authentisch wie möglich arbeiten. Sowohl von der Materialzusammensetzung als auch von der Logistik her, Materialauswahl, Holzoberflächen, Steine, Fassungszusammensetzung - selbst die Goldlegierung haben wir nachgestellt. Wir lassen direkt Gold produzieren fürs Schloss. "
August der Starke hätte seine Freude, aber dafür kein Porzellan gehabt, jedoch auch Walter und seinen Mitarbeitern stellt sich die Frage – woran orientieren wir uns, um gerade hier authentisch zu sein?
"Zum historischen Grünen Gewölbe gibt es wenige Pläne. Es gibt den Plan,
den August der Starke gegengezeichnet hat für von Pöppelmann, dann gibt's Pläne um 1890 und um 1914. Und dann bricht’s schon zusammen. "
Also half nur jene Methode, die Walter mit "Bauarchäologie" benennt, Wandbefestigungspunkte, die relevant waren, suchen, in noch 5 von 8 Räumen vorhandene Ausstattung untersuchen, alte Fotobestände, beginnend bei 1894, auswerten…Ein großes Puzzle begann, alle Teile lagen irgendwo und vor allem durcheinander…
"Aber es gab immer besondere Entdeckungen, zum Beispiel haben wir Fotos gefunden, wo also Kunstwerke fotografiert waren, da waren im Hintergrund Teile von unseren Ausstellungsteilen sichtbar usw. Das galt es sozusagen aufzubereiten. "
Mit detektivischem Spürsinn berücksichtigte dann Architektin Stefanie Schubert sämtliche Befunde in ihren Handzeichnungen im Maßstab 1:10… So begann beispielsweise die Rekonstruktion im Juwelenzimmer, Messbilder wurden als Fotos 1:1 vergrößert, die Spiegelproduktion wurde ausgelöst…
"Und danach habe ich im Bauschutt Spiegelreste gefunden und konnte die drauflegen – die stimmen also Plusminus 0! Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat’s also so ausgesehen. "
Apropos Spiegel! Sie waren über Jahre – wie man sagt – ein "Reizthema"… Keinerlei modernes Glas ist in der Lage, auch nur annähernd eine barocke Wirkung zu erzielen. Denn heute wird kein Spiegel mehr mit giftigem Quecksilber beschichtet…
"Beim normalen, heute handelsüblichen Spiegel wird Silber verwendet. Das führt dazu, dass der Spiegel wesentlich heller ist. Er hat also einen Reflexionsgrad von ungefähr 98 %.
Das hängt etwas von der Glasdicke ab. Zum Vergleich – der Spiegel mit dem Quecksilber-Zinn-Amalgam hat ca. 60 % Reflexionsgrad, sodass er also etwas dunkler, etwas grauer erscheint. Das ist also eine etwas dunklere Farbe. Und er hat natürlich dann in dem Grünen Gewölbe eine ganz andere Wirkung als ein neuer Silberspiegel. "
Steffen Noack, Spiegelmacher in Weißwasser, stellt unter strengstem Gesundheitsschutz dennoch maßgeschneidert und in der Technologie des frühen 18. Jahrhunderts gut 450 Quadratmeter barocke Spiegelfläche her – für uns in knapp 30 Sekunden…
"Also, im Grunde ist es so, dass man auf einer Steinplatte, auf einer Marmorplatte, ein Stanniol, eine Zinnfolie ausbreitet, die dort glatt streicht, eventuelle Falten usw. beseitigt. Dann kommt etwas Quecksilber auf das Stanniol, das Quecksilber wird also mit dem Stanniol verbunden. Wenn das erfolgt ist, wird eine größere Menge Quecksilber drauf geschüttet, so ungefähr vier bis fünf Millimeter Höhe. Danach wird dann die Glasplatte in den Beleg hinein geschoben. Das Ganze beschwert mit Gewichten bzw. mit Schraubzwingen. Und danach wird der Tisch geschwenkt, diese Marmorplatte wird geschwenkt, sodass überschüssiges, nicht reagiertes Quecksilber abfließen kann…"
Und danach muss der Spiegel trocknen, um nach etwa 6 Wochen, bearbeitet, geschnitten und ins Residenzschloss transportiert werden zu können, wo sich dann der Glanz der Schätze vervielfachen wird…
Und natürlich lebt gerade der Schlossinnenraum von seinen Farben und deren Spielen. An der einzigen Deckenbemalung im Juwelenzimmer - Maler Bernd Garte – nicht auf dem Boden, sondern somit an der Decke der Tatsachen, denn er arbeitet originalgetreu, wenngleich auch hier die Quellen eher spärlich sind…
"Also, da gibt’s nur ein farbliches Gouache, was sich im Landesamt für Denkmalpflege befindet, und das ist aus den 30-er-Jahren des 20. Jahrhunderts, und das ist der einzige Anhaltspunkt, wie die Raumfarbigkeit existiert hat. Also, dass an den Wänden, Schildbögen die Kaminfarbtöne waren und an den Gewölben hauptsächlich das Preußischblau, was also dann von den ganzen Vergoldungen der Malerei gerahmt wird. "
