"Der Bendlerblock ist sicherlich nicht der optimale Standort"
Der Vorsitzende des Bundestags-Kulturausschusses, Hans-Joachim Otto, hat ein Ehrenmal für gefallene Soldaten in der Nähe des Bundestages gefordert. Die Bundeswehr sei eine Armee des gesamten Volkes und nicht irgendeiner Elite, sagte der FDP-Politiker. Daher lehne er den Vorschlag von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ab, ein solches Ehrenmal an dessen Amtssitz, dem Bendlerblock, zu errichten. Das Ehrenmal dürfe nicht weggeschlossen werden, sondern müsse allen Bürgern frei zugänglich sein.
Tom Grote: Am Telefon ist Hans-Joachim Otto, der Vorsitzende des Bundestagskulturausschusses. Guten Morgen, Herr Otto!
Hans-Joachim Otto: Guten Morgen, Herr Grote!
Grote: Brauchen wir überhaupt ein Ehrenmal für die bei Auslandseinsätzen getöteten deutschen Soldaten?
Otto: Daran habe ich keinen Zweifel. Es sind Menschen, die im Dienste unseres Vaterlandes, unseres Deutschlandes im Kampf für Demokratie und Freiheit ihr Leben gelassen haben. Und ich halte es für wirklich sehr naheliegend, diesen Menschen durch ein Ehrenmal unseren Respekt, unsere Ehre zu erweisen. Dabei bin ich mir auch einig mit der Mehrheit der Bevölkerung. In einer Umfrage wurde eine breite Mehrheit auch in der Bevölkerung für so ein Ehrenmal festgestellt.
Grote: Was soll so ein Denkmal verkörpern – den Heldenmut der Uniformierten, den Einsatz für Freiheit und Demokratie in anderen Weltregionen?
Otto: Den Einsatz für Demokratie, für die Verteidigung der Demokratie und der Freiheit. Die Bundeswehrangehörigen, und zwar nicht nur diejenigen, die ums Leben kommen, sondern alle, leisten einen Dienst für Deutschland, einen hoch riskanten Dienst, wie wir gerade vor wenigen Tagen wieder feststellen mussten. Und ich halte es für absolut unerlässlich, dass wir in der Bevölkerung diesen Menschen, die unsere Freiheit verteidigen, das notwendige Gedenken erweisen, vor allen Dingen denjenigen, die im Dienst ihr Leben haben lassen müssen.
Grote: Warum wird gerade jetzt so ein Denkmal geplant? Sollen die Bundesbürger darauf vorbereitet werden, dass es immer mehr Tote bei Kriegseinsätzen geben wird?
Otto: Nein, diese Interpretation würde ich nicht für richtig halten, denn wir müssen uns vor Augen halten, dass seit Gründung der Bundeswehr immerhin insgesamt schon 2.600 Menschen im Dienst ihr Leben gelassen haben.
Es ist klar: Wer in der Bundeswehr dient, tut einen riskanten Job. Und ich verstehe das überhaupt nicht so, dass man damit sozusagen Änderungen gegenüber der Vergangenheit damit betonen will, sondern es sind jedenfalls schon mal für diejenigen, die in der Vergangenheit ihr Leben gelassen haben, das notwendige Gedenken erforderlich. Und deswegen: Ich sehe nicht eine Verknüpfung zu zusätzlichen, zu einer neuen Strategie der NATO oder der Bundeswehr.
Grote: Wie soll sich denn dieses Denkmal von den alten Kriegerdenkmälern unterscheiden, die ja bei uns landauf, landab herumstehen?
Otto: Diese alten Kriegerdenkmäler haben sich ja dadurch ausgezeichnet, dass man geradezu den kriegerischen Einsatz heroisiert hat. Bei uns geht es aber darum, dass es hier nicht um kriegerische Einsätze, schon gar nicht um aggressives kriegerisches Handeln geht. Sondern um demokratisch legitimierte Entscheidungen, vom Bundestag beschlossene Entscheidungen im Zusammenhang mit NATO- oder UNO-Einsätzen zur Verteidigung der Freiheit Deutschlands, aber auch zur Vermeidung von Völkermord in anderen Regionen der Welt, zur Stabilisierung. Das ist ein Dienst an der Demokratie und nicht ein kriegerischer Dienst.
Grote: Soll das draufstehen auf dem Denkmal?
