Die armen Schwestern brauchen Geld
Nach dem Selbstmord des österreichischen Kronprinzen Rudolph 1889 stiftete Kaiser Franz Joseph ein Kloster am Ort des Blutvergießens. Mittlerweile geht dem Karmel das Geld aus, und die Nonnen sammeln Geld für den Erhalt des Klosters.
Eine asiatische Reisegruppe geht durch den Schlosspark auf die Kapelle des Karmel Mayerling zu. Eine kurze Fotopause, dann steigt die Gruppe wieder in den Bus, ohne die Kapelle und die angeschlossenen Schauräume von innen gesehen zu haben – so sparen sich die Besucher das Eintrittsgeld. Das passiert immer öfter, sagt die Priorin des Karmels, Schwester Regina, die seit fast einem Vierteljahrhundert hinter den Klostermauern von Mayerling lebt. Abgeschieden von der Welt, führen die zehn Karmelitinnen ein Leben in Armut und Gebet. Interviews sind für sie ein Gräuel, doch nun muss es sein, denn das Kloster verfällt.
Schwester Regina: "Es ist schlechter geworden, die Feuchtigkeit greift mehr um sich, und wir haben auch Schimmel im Haus, und das kann man nicht so belassen, einfach schädlich für die Gesundheit. Wir haben in den Zellen kein Wasser, das ist korrekt, und auch die Gänge sind ungeheizt, es ist schon eine härtere Lebensweise. Es ist einfach schwierig, wenn das Haus so groß ist, so feucht ist. Es ist schon kalt, aber das Hauptproblem ist einfach die Gesundheit, da muss man Sorge tragen."
Leben am Ort der Tragödie
Von außen wirkt das alte Jagdschloss durchaus vorzeigbar, und auch das Dach der Kapelle, die Kaiser Franz Joseph I. - nach entsprechendem Umbau des Schlosses - genau an der Stelle errichten ließ, wo Sohn und Geliebte starben, ist neu gedeckt. Doch in den kargen Fluren des Klosters und in der Kapelle selbst bröckelt der Putz, hat sich Schimmel gebildet, denn geheizt wird hier nie. Und an einen anderen Ort auszuweichen, das ist für die Schwestern aus Ungarn, Österreich und Deutschland, die hier leben, undenkbar.
Schwester Regina: "Nein, dann wären wir nicht mehr authentisch, weil, wir leben hier am Ort der Tragödie. Und der Kaiser Franz Joseph hat bewusst gewollt, dass wir Schwestern sind, die beten und eben nicht nur für den Kronprinzen Rudolph, sondern, dass dieser Ort - der Tragödienort, ein schwerer Ort, ein düsterer Ort - ist jetzt ein Ort geworden der Ruhe und der Stille und des Friedens. Und wir beten für alle Menschen, die Hilfe brauchen und in Not sind, man kann zu uns kommen und schreiben."
Doch zu wenige kommen, und nicht alle sind bereit, die drei Euro Erhaltungsbeitrag zu bezahlen. Das soll nun anders werden: Der Schlosspark soll umzäunt, ein Besucherzentrum gebaut werden, Toilettenanlagen, ein neuer Parkplatz. Die Schauräume sollen modernisiert werden.
Frau: "Honig, Kerzerl mit echte Blumen, Bücherl um 1,50, Karmelitengeist (lacht). Lippenpflege geht sehr gut, das ist Natur, Propolis und Honig."
"Die Touristen erwarten sich viel mehr"
Eine alte Frau aus dem Dorf verkauft hinter ihrem Holztresen bescheidene Klostersouvenirs, ehrenamtlich. So altmodisch wie der Klosterladen wirken die Stellagen, auf denen die Ausstellungsstücke von Mayerling präsentiert werden. Und wenn die Theologie-Studentin Anna-Lena Fahrecker sich nicht so leidenschaftlich für den Karmel einsetzen würde, müssten die Priorin und ihre Mitschwestern sich gänzlich auf ihre Gebete verlassen, um an die Spendengelder zu kommen, die so dringend benötigt werden. Fahrecker führt durch die Schauräume:
„Das ist der alte Teppich aus dem Schlafzimmer, da war früher Blut drauf, das war wirklich der Teppich. Wenn er sprechen könnte, wie's wirklich war ... Die Stiftungsurkunde ist auch sehr wichtig, die befindet sich hier, mit den 140.000 Gulden, davon gibt's natürlich nichts mehr, deshalb brauchen wir ja Hilfe. Es ist alles sehr schön, nur dass ein Tourist, der aus der Türkei beispielsweise kommt, das sind ja viele, oder aus Ungarn, die kommen her und erwarten sich viel mehr. Die denken an Monarchie und Prunk, und wenn man in andere Museen geht, Multimediadarstellungen, Kopfhörerführungen - das gibt’s alles nicht. Und die bringen alle ihre eigenen Führer mit!“
An die Ausstellungsräume schließt sich die Kapelle an. An einer Altarseite: ein Gitter, hinter dem die Schwestern den täglichen Gottesdienst verrichten, unsichtbar für die Besucher.
Anna-Lena Fahrecker: "Hier befinden wir uns an der Stelle der Tragödie. Genau dort stand das Bett, wir sind im alten Schlafzimmer. Und hier ist der Altar gebaut worden. Warum? Was wird am Altar gefeiert? Das Erlösungsopfer, Christus am Kreuz ist für unsere Sünden gestorben, um uns zu erlösen von allem Leid, von allem Schmerz, und natürlich ist das eine außerordentliche Symbolik."
800.000 Euro sollen die Schwestern aufbringen
Was machen die Schwestern mit dem vielen Geld, bekommt die junge Frau oft zu hören. Warum machen sie die Führungen nicht selber? Da brauche es schon viel Geduld und Behutsamkeit, um zu betonen, dass die 1,6 Millionen Euro für den Umbau nicht den Schwestern zugute kommen, sondern dem Erhalt von Mayerling. Und ohne Umbau keine Zuschüsse, so die Auflage des Landes Niederösterreich. Das Land will die Hälfte der Kosten übernehmen, die Schwestern müssen nun 800.000 Euro auftreiben. 80.000 haben sie schon. Es sind Summen, die in keinem Verhältnis zu ihrer Lebensweise stehen.
Anna-Lena Fahrecker: "Ich hab mal in einem Gespräch mitbekommen, da hab ich auch gedacht: Wahnsinn, was für uns so normal ist, da hat jemand gefragt: Und, was spendet man denn so? Was sind besondere Geschenke? Und dann hat Mutter Priorin gesagt: Da hat mal jemand Fruchtjoghurt mitgebracht, hm, das war gut."