Kaseintempera und Blattgold…Farbreste im Pretiosensaal belegen die Richtigkeit, dass somit nur ganze zwei Räume entfernt in genau dieser Technologie gearbeitet werden kann… Und – was das Blattgold angeht – Malermeister Thomas Sturm vergoldet gerade einen massiven Kreidegrund, einen Schildbogen voller Rosetten – und das geht so…
"Na, zuerst muss der Kreidegrund auf das Holz aufgetragen werden, um überhaupt eine polierfähige Fläche zu bekommen. Dann wird der Kreidegrund geschliffen, Poliment aufgetragen – wie der Name sagt: ‚Polimentvergoldung’. Und dann wird mit ‚Netze’ das Blattgold eingeschlossen und später mit dem Achat poliert. "
Ein metallgriffelartiges, filigranes Werkzeug mit sichelförmigem Ende – der Achatstein, und so hört er sich an, wenn der Sturm poliert…
"Unter leichtem Druck…die Fläche…geglättet…immer höher…und da kommt immer tiefer Glanz zustande…"
Die Dialektik des Goldpolierers – unter seinen sensiblen Händen entsteht etwas, das aussieht wie massives Gold…in seinem engen Raum erinnert vieles an den einsamen Böttger, nur – das weiße Gold ist hier die Kreide, die den Korpus des Goldbrockens bildet. Bliebe noch die Einsamkeit…
"Ja, das ist das Los eines Vergolders…"
Vom Blattgold zum Geldschein ist es nur ein kurzer Weg zum Abteilungsleiter Staatsvermögen des Freistaats – zu Wolf Karl Reitner. Gelernter Diplomingenieur, Architektur hat er studiert, er weiß, wohin das Geld fließt…Und der Bauboom in Sachsen ist ungebrochen. Dennoch – die Mittel werden knapper…
"Es ist auf jeden Fall genug Geld da. Die Staatsregierung hat sich 1990 entschlossen: Das Schloss wird wieder aufgebaut, und damit ist auch die Finanzierung sichergestellt. Inzwischen kann man natürlich sagen, fällt einem das nicht mehr so leicht, aber inzwischen ist auch jedem klar, wie wichtig die Kultur für dieses Land ist! Das Dresdener Schloss mit seinen Exponaten muss sich hinter keiner Stätte der Welt verstecken. Jetzt kann man sich natürlich vorstellen, ich komm' aus dem Finanzministerium, so dumm sind wir auch nicht, wir erkennen das auch als Wirtschaftszweig, sag ich jetzt mal. "
Spätestens jetzt erinnert man sich an die verheerende Flut vor 3 Jahren…Die Stadt wurde touristisch gemieden – Kultur und in deren Gefolge die Wirtschaft litten, Arbeitsplätze waren gefährdet…Doch wenn die Kultur läuft in Elbflorenz, dann rollen auch die Buskarawanen aus aller Welt ins leuchtende Herz der Stadt…Insofern eine klare kulturelle Investition auch in eine gute wirtschaftliche Zukunft – wie viel kostet der Wiederaufbau des Schlosses konkret?
"337 Millionen Euro. Rechnen wir: Da ist noch nicht drin die Schütz-Kapelle, da ist noch nicht drin die Belletage… Da hat Milbradt schon vor vielen Jahren verkündet, das ist eine Generationenaufgabe! Es ist inzwischen verbaut die Summe von rund 180 Millionen Euro, es stehen in diesem Jahr 19 Millionen bereit, und im nächsten Jahr 20 Millionen. "
Summen, die am besten nicht über lang, sondern möglichst über kurz durch den Kulturtourismus zurückfließen mögen, deshalb wird heute gebaut und natürlich gezahlt…
"Und wie Sie sagen – es ist eine Investition auch in die Zukunft. "
Übrigens – weit über 90 % sächsische Firmen bauen hier gemeinsam etwas auf – aus gutem Grund, wie Bau-Chef Ludwig Coulin, unterstreicht…
"Hier beim Ausbau des historischen Grünen Gewölbes haben wir auf die Baukünstler zurückgegriffen, die den sächsischen Barock in seiner höchsten Form beherrschen können, das ist eine Meisterschaft - und hier arbeiten wir mit den besten Handwerkern. Und die kommen jetzt aus Sachsen. "
Dabei weiß der Stuttgarter Architekturdiplomingenieur, dass dieses Können nicht von Heute auf Morgen entwickelt wurde und fügt hinzu…
" Es wurde beispielhaft restauriert zu DDR-Zeiten. Ich erinnere nur an die Semperoper. Das war die Sensation in den 80-er-Jahren als die eröffnet wurde. Und über dieses Wissen, dieses Erfahrungswissen verfügen wir hier in Dresden. Und natürlich gebrauchen wir das auch. Wir haben keine Alternative dazu."
