Selbstvertrauen steigern durch Bewegung
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Wie kann man mit Bewegung Demenz einschränken? Die Deutsche Sporthochschule Köln will das mit ihrem Denksport-Projekt herausfinden. Die ersten Ergebnisse zeigen: Es kommt nicht auf die Intensität, sondern auf die Häufigkeit von Sport an.
"Unsere zentrale Frage war die: Was ist mit Menschen, die schon am Rande einer Demenz stehen? Können wir hier über ein regelmäßiges Sport- und Bewegungsprogramm das Fortschreiten der Erkrankung beeinflussen?"
Die 78 ausgewählten Senioren wurden in drei Gruppen aufgeteilt.
"Wir haben eine ausdauerorientierte Gruppe gehabt, wir haben eine Gruppe gehabt mit Gymnastik, kleine Spiele, wo die Belastungsintensität deutlich niedriger war, weil unsere initiale Überlegung war die, dass die Belastungsintensität eine Rolle spielt."
Während diese beiden Gruppen von Studenten, Doktoranden und Hilfskräften der Sporthochschule intensiv betreut und begleitet wurden, erhielt die Kontrollgruppe nur wenig Intervention.
Abwechslungsreich und schweißtreibend
Für das Ehepaar Adam, vor Jahren Leistungssportler im Standardtanz, kam das Denksport-Projekt gerade recht. Aufgrund von Verletzungen hatten die beiden lange auf Sport verzichten müssen. Willi ist 80 Jahre alt und Lieselotte Adam 81.
"Und dann hab ich gesagt, das tut uns ja auch gut, die Altersvergesslichkeit fängt langsam an und wenn wir jetzt dahin gehen, gucken wir mal, vielleicht ist es ja was für uns."
Die Adams sind begeistert. Das Programm ist abwechslungsreich und durchaus schweißtreibend.
"Wie heißt diese tänzerische Geschichte, die wir mit der Pia da machen?" - " Aerobic." - "Also so ′ne Art Aerobic, und beim nächsten Mal sind wir dann mehr an Geräten und dann wieder Zirkeltraining. Das ist also etwas, was viel schöner ist, aus meiner Sicht, als wenn ich in so ′ne Muckibude gehe."
"Und es ist interessant auch, das Denken beim Sport, das heißt, wir gehen in der Runde, dann heißt es, nach jedem dritten Schritt das rechte Knie hoch und die linke Schulter rückwärts kreisen, zwei drei Dinge auf einmal machen. Rechts das Knie hoch, links anfersen oder all solche Sachen, die dann zusammenkommen."
Mut zum Rausgehen
Neben der Freude an der Bewegung ist das Zusammensein mit anderen eine große Bereicherung. Es wird viel gelacht und geht sehr locker zu. Immer wieder treffen sich die Senioren auch zum gemeinsamen Feiern und geselligen Beisammensein.
So verwundert auch nicht, dass Professor Stefan Schneider in der Ergebnisanalyse der Studie vom Sport als Mittel zum Zweck spricht.
"Also dadurch, dass ich zweimal oder dreimal in der Woche Sport mache für 45 Minuten, passiert da oben im Gehirn nicht wirklich so viel." Das Entscheidende sei, dass die Menschen wieder Selbstvertrauen bekommen hätten, körperliches Selbstvertrauen. "Sie sind fit geworden, sie wissen, ich kann mich wieder frei im Umfeld bewegen. Sie haben Mut bekommen, wieder in die Welt raus zu gehen, gesellschaftliche Partizipation zu leben, also am reellen Leben teilzunehmen. Und genau das hat letzten Endes den großen Effekt."
Lebensqualität steigt
Die Testergebnisse nach einem Jahr zeigten, dass weniger die Intensität der sportlichen Bewegung entscheidend ist, als vielmehr die Häufigkeit und Regelmäßigkeit.
"Wir finden bei denjenigen, die regelmäßig da waren, das heißt mindestens zweimal in der Woche teilgenommen haben, eine deutliche Verbesserung des subjektiven Wohlbefindens." Die Lebensqualität sei gestiegen, berichteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. "Die kognitive Leistungsfähigkeit ist gestiegen und natürlich ist auch die körperliche Fitness gestiegen."
Wichtig ist dabei aber auch die intensive, nachhaltige Betreuung, dass sich jemand um die Senioren kümmert, sie animiert und motiviert, damit sie bei der Stange bleiben. Hier sind Sportverbände und Vereine mit speziellen Angeboten für Ältere gefordert. Aber, so der promovierte Theologe Stefan Schneider, auch die Kirchen.
"Mein Vorschlag wäre, also nicht nur beten, nicht nur irgendwelche Kirchenkreise, sondern tatsächlich wirklich auch Sportangebote, vielleicht in Kooperation mit den lokalen Sportvereinen." Denn das seien diejenigen, die direkt an die Menschen drankämen.
Bewegung trotz Corona
Für Willi und Lieselotte Adam gehört das Kölner Denksport-Projekt inzwischen jedenfalls zum Lebensalltag wie das tägliche Brot.
"Ich denke mal, wenn ich seit 2016 nichts gemacht hätte, dann wäre ich heute auch nicht mehr so gut zu Fuß".
"Ich für mich kann sagen: Mir hat der Sport gut geholfen, nicht abzubauen."
In der Coronazeit vermissen die Adams die wöchentlichen Treffen in der Gruppe. Immerhin aber kommen die Bewegungsangebote regelmäßig per Mail ins Haus.
"Ich hab von den Balkonmöbeln die Auflagen runter genommen, die kommen dann auf den Boden und dann geht das los. Manchmal sind dann auch die Bilder dabei, wie man das machen soll, die machen das sehr gut, die Studenten, und das ist einfach toll."