Otto: Ich will mich nicht einschalten in die Frage, wie ein solches Denkmal gestaltet sein sollte. Ich teile die Auffassung von Herrn Thierse, dass über die Gestaltung des Denkmals eine öffentliche Debatte erfolgen sollte. Ich halte es für unglücklich, dass Herr Verteidigungsminister Jung das sozusagen als eine Privatangelegenheit oder jedenfalls eine Angelegenheit seines Ministeriums betrachtet und den Bundestag an dieser Entscheidung nicht beteiligen will und schon gar nicht die Öffentlichkeit.
Das halte ich für unglücklich. Denn die Bundeswehr ist ja eine Armee des gesamten Volkes. Es ist eine Armee, an der schon allein durch den Wehrdienst viele Menschen beteiligt sind, und es ist eine Parlamentsarmee, deren Einsätze, deren Auslandseinsätze vom Bundestag zu beschließen sind. Deswegen muss das sozusagen aus der Debatte, die momentan vorwiegend in Militärkreisen erfolgt oder im Verteidigungsministerium, Verteidigungsausschuss, erfolgen, in eine breite Öffentlichkeit geführt werden. Wir brauchen eine öffentliche Debatte darüber.
Grote: Herr Otto, wenn Sie diese öffentliche Debatte so fordern, warum kommt die dann nicht von Ihnen, sondern muss erst angeschoben werden vom Bundesverteidigungsminister? Denn der hat die Idee gehabt, und nicht Sie.
Otto: Ja, das muss ich kritisch, selbstkritisch zur Kenntnis nehmen, aber ich möchte schon darauf hinweisen, dass insbesondere der Bundestagskulturausschuss in größerem Umfang sich momentan mit anderen, auch sehr wichtigen Gedenkstätten und Mahnmalen auseinandersetzt. Zum Beispiel haben wir ein großes Thema momentan, das wir bearbeiten, das sind die SED-Gedenkstätten, also das Erinnern an die zweite Diktatur auf deutschem Boden.
Wir haben eine jahrelange Debatte gehabt um das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, wir haben eine sehr aktuelle und schwierige Debatte momentan über die Mahnmale für die ermordeten Homosexuellen und für die ermordeten Sinti und Roma. Dass wir uns nicht ausreichend um Gedenkkultur kümmern, das kann man uns, glaube ich, nicht vorwerfen.
Und im Übrigen möchte ich schon darauf hinweisen, der Kollege Jung ist auch ein Bundestagsabgeordneter. Ich hätte mir einfach gewünscht, dass er die Debatte als Bundestagsabgeordneter im Bundestag beginnt und nicht sozusagen in seiner Eigenschaft als Verteidigungsminister über das Verteidigungsministerium laufen lässt.
Grote: Also Sie haben sozusagen den Einsatz verpasst, und es ist nicht so, dass der Bund Angst davor hat, dass allzu öffentlich gedacht wird, weil die Ablehnung von Militäreinsätzen bei den Deutschen so groß ist?
Otto: Nein. Ich will noch mal betonen, dass dieses Mahnmal, ungeachtet der Tatsache, dass es zugegebenermaßen eine wachsende Skepsis gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr gibt, dennoch eine sehr breite Mehrheit für eine solche Gedenkstätte für die im Dienst gefallenen Bundeswehrangehörigen gibt. In allen Bevölkerungskreisen wird das befürwortet.
Grote: Der Verteidigungsminister sagt, dieses Denkmal gehört an den Bendlerblock, also seinen Amtssitz, zum Beispiel. Was sagen Sie, wo sollte er stehen?
Otto: Das erschließt sich, glaube ich, ohne Weiteres aus dem, was ich eben gesagt habe. Da es sich bei der Bundeswehr um ein Parlamentsheer handelt – das ist erstmalig in der deutschen Geschichte, dass wir alle Auslandseinsätze der Bundeswehr im Bundestag zu beschließen haben, dass diese Armee wirklich als eine Armee des gesamten Volkes und nicht von irgendwelchen Eliten betrachtet wird –, darf sie meines Erachtens nicht irgendwo weggeschlossen werden, versteckt werden in einem Gelände, das nicht frei zugänglich ist.
Wichtig ist es, dass diese Gedenkstätte von allen Deutschen als das Ihre betrachtet wird und nicht nur eine Ehrung von Militärs für Militärs, das hielte ich für ganz falsch. Daraus ergibt sich, dass der Bendlerblock sicherlich nicht der optimale Standort ist.
Ich plädiere in der Tat – trotz der Bedenken von Herrn Thierse – dafür, das in der Nähe des Parlaments anzusiedeln, um auch den Zusammenhang der Verantwortung – wir beschließen über Auslandseinsätze, damit unter Umständen auch über Leben und Tod von Bundeswehrangehörigen –, ich meine, dass sich das sehr gut erschließt, dass dann auch in der Nähe des Bundestages eine solche Gedenkstätte errichtet werden sollte.