Und wenn man dann dieser Tage an einem ganz bestimmten Punkt des Residenzschlosses angelangt ist, muss man wohl und gar nicht so übel zur Komparation ansetzen… Highlight, Hightech, Grünes Gewölbe …
"Ja, ich sag immer, wie haben drei Grüne Gewölbe. Wir haben im ersten Obergeschoss/Westflügel das moderne Grüne Gewölbe. "Modern" deshalb, weil die Gestaltung der Wände, Böden, Vitrinen modern sind (ist). Insbesondere die Lichtgestaltung ist sensationell modern und dient ausschließlich dem Exponat.
Im Historischen Grünen Gewölbe, in dem wir stehen, finden wir natürlich die Fassung von 1733, und wir haben uns alle Mühe gegeben, die Technik nicht zu sehen. Deshalb gibt's unter dem Historischen Grünen Gewölbe das Technische Grüne Gewölbe. Das ist fast so groß wie das Historische Grüne Gewölbe. "
Hier also Lüftungsmaschinen für das gute Betriebsklima, Trafos - praktisch die gesamte Technik. Das Hightech-Moment ausgerechnet im Historischen Grünen Gewölbe - denn hier ist das Museum zugleich die Gesamtvitrine – d.h.: Das heißt – der Besucher ist in der Vitrine!
"Ja, richtig! Hier im Historischen Grünen Gewölbe wird das Besuchererlebnis sein wie 1733, und um das zu ermöglichen, muss der Besucher praktisch in die Vitrine eintreten, weil: Die Exponate stehen ihm unmittelbar vor Augen…"
Auf der Eintrittskarte stehen der Preis - noch gibt’s da keine konkreten Vorstellungen - das Datum und die Uhrzeit – die Unpünktlichen der jeweils 120 Vorgemerkten haben Pech. Und wer dann das barocke Zeitalter betritt, wird zunächst in Schleuse 1 des Sicherheitssystems von der Gegenwart entstaubt – Experten meinen, dieses Kontrollsystem sei wie eine Zwiebel mit 7 Häuten, sodass möglicherweise an der letzten und siebenten Schleuse gesagt werden könnte: "Legen Sie doch bitte den geschnitzten Kirschkern wieder an seinen Platz zurück…"
"Also, es ist sicher so, dass wir uns sehr viele Gedanken machen über die Sicherheit, weil: Der Freistaat ist Selbstversicherer. Also der Versicherungsfall darf und kann nicht eintreten. Und nach menschlichem Ermessen wird er auch nicht eintreten. "
Eintreten sollte man ins Dresdener Residenzschloss – warum nicht schon ab Sonnabend bis weit in den Herbst hinein in das erste hochkarätige Objekt der Denkmalpflege-Ausstellung ZeitSchichten, dort zum Greifen nah – und manch’ Freund großartiger baulicher Zeugen der Vergangenheit wird sagen…
"Wir wollen unsere Ehre darin suchen, die Schätze der Vergangenheit möglichst unverkürzt der Zukunft zu überliefern…"
…und er wird zugleich, möglicherweise anerkennend schmunzelnd, resümieren…
"Die Welt, die dreht sich um die Achse. Und an der Kurbel sitzt ’n Sachse. "
Georg Dehios: "Was uns die Kunstgeschichte nach ihrem Teil vom historischen Lebensinhalt unseres Volkes zu sagen hat, sagt sie zumeist durch die Denkmäler. Von ihnen geht die Betrachtung aus, zu ihnen kehrt sie zurück. "
…und das dieser Tage nach Dresden - zu einem "Diamanten" sächsischer Geschichte, denn genau hier gab es vor bereits 105 Jahren den ersten "Tag für Denkmalpflege", auf dem Georg Dehios Konzept des berühmten, heute exakt 100-jährigen "Handbuchs der Deutschen Kunstdenkmäler" nach langer Diskussion beschlossen wurde…
Georg Dehio, der Initiator des Handbuchs, gilt als der Gründervater moderner Denkmalpflege – und so ist es kein Zufall, dass sich die große Denkmalpflegeausstellung "ZeitSchichten" vom 30. Juli bis 13. November auf Sachsens ältester, schönster und … teuerster Baustelle präsentiert: Im Residenzschloss Dresden, zugleich DEM Exponat Nummer 1 – Kuratorin Dr. Ingrid Scheuermann…
"Ich denke, das macht Sinn, weil man in diesen wunderbaren Räumen vieles sehen kann, was man theoretisch so gut wie gar nicht vermitteln kann. Wir sehen originale Substanz, wir sehen Reste von Bauzier, wir sehen aber auch die Reste und Überbleibsel der Zerstörung des Schlosses und sehen und erleben das Schloss in einem Zustand vor der Restaurierung und der Teilkonstruktion dieser Räume. Ich glaube, viele Dresdener und viele Leute aus Sachsen kennen diese Räume überhaupt nicht, und das ist ein Erlebnis, diese Räume erfahren zu können."
