Der alte Mann und das Buch
Die Buchhandlung Kiepert in Berlin hat zwei Weltkriege überstanden und drei Generationen erlebt. Dann kamen Hugendubel und Amazon - und die Insolvenz. Robert Kiepert aber, der mehr als 40 Jahre das Geschäft geleitet hat, will nicht aufhören. Mit 84 fährt er noch jede Woche Bücher aus.
Der Audi parkt vor der Tür. Robert Kiepert steht noch im Laden, einen schmalen roten Band in der Hand: die Chronik der Buchhandlung Kiepert. Er schlägt ihn auf und streicht geduldig mit einem Finger über ein Eselsohr, bis die Ecke wieder glatt ist.
"Das war früher noch ganz anders, als am Ernst-Reuter-Platz allein 160 Mitarbeiter waren. Wir hatten dann noch etliche Läden aufgemacht."
Der Band erzählt auf feinem Papier die Geschichte der Buchhandlung. Abgebildet ist das Haus Hardenberg im Berliner Stadtteil Charlottenburg, ein imposanter Neubau von 1955, in dem der Vater die Buchhandlung nach dem Krieg wiedereröffnete. Damen trugen damals noch Hut. Ein paar Seiten weiter: Robert Kiepert beim 50. Firmenjubiläum an einem gedeckten Kaffeetisch. Sein Haar ist dicht und dunkel, tief gescheitelt. Er blickt direkt in die Kamera, strahlt wie heute einen starken Willen aus. Damals studiert er noch Landwirtschaft, aber der Vater bittet ihn, Buchhändler zu werden.
"Ich habe das überhaupt nicht bereut, ich war froh, dass diese Wende stattgefunden hat, denn es ist so vielfältig und so anregend, und auch der Umgang mit vielen Menschen, den ganzen Mitarbeitern und den Kunden, das hat mir immer sehr viel Spaß gemacht."
Die Chronik endet 1997, fünf Jahre später muss Kiepert Insolvenz anmelden. Heute, 15 Jahre später, besteht sein Geschäft noch aus einem kleinen Laden in Berlin-Mitte und der Versandbuchhandlung: ein schmaler Raum in Charlottenburg mit einem Computer, einem Faxgerät, vielen Aktenordnern und zwei Mitarbeitern.
Kiepert sieht auf den Rücksitz, ob er auch die Kekse nicht vergessen hat - die gibt es für die besten Kunden dazu. Dann sinkt er in den Fahrersitz, schnallt sich an, startet den Wagen und fährt langsam aus der Parklücke.
Der erste Kunde ist das Bundesfinanzministerium.
"Da ist einer am Tresen drinne, der erkennt dann gleich mein Signal."
Kiepert winkt, die Schranke öffnet sich.
"Dankeschön!"
Kiepert stellt das Auto ab. Jeder Handgriff zeigt die Ruhe alltäglicher Routine: Kiepert nimmt seinen grauen Filzhut von der Rückbank, setzt ihn auf das mittlerweile schüttere, weiße Haar; er schlägt die Fahrertür sachte zu, öffnet den Kofferraum, nimmt einen der ledernen Körbe heraus, schließt den Kofferraum und geht langsam zum Eingang. In einer Hand den Bücherkorb, die andere Hand frei, um den Hut zum Gruß anzuheben. Der Sicherheitsmann am Eingang mustert missbilligend das Mikrofon; die Reporterin muss draußen bleiben.
"Das war früher noch ganz anders, als am Ernst-Reuter-Platz allein 160 Mitarbeiter waren. Wir hatten dann noch etliche Läden aufgemacht."
Der Band erzählt auf feinem Papier die Geschichte der Buchhandlung. Abgebildet ist das Haus Hardenberg im Berliner Stadtteil Charlottenburg, ein imposanter Neubau von 1955, in dem der Vater die Buchhandlung nach dem Krieg wiedereröffnete. Damen trugen damals noch Hut. Ein paar Seiten weiter: Robert Kiepert beim 50. Firmenjubiläum an einem gedeckten Kaffeetisch. Sein Haar ist dicht und dunkel, tief gescheitelt. Er blickt direkt in die Kamera, strahlt wie heute einen starken Willen aus. Damals studiert er noch Landwirtschaft, aber der Vater bittet ihn, Buchhändler zu werden.
"Ich habe das überhaupt nicht bereut, ich war froh, dass diese Wende stattgefunden hat, denn es ist so vielfältig und so anregend, und auch der Umgang mit vielen Menschen, den ganzen Mitarbeitern und den Kunden, das hat mir immer sehr viel Spaß gemacht."
Die Chronik endet 1997, fünf Jahre später muss Kiepert Insolvenz anmelden. Heute, 15 Jahre später, besteht sein Geschäft noch aus einem kleinen Laden in Berlin-Mitte und der Versandbuchhandlung: ein schmaler Raum in Charlottenburg mit einem Computer, einem Faxgerät, vielen Aktenordnern und zwei Mitarbeitern.
Kiepert sieht auf den Rücksitz, ob er auch die Kekse nicht vergessen hat - die gibt es für die besten Kunden dazu. Dann sinkt er in den Fahrersitz, schnallt sich an, startet den Wagen und fährt langsam aus der Parklücke.
Der erste Kunde ist das Bundesfinanzministerium.
"Da ist einer am Tresen drinne, der erkennt dann gleich mein Signal."
Kiepert winkt, die Schranke öffnet sich.
"Dankeschön!"