Grote: Ein Mahnmal für bei Auslandseinsätzen getötete Bundeswehrsoldaten – dazu Hans-Joachim Otto, Vorsitzender des Bundestagskulturausschusses.
Hans-Joachim Otto: Guten Morgen, Herr Grote!
Grote: Brauchen wir überhaupt ein Ehrenmal für die bei Auslandseinsätzen getöteten deutschen Soldaten?
Otto: Daran habe ich keinen Zweifel. Es sind Menschen, die im Dienste unseres Vaterlandes, unseres Deutschlandes im Kampf für Demokratie und Freiheit ihr Leben gelassen haben. Und ich halte es für wirklich sehr naheliegend, diesen Menschen durch ein Ehrenmal unseren Respekt, unsere Ehre zu erweisen. Dabei bin ich mir auch einig mit der Mehrheit der Bevölkerung. In einer Umfrage wurde eine breite Mehrheit auch in der Bevölkerung für so ein Ehrenmal festgestellt.
Grote: Was soll so ein Denkmal verkörpern – den Heldenmut der Uniformierten, den Einsatz für Freiheit und Demokratie in anderen Weltregionen?
Otto: Den Einsatz für Demokratie, für die Verteidigung der Demokratie und der Freiheit. Die Bundeswehrangehörigen, und zwar nicht nur diejenigen, die ums Leben kommen, sondern alle, leisten einen Dienst für Deutschland, einen hoch riskanten Dienst, wie wir gerade vor wenigen Tagen wieder feststellen mussten. Und ich halte es für absolut unerlässlich, dass wir in der Bevölkerung diesen Menschen, die unsere Freiheit verteidigen, das notwendige Gedenken erweisen, vor allen Dingen denjenigen, die im Dienst ihr Leben haben lassen müssen.
Grote: Warum wird gerade jetzt so ein Denkmal geplant? Sollen die Bundesbürger darauf vorbereitet werden, dass es immer mehr Tote bei Kriegseinsätzen geben wird?
Otto: Nein, diese Interpretation würde ich nicht für richtig halten, denn wir müssen uns vor Augen halten, dass seit Gründung der Bundeswehr immerhin insgesamt schon 2.600 Menschen im Dienst ihr Leben gelassen haben.
Es ist klar: Wer in der Bundeswehr dient, tut einen riskanten Job. Und ich verstehe das überhaupt nicht so, dass man damit sozusagen Änderungen gegenüber der Vergangenheit damit betonen will, sondern es sind jedenfalls schon mal für diejenigen, die in der Vergangenheit ihr Leben gelassen haben, das notwendige Gedenken erforderlich. Und deswegen: Ich sehe nicht eine Verknüpfung zu zusätzlichen, zu einer neuen Strategie der NATO oder der Bundeswehr.
Grote: Wie soll sich denn dieses Denkmal von den alten Kriegerdenkmälern unterscheiden, die ja bei uns landauf, landab herumstehen?
Otto: Diese alten Kriegerdenkmäler haben sich ja dadurch ausgezeichnet, dass man geradezu den kriegerischen Einsatz heroisiert hat. Bei uns geht es aber darum, dass es hier nicht um kriegerische Einsätze, schon gar nicht um aggressives kriegerisches Handeln geht. Sondern um demokratisch legitimierte Entscheidungen, vom Bundestag beschlossene Entscheidungen im Zusammenhang mit NATO- oder UNO-Einsätzen zur Verteidigung der Freiheit Deutschlands, aber auch zur Vermeidung von Völkermord in anderen Regionen der Welt, zur Stabilisierung. Das ist ein Dienst an der Demokratie und nicht ein kriegerischer Dienst.
Grote: Soll das draufstehen auf dem Denkmal?
Otto: Ich will mich nicht einschalten in die Frage, wie ein solches Denkmal gestaltet sein sollte. Ich teile die Auffassung von Herrn Thierse, dass über die Gestaltung des Denkmals eine öffentliche Debatte erfolgen sollte. Ich halte es für unglücklich, dass Herr Verteidigungsminister Jung das sozusagen als eine Privatangelegenheit oder jedenfalls eine Angelegenheit seines Ministeriums betrachtet und den Bundestag an dieser Entscheidung nicht beteiligen will und schon gar nicht die Öffentlichkeit.