Dresden und sein Schloss… Die Dresdener und ihr Schloss…
"Wir konservieren ein Denkmal nicht, weil wir es für schön halten, sondern weil es ein Stück unseres nationalen Daseins ist…"
So Georg Dehio. Im besten Falle – und ganz sicher liegt dieser Fall im Herzen der Elbmetropole vor – können sich dabei Schönheit und – sagen wir mal einfach: Für etwas Besonderes "da sein" - durchaus ergänzen, so beeindruckt es die verdienstvolle Schlossführerin Renate Richter insbesondere…
" …dass sehr Viele von großem Stolz auch hier arbeiten, sehr motiviert sind und das eigentlich auch als die Krönung ihres Berufslebens betrachten, hier mitarbeiten zu dürfen. Und das ist eigentlich eine wunderschöne Situation, die man doch sehr selten erlebt."
Womit wir – salopp gesagt – schon bei den "Aktiven" sind, oder können wir zur Abwechslung gar "Aktivisten des Wiederaufbaus" sagen – dazu der Chef des Staatsbetriebes Sächsisches- und Immobilienbaumanagement, Ludwig Coulin…
"Also, die ersten Planungen, die sind schon unmittelbar nach der Katastrophe aufgestellt worden. Ich erinnere an die berühmte Diplomarbeit von Professor Glaser, der hier schon in den 60-er-Jahren sich um den Wiederaufbau verdient gemacht hat, wie überhaupt die Dresdener Bürgerinnen und Bürger eigentlich dieses Schloss sehen wollen wie auch die Frauenkirche…"
…Renate Richter, Dresdener Bürgerin…
"Es waren immer wieder Menschen zur Stelle, die immer wieder gesehen haben, wie können wir das über die schwere Zeit hinweg heben, damit dieses Schloss uns erhalten bleibt, bis es dann Ende der 60-er-Jahre soweit war, dass es wirklich dann feststand, dass das Schloss nicht abgerissen wird, und dann konnte man schon wieder nach vorne schauen. Und dann kommt eigentlich schon wieder die neuere Zeit, wo man Planungen gemacht hat, was kann eigentlich hier hinein…"
Apropos "Planungen"… Während sich die Ausstellung ZeitSchichten in der noch nicht abschließend restaurierten Raumfolge des Nordflügels sowie in den ehemaligen Paraderäumen Augusts des Starken im Westflügel im zweiten Obergeschoss präsentiert, fällt der Blick des heutigen Besuchers insbesondere auf den Ostflügel - er ist jetzt der letzte noch zerstörte Teil …ruinös, gebrochen aus Zeitschichten bestehend. Im ganz Tiefen, im Grunde: Archäologische Funde, älteste Teile des Schlosses, darüber mittelalterliche Gewölbe, aufgehende Mauern aus mehreren Zeiten bis hin zum Beginn des 20. Jahrhunderts…
" Das Residenzschloss ist ja vom letzten König noch mal zur Feier der Wettiner gründerzeitlich überformt worden. Und so ist es dann am 13. Februar zerstört worden. Das alles findet man da - mehr oder weniger natürlich. Weg ist die Innenarchitektur. Am besten erhalten - das muss man wissen: Das Haupttreppenhaus, die so genannte, berühmte englische Treppe aus der Zeit des Barock, über die auch der berühmte August gelaufen ist…"
Professor Peter Kulka, sein Architekturbüro Kulka & Partner in Dresden und Köln gewann das Auswahlverfahren "Ostflügel", an dem sich 78 Büros beteiligt hatten.
