Geburtsort ehrt Georg Elser sehr spät
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Georg Elsers Ermordung im Konzentrationslager Dachau liegt 74 Jahre zurück. Elser hatte am 8. November 1939 ein Attentat auf Hitler verübt. Nun setzt sein Geburtsort Hermaringen dem Widerstandskämpfer ein Denkmal. Doch nicht alle waren dafür.
"Es ist bekannt, dass das das Wohnhaus der Mutter war. Es gibt Unterlagen und wurde von Elser auch so im Verhör ausgesagt, dass er in Kinder- und Jugendjahren mit seiner Mutter öfters bei den Großeltern, so einmal jährlich, zu Besuch war."
Hans-Dieter Diebold bückt sich und wischt Laub von einem Stolperstein auf dem Gehweg am Ortseingang von Hermaringen weg: "Hier wohnte Georg Elser" ist jetzt deutlich zu lesen.
"Georg Elsers Geburtshaus stand hier auf der Fläche, wo jetzt die ehemalige Tankstelle steht und ein heutiger Gebrauchtwagenhändler."
Mit über 15 Leuten hat sich der Hermaringer Gemeinderat Hans-Dieter Diebold in einer Projektgruppe zusammengeschlossen. Jahrelang beschäftigte sich die Runde aus Hermaringen unter anderem mit den Fragen, wo ein mögliches Denkmal für den Widerstandskämpfer stehen könnte und wie dieses gestaltet sein könnte. Die Projektgruppe beauftragte Studierende der Ulmer Hochschule für Kommunikation und Gestaltung, Ideen für ein Denkmal zu liefern.
"Von dort kamen dann, meine ich, sieben Entwürfe, die Projektgruppe hat sich da für zwei in der engeren Auswahl entschieden und dem Gemeinderat präsentiert. Das Ergebnis ist ab 4. November öffentlich zu sehen."
Bundespräsident Steinmeier übergibt Denkmal
Realisiert wurde der Entwurf der Studentin Nina Seliger aus Friedrichshafen. Das Denkmal, das Bundespräsident Steinmeier am kommenden Montag der Bestimmung übergeben wird, steht nun zentral vor dem Rathaus. "Ein Teil des Ganzen und doch anders" hat die junge Frau ihre Arbeit genannt.
Eine dunkelgraue wuchtige Betonplatte mit einem fensterartigen Ausschnitt steht einem viereckigen Holzblock gegenüber. Dieser Holzblock steht für Georg Elser und hat die Maße des Ausschnitts, der in der Betonplatte fehlt.
Jürgen Mailänder, Hermaringens parteiloser Bügermeister und auch Mitglied der Projektgruppe steht vor dem noch durch Bauzäune geschützten Denkmal und erklärt die Absicht der Studentin:
"Sie sagte, Elser war ja ein Teil des Ganzen, also des Volkes, aber er war doch anders. Dieser Beton soll wohl auch diese Glätte, diese vielleicht Stromlinienförmigkeit der damaligen Bevölkerung symbolisieren. Der Elser ist aus Holz, das ist einmal der Hinweis auf den Beruf Schreiner, aber Holz hat ja auch seine Eigenheiten, seine Ecken und Kanten, so wie vielleicht Elser auch war."
Lange Zeit ein fast vergessener Widerstandskämpfer
Am 4. Januar 1903 kommt Georg Elser im schwäbischen Hermaringen nahe Ulm zur Welt. Ein Jahr später heiratet die Mutter den im etwa 25 Kilometer entfernten Königsbronn lebenden Vater Ludwig Elser. Mutter und Kind ziehen zum Vater, wo Georg Elser aufwächst und viele Jahre seines Lebens verbringt.
Eine Gedenkstätte erinnert in Königsbronn an den Widerstandskämpfer, der heute als sogenannter Hitler-Attentäter seinen Platz in den Geschichtsbüchern gefunden hat.
Das ist dem Georg-Elser-Arbeitskreis Heidenheim zu verdanken. In den 1980er Jahren beginnt Gerhard Oberlader, Lehrer und Mitglied der Arbeitskreises, Schulbücher durchzuschauen. Siebzig Geschichtsbücher überprüft er:
"Und in einem einzigen Buch, der von mir angeguckten Bücher, in einem einzigen Buch von der Realschule kam eine halbe Seite über den Elser."
Der Arbeitskreis schreibt Verlage an, bringt 1989 ein eigenes Büchlein über den Widerstandskämpfer Elser heraus.
Elser, Schreiner hat er gelernt, gilt als ruhiger und doch geselliger Typ. Zither und Kontrabass spielt er und ist mit seinen Instrumenten auf Tanzabenden unterwegs. Die Frauen mögen ihn, und er mag die Frauen. 1930 wird er Vater eines Sohnes, die Mutter, eine Kellnerin verlässt er wohl für eine andere Frau. Elser ist zwar Mitglied beim kommunistischen Roten Frontkämpferbund, engagiert sich dort jedoch kaum. Den Nationalsozialismus lehnt er radikal ab, konsequent verweigert er den Hitlergruß. Im September 1938 ist er sicher: Ein Weltkrieg ist unvermeidbar. Er beschließt, Hitler und die NS- Führungsriege in die Luft zu sprengen. In diesen Plan weiht er niemanden ein.