Kiepert stellt das Auto ab. Jeder Handgriff zeigt die Ruhe alltäglicher Routine: Kiepert nimmt seinen grauen Filzhut von der Rückbank, setzt ihn auf das mittlerweile schüttere, weiße Haar; er schlägt die Fahrertür sachte zu, öffnet den Kofferraum, nimmt einen der ledernen Körbe heraus, schließt den Kofferraum und geht langsam zum Eingang. In einer Hand den Bücherkorb, die andere Hand frei, um den Hut zum Gruß anzuheben. Der Sicherheitsmann am Eingang mustert missbilligend das Mikrofon; die Reporterin muss draußen bleiben.
Einst Chef der größten Buchhandlung Berlins, jetzt fahrender Händler
Unterwegs zum zweiten Kunden wird Kieperts Audi zweimal angehupt. Er setzt den Blinker und fährt in Ruhe auf die rechte Spur - längst ist er daran gewöhnt, für die anderen zu langsam zu sein. Als Versandbuchhändler ist er trotzdem immer pünktlich.
"Das war das, was meine Frau und Tochter initiieren wollten, dass noch ein bisschen Kiepert als Buchhandel existiert."
In seiner besten Zeit führt Kiepert 400 Mitarbeiter. Als die großen Buchhandelsketten auf den Markt drängen, beginnt er, in weitere Filialen zu investieren - und in die teuren Ideen eines Unternehmensberaters. 2002 dann die Insolvenz, sein Lebenswerk bricht zusammen. Es ist eine traurige Zeit, über die er nicht gern spricht. Er konzentriert sich lieber auf die, die seine Bücher bei ihm bestellen, seine wirklich treuen Kunden.
"Ich kann das so lange machen, wie das liebe Gottchen mir Gesundheit schenkt."
Der nächste Kunde ist einer seiner besten - eine Sprachschule. Kiepert wuchtet die beiden Kartons aus dem Kofferraum, 24 Lehrbücher sind darin, Deutsch als Fremdsprache. Das 25. Exemplar liegt extra verpackt obenauf. Kiepert schiebt die Kartons auf seine zusammenklappbare Sackkarre. Dann zieht er sie zum Eingang. Schritt für Schritt.
"Sonst fehlt mir das Training. Das ist doch ganz wichtig. Ich will das doch noch eine Weile versuchen. Davor graut mir irgendwie, wenn ich mal aufhören muss."
An der Rezeption streckt ihm eine blonde Frau die Hand entgegen und freut sich über die Schokoladenkekse, die Kiepert mitgebracht hat. Sie bestellen immer bei ihm.
Barbara Eichler: "Weil wir Bestandskunden sind und der Service ist ganz toll. Wir kriegen immer Kekse und wir machen das lange Jahre schon. Der Herr Kiepert kommt immer selbst. Und weil das so nett ist, bestellen wir immer weiter."
Nach der Insolvenz hat Robert Kiepert viele seiner alten Kunden persönlich besucht. Er hat an ihren Bürotüren geklopft und ihnen gesagt, dass sie ihre Bücher noch immer bei ihm bekommen können. Aber jetzt würde er sie ihnen eben bringen. Aus dem Chef der einst größten Buchhandlung Berlins ist ein fahrender Händler geworden.
"Bis zum nächsten Mal. Tschüs!"
"Das war das, was meine Frau und Tochter initiieren wollten, dass noch ein bisschen Kiepert als Buchhandel existiert."
In seiner besten Zeit führt Kiepert 400 Mitarbeiter. Als die großen Buchhandelsketten auf den Markt drängen, beginnt er, in weitere Filialen zu investieren - und in die teuren Ideen eines Unternehmensberaters. 2002 dann die Insolvenz, sein Lebenswerk bricht zusammen. Es ist eine traurige Zeit, über die er nicht gern spricht. Er konzentriert sich lieber auf die, die seine Bücher bei ihm bestellen, seine wirklich treuen Kunden.
"Ich kann das so lange machen, wie das liebe Gottchen mir Gesundheit schenkt."
Der nächste Kunde ist einer seiner besten - eine Sprachschule. Kiepert wuchtet die beiden Kartons aus dem Kofferraum, 24 Lehrbücher sind darin, Deutsch als Fremdsprache. Das 25. Exemplar liegt extra verpackt obenauf. Kiepert schiebt die Kartons auf seine zusammenklappbare Sackkarre. Dann zieht er sie zum Eingang. Schritt für Schritt.
"Sonst fehlt mir das Training. Das ist doch ganz wichtig. Ich will das doch noch eine Weile versuchen. Davor graut mir irgendwie, wenn ich mal aufhören muss."
An der Rezeption streckt ihm eine blonde Frau die Hand entgegen und freut sich über die Schokoladenkekse, die Kiepert mitgebracht hat. Sie bestellen immer bei ihm.
Barbara Eichler: "Weil wir Bestandskunden sind und der Service ist ganz toll. Wir kriegen immer Kekse und wir machen das lange Jahre schon. Der Herr Kiepert kommt immer selbst. Und weil das so nett ist, bestellen wir immer weiter."
Nach der Insolvenz hat Robert Kiepert viele seiner alten Kunden persönlich besucht. Er hat an ihren Bürotüren geklopft und ihnen gesagt, dass sie ihre Bücher noch immer bei ihm bekommen können. Aber jetzt würde er sie ihnen eben bringen. Aus dem Chef der einst größten Buchhandlung Berlins ist ein fahrender Händler geworden.
"Bis zum nächsten Mal. Tschüs!"