Vom Kleinen Schlosshof über die Englische Treppe bis zum Hausmannsturm erstreckt sich horizontal das Areal, für das Peter Kulka, den Wiederaufbau plant. Vertikal reicht es von den archäologischen Resten der so genannten "Kemenate" unterm Großen Schlosshof bis zum Riesensaal im zweiten Obergeschoss.
Es ist der älteste und zugleich sensibelste Schlossteil – genau hier wird sich das Bauensemble mehr als 60 Jahre nach seiner Zerstörung wieder komplettieren.
Und das zugleich in einer Verflechtung der Museen der Staatlichen Kunstsammlungen - im Zusammenwirken von technischen und Service-Funktionen.
Das Können des gebürtigen Dresdeners, der seine Stadt zu DDR-Zeiten gen Westen verlassen musste, hat die Verantwortlichen im Freistaat längst überzeugt, dennoch bleibt manche Idee umstritten – so sind nicht alle Beteiligten glücklich, dass er beispielsweise den Riesensaal im 2. Stock "seines" Ostflügels gar nicht rekonstruieren will… und doch soll es ein Glanzstück werden…
"Man musste sich ja entscheiden, was baut man wieder auf? Es gibt eine barocke Fassung, es gibt eine mittelalterliche Fassung - gleichwohl bin ich kein Rekonstrukteur, das weiß man. Ich bin ein moderner zeitgenössischer Architekt, und ich werde jede Gelegenheit nutzen, um mit der neuen Aufgabe "Schlossmuseum" - da wo es angebracht ist und in Abstimmung mit dem Bauherrn und der Denkmalpflege - auch ein zeitgenössisches Zeichen zu setzen. Dazu gehört auch der Riesensaal. Es ist so, dass wir diesen Riesensaal in seiner Geometrie herstellen werden, aber - er wird auch ein neuer, moderner, grandioser Saal werden. Ich hoffe, er wird so schön werden wie der alte Riesensaal auf seine Weise.
Und ich glaube, da muss man gar nicht groß erklären, dass es dann natürlich eine wunderbare Aufgabe ist, wenn man an einem solchen Projekt mitwirken kann. "
Und Peter Kulka möchte, dass sich die Gäste des Schlosses zukünftig in dem Labyrinth der Räume des einstigen Wohnschlosses der Sächsischen Herrscher, das jetzt den Anforderungen eines Museums gerecht werden muss, "zu Hause fühlen" und vor allem wettergeschützt orientieren (!) können… Und so setzt er mit seiner Zeitschicht dem Kleinen Schlosshof als zukünftig zentralem Eingangsbereich die Krone und zugleich ein Dach auf: Nämlich ein Luftkissendach, auch aus Rauten. Man muss sich das wie eine Steppdecke vorstellen, transparent, nicht transluzent wie das Stadion in München, das man ja kennt, auch mit einer ganz anderen Konstruktion. Und so wird Dresden eine…quasi eine leichte Kuppel bekommen, oder ein "Kissen", das nachts leuchtet…
Sehr schön das Bild. Wenn man auf Dresden zufliegt, wird es mitten im Herzen - das Schloss liegt ja genau im Herzen der Stadt - einen hellen Lichtfleck geben, eine transparente Lichtfläche - und das ist das Wertvollste: Das ist die Schatzkammer Dresdens.
Trotz manch heftiger, zumeist fachlicher Auseinandersetzung kennt Dresdens Schlossarchitekt genauestens den gerade in Sachsens Hauptstadt alle einenden Willen – nämlich hier eine verehrte Ruine über die Zeiten zu retten, um dann tatsächlich etwas Großartiges zu schaffen…
"Es ist ja wichtig auch, dass die Bevölkerung mitgenommen wird. Man ist zur rechten Zeit an die Öffentlichkeit gegangen, man hat es erklärt, und es hat auch durchaus Zustimmung gegeben. Also, ich fand's dann faszinierend - ich hab ja einen Vortrag gemacht in den Kunstsammlungen, und da sind Dresdener aufgestanden und haben gesagt: "Die Kuppel ist noch zu flach!" Da kam plötzlich der Satz: "Sie könnte ruhig noch drei, vier Meter höher sein, man darf sie sehen!" Ja. Und davon lebt natürlich so was. "
Georg Dehio mahnte vor 100 Jahren…
"Den Raub der Zeit durch Trugbilder ersetzen zu wollen, ist das Gegenteil von historischer Pietät. Wir wollen unsere Ehre darin suchen, die Schätze der Vergangenheit möglichst unverkürzt der Zukunft zu überliefern, nicht, ihnen den Stempel irgendeiner heutigen, dem Irrtum unterworfenen Deutung aufzudrücken. "
Doch gerade in Dresden fügten viele Baumeister im Laufe der Jahrhunderte ihre ZeitSchicht hinzu. Und gegen Qualität, die der Aura des Denkmals gewachsen ist und sich in den Dienst eines modernen Museums stellt, gibt es eigentlich keine Einwände…
Was Historizität in der Innenausstattung des Schlosses für die Mitarbeiter bedeutet, schildert Chefrestaurator Hans-Christoph Walter im Grünen Gewölbe…
"Das Besondere ist, dass wir so authentisch wie möglich arbeiten. Sowohl von der Materialzusammensetzung als auch von der Logistik her, Materialauswahl, Holzoberflächen, Steine, Fassungszusammensetzung - selbst die Goldlegierung haben wir nachgestellt. Wir lassen direkt Gold produzieren fürs Schloss. "
August der Starke hätte seine Freude, aber dafür kein Porzellan gehabt, jedoch auch Walter und seinen Mitarbeitern stellt sich die Frage – woran orientieren wir uns, um gerade hier authentisch zu sein?