Vorbereitung für Hitler-Attentat
Akribisch bereitet er ein Attentat vor. Am Abend des 8. November 1939 hält Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller eine Rede. Planmäßig explodiert dort um 21.20 Uhr ein von Elser gebauter Sprengsatz. Acht Menschen sterben, über 60 Verletzte gibt es. Hitler war früher als geplant abgereist und bleibt unbeschadet.
Bei seiner Flucht in die Schweiz wird Georg Elser noch am selben Tag festgenommen. Kurz vor Kriegsende, am 9. April 1945, wird der Widerstandskämpfer im Konzentrationslager Dachau hingerichtet.
Später diffamiert man ihn, stellt seine moralische Motivation in Frage. Bei der SS soll er gewesen sein, heißt es mancherorts, ausländische Geheimdienste hätten hinter dem Attentat gesteckt, auch diese Behauptung hält sich lange.
Elser von Historikern vernachlässigt
Heute achtzig Jahre nach dem Attentat im Münchner Bürgerbräukeller hat Georg Elser auch bei Historikern seinen Platz in der Geschichte gefunden. Noch vor der Jahrtausendwende haben Mitglieder des Georg-Elser-Arbeitskreises gerade Historikern vorgeworfen, sie hätten bei dem Widerstandskämpfer Elser total versagt.
Peter Steinbach, wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, räumte daraufhin das Versagen der Wissenschaft ein. Fortan unterstützte er die Arbeit der engagierten Leute von der Ostalb, die mittlerweile auch die Hermaringer zu einem Denkmal drängten. Lehrer Gerhard Oberlader:
"Georg Elser ist zwar in Hermaringen geboren, aber sein Geburtsort hat sich nicht sonderlich drum gekümmert. Und wir haben vom Georg-Elser-Arbeitskreis immer wieder einmal Druck gemacht."
Es gab auch Stimmen gegen das Denkmal
Doch in Hermaringen sind nicht alle begeistert. Von "alten Zöpfen" war damals die Rede, berichtet die Heidenheimer Zeitung. Man solle die Vergangenheit endlich einmal ruhen lassen. Und doch: Mit knapper Mehrheit ringt sich 2014 laut Bericht der Zeitung der Gemeinderat zu dem Beschluss durch, dass man ein Elser-Denkmal grundsätzlich "begrüße und unterstützte".
Keine Mehrheit fand der Vorstoß einiger Hermaringer vor einiger Zeit, eine Mehrzweckhalle nach Georg Elser zu benennen.
"Aber das war keine Entscheidung gegen Elser, sondern das war einfach eine Entscheidung zum Erhalt der Tradition. Die Güssen-Halle heißt schon immer Güssen-Halle und die hätten auch gegen Marlene Dietrich Halle gestimmt, sie wollten einfach keine Umbenennung. Zumal, so war der Tenor, ein großer Wunsch der Bevölkerung war, diese Güssen-Halle, die sich eingeprägt hat, einfach den Namen zu behalten."
Auf die Frage, wieso man sich gerade in der Heimat des Widerstandskämpfers so lange mit der Frage nach einem Denkmal beschäftigt hat, sagt Bürgermeister Mailänder:
"Für uns war es, glaube ich, nicht unbedingt wichtig, bis dato zumindest nicht unbedingt wichtig, mit einem Denkmal in dieser Art an Elser zu erinnern. Ich denke 35 Jahre Georg-Elser-Straße, das zeigt ja auch, dass man sich mit seinem berühmten Sohn schon früher einmal beschäftigt hat.
Und vielleicht hat man da auch nach dem Stolperstein zunächst einmal gedacht, das reicht für so einen kleinen Ort als Erinnerungskultur für den Georg Elser. Berlin ist ja auch größer, in München steht auch ein Riesending. Aber nichtsdestotrotz haben wir uns doch entschlossen dazu, doch noch hier am Rathausplatz etwas Zusätzliches zu machen."
Auch Auseinandersetzung mit heutigen Strömungen
"Die Zeit war jetzt reif", sagt Wolfgang Lindel, bis 1999 Gemeinderat in Hermaringen Auch er hat rund fünf Jahre im Arbeitskreis mitgewirkt. Dabei sei es zur Hälfte um Georg Elser gegangen und darum, wie man etwa in Vorträgen künftig an ihn erinnern kann:
"Und die anderen 50 Prozent und da geht es uns ja allen so, ist einfach, darauf aufmerksam zu machen für die Zukunft: Was ist geschehen? Und was ist gerade, sag ich, mit braunem Gesockse wieder im Gange! Das waren die Beweggründe."
So wird Bundespräsident Steinmeier bei seinem Besuch auf der Ostalb nächste Woche eine Gemeinde antreffen, die sich spät und doch noch rechtzeitig um das Gedächtnis ihres berühmtesten Sohnes bemüht.