Das halte ich für unglücklich. Denn die Bundeswehr ist ja eine Armee des gesamten Volkes. Es ist eine Armee, an der schon allein durch den Wehrdienst viele Menschen beteiligt sind, und es ist eine Parlamentsarmee, deren Einsätze, deren Auslandseinsätze vom Bundestag zu beschließen sind. Deswegen muss das sozusagen aus der Debatte, die momentan vorwiegend in Militärkreisen erfolgt oder im Verteidigungsministerium, Verteidigungsausschuss, erfolgen, in eine breite Öffentlichkeit geführt werden. Wir brauchen eine öffentliche Debatte darüber.
Grote: Herr Otto, wenn Sie diese öffentliche Debatte so fordern, warum kommt die dann nicht von Ihnen, sondern muss erst angeschoben werden vom Bundesverteidigungsminister? Denn der hat die Idee gehabt, und nicht Sie.
Otto: Ja, das muss ich kritisch, selbstkritisch zur Kenntnis nehmen, aber ich möchte schon darauf hinweisen, dass insbesondere der Bundestagskulturausschuss in größerem Umfang sich momentan mit anderen, auch sehr wichtigen Gedenkstätten und Mahnmalen auseinandersetzt. Zum Beispiel haben wir ein großes Thema momentan, das wir bearbeiten, das sind die SED-Gedenkstätten, also das Erinnern an die zweite Diktatur auf deutschem Boden.
Wir haben eine jahrelange Debatte gehabt um das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, wir haben eine sehr aktuelle und schwierige Debatte momentan über die Mahnmale für die ermordeten Homosexuellen und für die ermordeten Sinti und Roma. Dass wir uns nicht ausreichend um Gedenkkultur kümmern, das kann man uns, glaube ich, nicht vorwerfen.
Und im Übrigen möchte ich schon darauf hinweisen, der Kollege Jung ist auch ein Bundestagsabgeordneter. Ich hätte mir einfach gewünscht, dass er die Debatte als Bundestagsabgeordneter im Bundestag beginnt und nicht sozusagen in seiner Eigenschaft als Verteidigungsminister über das Verteidigungsministerium laufen lässt.
Grote: Also Sie haben sozusagen den Einsatz verpasst, und es ist nicht so, dass der Bund Angst davor hat, dass allzu öffentlich gedacht wird, weil die Ablehnung von Militäreinsätzen bei den Deutschen so groß ist?
Otto: Nein. Ich will noch mal betonen, dass dieses Mahnmal, ungeachtet der Tatsache, dass es zugegebenermaßen eine wachsende Skepsis gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr gibt, dennoch eine sehr breite Mehrheit für eine solche Gedenkstätte für die im Dienst gefallenen Bundeswehrangehörigen gibt. In allen Bevölkerungskreisen wird das befürwortet.
Grote: Der Verteidigungsminister sagt, dieses Denkmal gehört an den Bendlerblock, also seinen Amtssitz, zum Beispiel. Was sagen Sie, wo sollte er stehen?
Otto: Das erschließt sich, glaube ich, ohne Weiteres aus dem, was ich eben gesagt habe. Da es sich bei der Bundeswehr um ein Parlamentsheer handelt – das ist erstmalig in der deutschen Geschichte, dass wir alle Auslandseinsätze der Bundeswehr im Bundestag zu beschließen haben, dass diese Armee wirklich als eine Armee des gesamten Volkes und nicht von irgendwelchen Eliten betrachtet wird –, darf sie meines Erachtens nicht irgendwo weggeschlossen werden, versteckt werden in einem Gelände, das nicht frei zugänglich ist.
Wichtig ist es, dass diese Gedenkstätte von allen Deutschen als das Ihre betrachtet wird und nicht nur eine Ehrung von Militärs für Militärs, das hielte ich für ganz falsch. Daraus ergibt sich, dass der Bendlerblock sicherlich nicht der optimale Standort ist.
Ich plädiere in der Tat – trotz der Bedenken von Herrn Thierse – dafür, das in der Nähe des Parlaments anzusiedeln, um auch den Zusammenhang der Verantwortung – wir beschließen über Auslandseinsätze, damit unter Umständen auch über Leben und Tod von Bundeswehrangehörigen –, ich meine, dass sich das sehr gut erschließt, dass dann auch in der Nähe des Bundestages eine solche Gedenkstätte errichtet werden sollte.
Grote: Ein Mahnmal für bei Auslandseinsätzen getötete Bundeswehrsoldaten – dazu Hans-Joachim Otto, Vorsitzender des Bundestagskulturausschusses.