"Zum historischen Grünen Gewölbe gibt es wenige Pläne. Es gibt den Plan,
den August der Starke gegengezeichnet hat für von Pöppelmann, dann gibt's Pläne um 1890 und um 1914. Und dann bricht’s schon zusammen. "
Also half nur jene Methode, die Walter mit "Bauarchäologie" benennt, Wandbefestigungspunkte, die relevant waren, suchen, in noch 5 von 8 Räumen vorhandene Ausstattung untersuchen, alte Fotobestände, beginnend bei 1894, auswerten…Ein großes Puzzle begann, alle Teile lagen irgendwo und vor allem durcheinander…
"Aber es gab immer besondere Entdeckungen, zum Beispiel haben wir Fotos gefunden, wo also Kunstwerke fotografiert waren, da waren im Hintergrund Teile von unseren Ausstellungsteilen sichtbar usw. Das galt es sozusagen aufzubereiten. "
Mit detektivischem Spürsinn berücksichtigte dann Architektin Stefanie Schubert sämtliche Befunde in ihren Handzeichnungen im Maßstab 1:10… So begann beispielsweise die Rekonstruktion im Juwelenzimmer, Messbilder wurden als Fotos 1:1 vergrößert, die Spiegelproduktion wurde ausgelöst…
"Und danach habe ich im Bauschutt Spiegelreste gefunden und konnte die drauflegen – die stimmen also Plusminus 0! Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat’s also so ausgesehen. "
Apropos Spiegel! Sie waren über Jahre – wie man sagt – ein "Reizthema"… Keinerlei modernes Glas ist in der Lage, auch nur annähernd eine barocke Wirkung zu erzielen. Denn heute wird kein Spiegel mehr mit giftigem Quecksilber beschichtet…
"Beim normalen, heute handelsüblichen Spiegel wird Silber verwendet. Das führt dazu, dass der Spiegel wesentlich heller ist. Er hat also einen Reflexionsgrad von ungefähr 98 %.
Das hängt etwas von der Glasdicke ab. Zum Vergleich – der Spiegel mit dem Quecksilber-Zinn-Amalgam hat ca. 60 % Reflexionsgrad, sodass er also etwas dunkler, etwas grauer erscheint. Das ist also eine etwas dunklere Farbe. Und er hat natürlich dann in dem Grünen Gewölbe eine ganz andere Wirkung als ein neuer Silberspiegel. "
Steffen Noack, Spiegelmacher in Weißwasser, stellt unter strengstem Gesundheitsschutz dennoch maßgeschneidert und in der Technologie des frühen 18. Jahrhunderts gut 450 Quadratmeter barocke Spiegelfläche her – für uns in knapp 30 Sekunden…
"Also, im Grunde ist es so, dass man auf einer Steinplatte, auf einer Marmorplatte, ein Stanniol, eine Zinnfolie ausbreitet, die dort glatt streicht, eventuelle Falten usw. beseitigt. Dann kommt etwas Quecksilber auf das Stanniol, das Quecksilber wird also mit dem Stanniol verbunden. Wenn das erfolgt ist, wird eine größere Menge Quecksilber drauf geschüttet, so ungefähr vier bis fünf Millimeter Höhe. Danach wird dann die Glasplatte in den Beleg hinein geschoben. Das Ganze beschwert mit Gewichten bzw. mit Schraubzwingen. Und danach wird der Tisch geschwenkt, diese Marmorplatte wird geschwenkt, sodass überschüssiges, nicht reagiertes Quecksilber abfließen kann…"
Und danach muss der Spiegel trocknen, um nach etwa 6 Wochen, bearbeitet, geschnitten und ins Residenzschloss transportiert werden zu können, wo sich dann der Glanz der Schätze vervielfachen wird…
