Machtinstrument und Freizeitort
Auf Balkonen präsentierten sich Herrscher, entstanden und vergingen Machtverhältnisse. Noch heute zeigen sich Politiker, die Queen oder Promis gern auf ihnen. In der Moderne wurde der Balkon zu einem Ort der Entspannung – nicht nur für Herrschende.
Bei "Balkon-Szene" denken viele sicherlich zuerst an Romeo und Julia – er unten, sie oben. Oder an die Fußballer von Bayern München, die von hoch oben ihren Fans stolz die Meisterschale präsentieren. Oder an die Politiker der aktuellen Sondierungsgespräche, die nachts auf dem Balkon eine kleine Auszeit nehmen...
Der Balkon hatte schon immer herausragende Bedeutung –und seine Rolle und Funktion hat sich durch die Jahrhunderte auch immer wieder gewandelt. "Zunächst war der Balkon ein Fassadenschmuckelement für besondere Häuser, häufig die Häuser der Herrschenden, also die Paläste in den Monarchien oder später auch die repräsentativen Bauten der Bürgermeister in den Demokratien – es waren immer besonders hochgestellte Häuser, die damit geschmückt wurden", erzählt Gerhard Matzig, Architekturkritiker der Süddeutschen Zeitung. "Da bot es sich an, sich dem Volk zu zeigen - deshalb sind die Balkone früher immer zu den Plätzen und Straßen ausgerichtet gewesen. Das macht man heute nicht mehr so gern, heute richtet man sinnvollerweise nach Süden aus und vom Straßenlärm eher weg."
Der Balkon als eine Art Zollstation
Dabei gibt es durchaus bauliche Unterschiede: Die Terrasse ist in der Regel ebenerdig und entsteht, wenn die obere Etage etwas zurückgezogen gebaut wird und die Loggia ist ein Freibereich innerhalb des Hauses. Der klassische Balkon ist hingegen etwas, das über die Ebene der Hauswand "herauskragt", also herausreicht. Auch ihre Funktionen sind unterschiedlich, so gibt es neben dem repräsentativen Balkon auch den Wirtschaftsbalkon im bäuerlichen Raum.
"Die Hauswand unterscheidet zwischen Innen und Außen", sagt Matzke. "Sie haben innendrin ihre Privatheit und Intimität und draußen ist der öffentliche Raum – der Balkon ist also genau das Scharnier dazwischen. Er ist ein Grenzübertritt, eine Art Zollstation, wo sich Außen und Innen begegnen. Das macht die Besonderheit dieses Ortes aus."
Früher war der Balkon etwas Besonderes, wohingegen heute an möglichst viele Gebäude Balkone gebaut werden. "Inzwischen ist der Balkon ja zuständig für ein Sozialleben, man begrüßt sich so von Balkon zu Balkon, er dient der Gesundheit", sagt Matzke. "Seit der Moderne hat man versucht, mehr Balkone zu bauen, weil die Menschen so mehr an die frische Luft gekommen sind ohne das Haus verlassen zu müssen. Und wenn jemand seinen Balkon schön bepflanzt, ist das ja auch ein Beitrag zur Ökologie in der Stadt."