"Der Alte würfelt nicht"

Von Anke Schaefer |
Die Relativitätstheorie, das ist die faszinierende Formel, mit der die Gesetze des Kosmos knapp, objektiv und ohne Verweis auf irgendeine höhere Macht beschrieben werden können – oder? Wie eng die Relativitätstheorie mit Einsteins sehr enger und ganz eigener Beziehung zu Gott zusammenhängt, danach hat das Einsteinforum Potsdam in dieser Woche unter dem Titel "Einsteins Dialog mit Gott" gefragt.
Einstein ist oft gefragt worden, wie er es halte mit der Religion. Kein Wunder, hat er sich doch immer wieder auf Gott bezogen. In einem seiner berühmtesten Sätze nennt er ihn den Alten: Als in den 1920er-Jahren die Quantenmechanik aufkommt und plötzlich klar wird, dass nicht genau vorhergesagt werden kann, wo sich ein Teilchen zu einem gegeben Zeitpunkt aufhalten wird, und ob es dann Welle oder Teilchen sein wird, schreibt Einstein in einem Brief an seinen Freund, den Physiker Max Born:
"Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns nicht näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der nicht würfelt."
Einstein glaubt bis zu seinem Tod 1955, dass das Universum nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung funktioniert. Dass Gott also nicht würfelt. Dass das Universum nach Gesetzen aufgebaut ist, die vernünftig und für den Menschen erkennbar sind. Wenn er, der Jude, der sich aber schon mit 12 Jahren vom traditionellen jüdischen Glauben abwandte, von Gott als dem "Alten" spricht - hat er dann tatsächlich einen persönlichen Gott im Sinn?
"Ich denke, das war auch ein bisschen Koketterie. Der Gott der Väter war für ihn präsent, kulturell und mit dem hat er geschäkert oder kokettiert","

sagt der Elementarteilchenphysiker Thomas Naumann. Er arbeitet am Teilchenbeschleuniger CERN in der Nähe von Genf und ist im Potsdamer Einsteinforum jetzt Einsteins Beziehung zu Gott nachgegangen.
""Er hat ihn natürlich nicht betrachtet als einen lieben Gott, der sich einmischt in die Belange des Menschlichen. Gott ist für ihn wahrscheinlich eine Art zweites Gewissen, eine Art Oberästhet, die Wahrheit ist bei Gott und dieser Gott muss keine konkrete menschliche Gestalt haben, das ist das Prinzip Natur, das Prinzip Harmonie – ich glaub, bei Einstein verschwimmt das eben auch, ähnlich wie bei Spinoza."
Die "Ethik " des niederländischen Philosophen Spinoza hatte Einstein gelesen. Nach Spinoza sind Gott und Natur nur verschiedene Begriffe ein- und derselben Sache. Der Philosoph ist wie der Physiker davon überzeugt, dass die Natur schön und harmonisch ist.
"Das heißt, Einstein hat sich durchaus geborgen gefühlt, in dieser Schöpfung. Das erinnert mich an die berühmten Billigungsstatements zu Beginn der Heiligen Schrift, wo es heißt: "Und Gott sah, dass es gut war". Und die Schöpfung war für Einstein auch gut, der Mann hat sich geborgen gefühlt in dieser Welt, das finde ich etwas sehr Schönes."
Aus dieser Geborgenheit heraus nutzt Einstein die Naturwissenschaft, um zu ergründen, was hinter den Erscheinungen liegt. Er will, wie er es selbst formuliert, Gott "in die Karten gucken". Im Auftrag und zu Gunsten der Deutschen Liga für Menschenrechte spricht er in seinem "Glaubensbekenntnis" 1932 folgende Überzeugung auf eine Schallplatte:
"Das Schönste und Tiefste, was der Mensch erleben kann, ist das Gefühl des Geheimnisvollen. Zu empfinden, dass hinter dem Erlebbaren ein für unseren Geist Unerreichbares verborgen sei. Dessen Schönheit und Erhabenheit uns nur mittelbar und im schwachen Widerschein erreicht, das ist Religiosität."
Die Suche nach der Harmonie hat Einstein beflügelt – sie war für ihn gleichbedeutend mit der Suche nach der Weltenformel:
"Es muss schön sein. Wenn es knirscht, das ist unschön, das kann nicht so sein, siehe Keppler in den Planetenbewegungen, da darf kein Sand im Getriebe sein, das muss wie geölt laufen und schön und ästhetisch. Und Keppler hat sich daran erfreut, dass die fünf damals bekannten Planetenbahnen sich so harmonisch verhalten wie die fünf platonischen Körper und hat relativ einfache Gesetze gefunden."
Einstein hat auch nach einfachen Gesetzen gesucht und so die Relativitätstheorie formulieren können. Aber die "Weltenformel", die die Relativitätstheorie mit der Quantenmechanik verbindet, sie steht bis heute aus. Und Forscher wie Thomas Naumann sind manchmal nicht mehr so sicher, ob die Gesetze, denen man da auf die Spur kommen muss, tatsächlich unserem Verständnis von Schönheit noch entsprechen.

Heute würde man Einsteins Gottvertrauen womöglich als peinlich abtun. Doch es war für Einstein genau diese Auseinandersetzung mit dem Schönen und Erhabenen, mit den Naturgesetzen und es war das Vertrauen in die Erkennbarkeit der Welt, was ihn motivierte. Ohne sein Gefühl der "Religiosität" hätte er die Relativitätstheorie sehr wahrscheinlich nie formuliert.

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