Und natürlich lebt gerade der Schlossinnenraum von seinen Farben und deren Spielen. An der einzigen Deckenbemalung im Juwelenzimmer - Maler Bernd Garte – nicht auf dem Boden, sondern somit an der Decke der Tatsachen, denn er arbeitet originalgetreu, wenngleich auch hier die Quellen eher spärlich sind…
"Also, da gibt’s nur ein farbliches Gouache, was sich im Landesamt für Denkmalpflege befindet, und das ist aus den 30-er-Jahren des 20. Jahrhunderts, und das ist der einzige Anhaltspunkt, wie die Raumfarbigkeit existiert hat. Also, dass an den Wänden, Schildbögen die Kaminfarbtöne waren und an den Gewölben hauptsächlich das Preußischblau, was also dann von den ganzen Vergoldungen der Malerei gerahmt wird. "
Kaseintempera und Blattgold…Farbreste im Pretiosensaal belegen die Richtigkeit, dass somit nur ganze zwei Räume entfernt in genau dieser Technologie gearbeitet werden kann… Und – was das Blattgold angeht – Malermeister Thomas Sturm vergoldet gerade einen massiven Kreidegrund, einen Schildbogen voller Rosetten – und das geht so…
"Na, zuerst muss der Kreidegrund auf das Holz aufgetragen werden, um überhaupt eine polierfähige Fläche zu bekommen. Dann wird der Kreidegrund geschliffen, Poliment aufgetragen – wie der Name sagt: ‚Polimentvergoldung’. Und dann wird mit ‚Netze’ das Blattgold eingeschlossen und später mit dem Achat poliert. "
Ein metallgriffelartiges, filigranes Werkzeug mit sichelförmigem Ende – der Achatstein, und so hört er sich an, wenn der Sturm poliert…
"Unter leichtem Druck…die Fläche…geglättet…immer höher…und da kommt immer tiefer Glanz zustande…"
Die Dialektik des Goldpolierers – unter seinen sensiblen Händen entsteht etwas, das aussieht wie massives Gold…in seinem engen Raum erinnert vieles an den einsamen Böttger, nur – das weiße Gold ist hier die Kreide, die den Korpus des Goldbrockens bildet. Bliebe noch die Einsamkeit…
"Ja, das ist das Los eines Vergolders…"
Vom Blattgold zum Geldschein ist es nur ein kurzer Weg zum Abteilungsleiter Staatsvermögen des Freistaats – zu Wolf Karl Reitner. Gelernter Diplomingenieur, Architektur hat er studiert, er weiß, wohin das Geld fließt…Und der Bauboom in Sachsen ist ungebrochen. Dennoch – die Mittel werden knapper…
"Es ist auf jeden Fall genug Geld da. Die Staatsregierung hat sich 1990 entschlossen: Das Schloss wird wieder aufgebaut, und damit ist auch die Finanzierung sichergestellt. Inzwischen kann man natürlich sagen, fällt einem das nicht mehr so leicht, aber inzwischen ist auch jedem klar, wie wichtig die Kultur für dieses Land ist! Das Dresdener Schloss mit seinen Exponaten muss sich hinter keiner Stätte der Welt verstecken. Jetzt kann man sich natürlich vorstellen, ich komm' aus dem Finanzministerium, so dumm sind wir auch nicht, wir erkennen das auch als Wirtschaftszweig, sag ich jetzt mal. "
Spätestens jetzt erinnert man sich an die verheerende Flut vor 3 Jahren…Die Stadt wurde touristisch gemieden – Kultur und in deren Gefolge die Wirtschaft litten, Arbeitsplätze waren gefährdet…Doch wenn die Kultur läuft in Elbflorenz, dann rollen auch die Buskarawanen aus aller Welt ins leuchtende Herz der Stadt…Insofern eine klare kulturelle Investition auch in eine gute wirtschaftliche Zukunft – wie viel kostet der Wiederaufbau des Schlosses konkret?
