"Eine gesamteuropäische Figur"
Paul Celan, der Dichter der "Todesfuge", starb 1970 in Paris − erst jetzt hat er dort ein Denkmal erhalten. Der Künstler Alexander Polzin schuf nach 17 Jahren beharrlicher Arbeit eine Bronzeskulptur, die im Herzen der Metropole steht.
17 Jahre hat es gedauert, bis Alexander Polzin seinen Wunsch, in Paris ein Denkmal für Paul Celan zu errichten, verwirklichen konnte. Dieser Wunsch war aus seiner Liebe zu den Gedichten Paul Celans entstanden, und jetzt steht die Skulptur da: mitten in der Stadt, im "Jardin Anne Frank", im Anne-Frank-Garten, schräg gegenüber vom Centre Pompidou, nicht weit vom Museum für Kunst und Geschichte des Judentums.
In diesen 17 Jahren waren 30 Reisen nach Paris nötig, aus eigener Tasche bezahlt, um Gespräche zu führen und Gespräche zu führen und Gespräche zu führen. Auf der Suche nach Geldgebern, möglichen Standorten und vor allem: politischer Unterstützung. Die französische Argumentation führte, vereinfacht ausgedrückt, entlang dieses Gedankens:
"Ah – Celan! Zweifelsohne ein ganz wichtiger Lyriker des 20. Jahrhunderts, aber zum Schluss ein auf deutsch, immer nur auf deutsch Schreibender. Warum sollen wir für die in Paris ein Denkmal errichten, bzw. eine Arbeit aufstellen? Wenn wir das für alle wichtigen Menschen, die je durch Paris gegangen sind, tun, dann sind unsere Bürgersteige voll mit Skulpturen."
Keine Straße, kein Platz trägt seinen Namen
Die deutsche Argumentation war zwar in der Sache wohlwollend, doch im Ergebnis ebenso unbefriedigend:
"Ja, ein wichtiger Lyriker der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts, vielleicht einer der wichtigsten, aber um Gottes willen: was haben wir mit einer Arbeit, die in Paris aufgestellt werden soll, zu tun?"
Doch Alexander Polzin blieb beharrlich:
"Das war für mich aber immer eher ein Ansporn, weil ich wollte es als eine europäische Figur verstanden wissen. Es ist immer die Rede von der deutsch-französischen Achse. Celan ist eine gesamteuropäische Figur: In Czernowitz, der heutigen Ukraine geboren, ein Opfer des Holocaust, aber in Paris gelebt und gestorben. Solche Figuren sind genau das, was wir für dieses kulturelle Gefäß Europa brauchen."
1948 war Paul Celan nach Paris gezogen, 28 Jahre alt, und er lebte dort bis zu seinem Tod 1970. Und doch, es ist mehr als erstaunlich: keine Straße, kein Platz in Paris trägt heute seinen Namen, nur ein Hörsaal – immerhin – wurde nach ihm benannt in der École Normale Supérieure, wo Paul Celan unterrichtete. An dieser öffentlichen Nichtwahrnehmung wollte Alexander Polzin etwas ändern, dieser Gedanke trieb ihn 17 Jahre lang an. Aus zwei Gründen:
"Dass es sich bei Celan um einen der wichtigsten Lyriker des 20. Jahrhunderts handelt, das sagen Menschen in allen Ländern, selbst die, die nur Übersetzungen seiner Lyrik lesen können. Auf der anderen Seite hat sich das für mich mit einer biografischen Beglaubigung verknüpft. Es gab dieses Diktum von Adorno: nach Auschwitz keine Gedichte mehr – und Celan ist das große Beispiel, was das versucht, Lügen zu strafen. Und das ist etwas, was uns bis heute betrifft; also insofern ist das hier nicht nur etwas, was versucht, an eine große historische künstlerische Persönlichkeit zu erinnern, sondern weiter die Frage stellt: Wie können wir angesichts von Katastrophen mit dem weitermachen, was wir tun?"
Ein Grab in den Lüften, da liegt man nicht eng
Alexander Polzins Bronzeskulptur besteht aus zwei Figuren. Eine stehende Frau, das Gesicht zu Haaren gewachsen, Haarflächen wie Flammen, die bis zum Knie reichen, der Leib und der Pfahl, an dem sie wie gefesselt steht, sind eins geworden; "dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng". Unweigerlich kommt einem Celans "Todesfuge" in den Sinn. Vor der Frau: ein Mann, er liegt; wie schreiend fasst er sich mit den Armen an den Kopf, die Arme werden dort zum Kopf, nur die Fußspitzen berühren den Boden, schmerzverkrümmt drückt der Mann den Rücken, den ganzen Leib, der wie ein Pfahl ist, so weit es geht, in die Höhe.
"Nach diesem langen Bemühen habe ich nicht das Gefühl eines Triumphes. Sondern es ist eher eine Empfindung von stiller Zurückgezogenheit… Ich bin froh, dass das jetzt hier steht. Ich kann Ihnen einen Moment schildern: Als wir es aufgestellt haben, wir sind hier in diesem Anne-Frank-Garten und hinten gibt’s einen Spielplatz. Und als es stand, sind 'ne ganze Menge Kinder mit ihren Eltern auch daran vorbeigekommen und die neugierigen, offenen, fragenden Kinderaugen, wie die diese Skulpturen angefasst haben und sich dem genähert haben: Das war ein Glücksmoment."
Zur Einweihung seiner Skulptur kamen Vertreter Frankreichs und Deutschlands, und auch der rumänische Botschafter war anwesend. So könnte aus dieser wahrlich beeindruckenden Mission des Alexander Polzin vielleicht auch dieses werden: Dass Paul Celan begriffen wird als Teil der europäischen Erinnerung.