Erinnern an polnische Opfer der NS-Herrschaft
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Sechs Millionen Polen kamen durch den deutschen Angriff und die Besatzung des Landes im Zweiten Weltkrieg um. Über 200 Bundestagsabgeordnete setzen sich nun dafür ein, in Berlin einen Gedenkort zu schaffen. Das Projekt findet Anklang auf polnischer Seite.
Florian Mausbach war bis 2009 Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung. Er hat das Gesicht der neuen Berliner Mitte als Architekt und Stadtplaner geprägt. Aber etwas fehlt ihm bis heute. Mausbach fehlt ein Ort der Erinnerung in Mitte. Er will ihn am Askanischen Platz, direkt an der Ruine des Anhalter Bahnhofs schaffen: ein Denkmal für die sechs Millionen polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs.
"Ich bin der Meinung, dass die beiden großen Nachbarn, Frankreich und Polen, besondere Nachbarn sind, mit einer tausendjährigen gemeinsamen Geschichte im Guten wie im Bösen. Es geht also nicht nur um den Zweiten Weltkrieg. Es geht darum, mit diesem Denkmal auch grundlegend mit den Polen ein gutes, freundschaftliches Verhältnis zu finden, so wie wir es mittlerweile mit Frankreich gefunden haben."
Zeichen des Mitgefühls mit den polnischen Partnern
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) unterstützt Mausbachs Initiative, ebenso Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und mit ihm 240 Bundestagsabgeordnete aus allen Fraktionen – außer der AfD. Es geht um ein Zeichen des Mitgefühls mit den polnischen Partnern jenseits von Oder und Neiße – in der Erinnerung an den Vernichtungsfeldzug der Deutschen und die brutale Besatzung des Landes.
Viele polnische Nachbarn stimmen der Idee zu. Malgorzata Bochwic-Ivanovska, Direktorin des Polnischen Instituts in Berlin, sagt, es fehle noch ein Symbol der deutschen Empathie mit dem polnischen Volk. "Ich finde, diese Besatzung war wirklich ganz besonders: Sie hat vom Anfang bis zum Ende des Krieges gedauert und war auch sehr, sehr grausam. Unter anderem aus diesem Grund finden wir, dass die Polen so ein Denkmal verdient haben."
Initiator Florian Mausbach hält den Askanischen Platz für den geeigneten Ort – nicht weit von der Ausstellung über die "Topographie des Terrors" und gegenüber vom Deutschlandhaus. Dort entsteht das Dokumentationszentrum der "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung", wo auch der Leiden der aus den deutschen Ostgebieten Vertriebenen gedacht werden soll.
"Was ist, wenn ein Pole durch die Berliner Mitte geht, das sowjetische Ehrenmal sieht, das Holocaust-Mahnmal. Und dann kommt er zum Zentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung und sieht sich als Pole nur als Täter, aber nicht als Opfer."
Hilfreich für deutsch-polnischen Beziehungen
Diesen Vorschlag findet auch Frau Bochwic-Ivanovska passend. "Ich meine, ohne den Zweiten Weltkrieg gäbe es die Vertreibung nicht. Ich persönlich finde das einen guten Standort."
Gerade heute, meint die Direktorin des Polnischen Instituts in Berlin, wäre die Errichtung eines Denkmals hilfreich für die deutsch-polnischen Beziehungen. Immer wieder fordern Vertreter der polnischen Regierung Reparationszahlungen für die Schäden des Zweiten Weltkriegs in Polen.
Florian Mausbach meint, das Denkmal in Mitte könnte auch diese Debatte beruhigen: "Ich glaube, dass diese Reparationsdebatte weniger zum Hintergrund hat, dass man wirklich Geld erwartet – sondern dass die Deutschen endlich anerkennen, was sie den Polen angetan haben."
Bürgerrechtler Meckel ist gegen das Denkmal-Projekt
Es gibt allerdings auch Gegner des Projekts. Zu den Prominenten unter ihnen zählt der Theologe Markus Meckel, einst Bürgerrechtler in der DDR, und ihr letzter Außenminister. "Wenn ich ein polnisches Denkmal mache, komme ich gar nicht umhin, dass ich auch ein Denkmal für die belorussischen, die ukrainischen, die russischen Opfer mache. Und ich komme dann sofort irgendwann in die zynische Frage: Machen wir in Deutschland nur ein Denkmal, wo die Opfer nach Millionen zählen?"
Meckel wehrt sich gegen die "Nationalisierung des Gedenkens". Er schlägt vor, ein Dokumentationszentrum zur Erinnerung an den Vernichtungskrieg der Deutschen im Osten zu bauen.