"337 Millionen Euro. Rechnen wir: Da ist noch nicht drin die Schütz-Kapelle, da ist noch nicht drin die Belletage… Da hat Milbradt schon vor vielen Jahren verkündet, das ist eine Generationenaufgabe! Es ist inzwischen verbaut die Summe von rund 180 Millionen Euro, es stehen in diesem Jahr 19 Millionen bereit, und im nächsten Jahr 20 Millionen. "
Summen, die am besten nicht über lang, sondern möglichst über kurz durch den Kulturtourismus zurückfließen mögen, deshalb wird heute gebaut und natürlich gezahlt…
"Und wie Sie sagen – es ist eine Investition auch in die Zukunft. "
Übrigens – weit über 90 % sächsische Firmen bauen hier gemeinsam etwas auf – aus gutem Grund, wie Bau-Chef Ludwig Coulin, unterstreicht…
"Hier beim Ausbau des historischen Grünen Gewölbes haben wir auf die Baukünstler zurückgegriffen, die den sächsischen Barock in seiner höchsten Form beherrschen können, das ist eine Meisterschaft - und hier arbeiten wir mit den besten Handwerkern. Und die kommen jetzt aus Sachsen. "
Dabei weiß der Stuttgarter Architekturdiplomingenieur, dass dieses Können nicht von Heute auf Morgen entwickelt wurde und fügt hinzu…
" Es wurde beispielhaft restauriert zu DDR-Zeiten. Ich erinnere nur an die Semperoper. Das war die Sensation in den 80-er-Jahren als die eröffnet wurde. Und über dieses Wissen, dieses Erfahrungswissen verfügen wir hier in Dresden. Und natürlich gebrauchen wir das auch. Wir haben keine Alternative dazu."
Und wenn man dann dieser Tage an einem ganz bestimmten Punkt des Residenzschlosses angelangt ist, muss man wohl und gar nicht so übel zur Komparation ansetzen… Highlight, Hightech, Grünes Gewölbe …
"Ja, ich sag immer, wie haben drei Grüne Gewölbe. Wir haben im ersten Obergeschoss/Westflügel das moderne Grüne Gewölbe. "Modern" deshalb, weil die Gestaltung der Wände, Böden, Vitrinen modern sind (ist). Insbesondere die Lichtgestaltung ist sensationell modern und dient ausschließlich dem Exponat.
Im Historischen Grünen Gewölbe, in dem wir stehen, finden wir natürlich die Fassung von 1733, und wir haben uns alle Mühe gegeben, die Technik nicht zu sehen. Deshalb gibt's unter dem Historischen Grünen Gewölbe das Technische Grüne Gewölbe. Das ist fast so groß wie das Historische Grüne Gewölbe. "
Hier also Lüftungsmaschinen für das gute Betriebsklima, Trafos - praktisch die gesamte Technik. Das Hightech-Moment ausgerechnet im Historischen Grünen Gewölbe - denn hier ist das Museum zugleich die Gesamtvitrine – d.h.: Das heißt – der Besucher ist in der Vitrine!
"Ja, richtig! Hier im Historischen Grünen Gewölbe wird das Besuchererlebnis sein wie 1733, und um das zu ermöglichen, muss der Besucher praktisch in die Vitrine eintreten, weil: Die Exponate stehen ihm unmittelbar vor Augen…"
Auf der Eintrittskarte stehen der Preis - noch gibt’s da keine konkreten Vorstellungen - das Datum und die Uhrzeit – die Unpünktlichen der jeweils 120 Vorgemerkten haben Pech. Und wer dann das barocke Zeitalter betritt, wird zunächst in Schleuse 1 des Sicherheitssystems von der Gegenwart entstaubt – Experten meinen, dieses Kontrollsystem sei wie eine Zwiebel mit 7 Häuten, sodass möglicherweise an der letzten und siebenten Schleuse gesagt werden könnte: "Legen Sie doch bitte den geschnitzten Kirschkern wieder an seinen Platz zurück…"
"Also, es ist sicher so, dass wir uns sehr viele Gedanken machen über die Sicherheit, weil: Der Freistaat ist Selbstversicherer. Also der Versicherungsfall darf und kann nicht eintreten. Und nach menschlichem Ermessen wird er auch nicht eintreten. "
Eintreten sollte man ins Dresdener Residenzschloss – warum nicht schon ab Sonnabend bis weit in den Herbst hinein in das erste hochkarätige Objekt der Denkmalpflege-Ausstellung ZeitSchichten, dort zum Greifen nah – und manch’ Freund großartiger baulicher Zeugen der Vergangenheit wird sagen…
"Wir wollen unsere Ehre darin suchen, die Schätze der Vergangenheit möglichst unverkürzt der Zukunft zu überliefern…"
…und er wird zugleich, möglicherweise anerkennend schmunzelnd, resümieren…
"Die Welt, die dreht sich um die Achse. Und an der Kurbel sitzt ’n Sachse. "