Musiker und Produzent Mark Reeder
Kam 1978 nach Berlin, weil ihn die Underground-Szene der Stadt faszinierte: der Brite Mark Reeder. © imago / Rolf Kremming
Der Berlin-Botschafter
35:21 Minuten

Mit Begeisterung ist der Brite Mark Reeder Ende der 70er-Jahre ins Berliner Kultur- und Nachtleben eingetaucht. Bis heute ist der Musikproduzent der Stadt treu geblieben, auch wenn er momentan vor allem mit Litauern und Chinesen zusammenarbeitet.
Das Berlin der 80er-Jahre war dem britischen Musiker und Musikproduzenten Mark Reeder zufolge eine Stadt voller Wehrpflichtflüchtlinge und Künstler, hatte keine Sperrstunde, ein aufregendes Nachtleben und jede Menge Musik.
Deutsche Bands waren auch das, was ihn von der Insel gelockt hatte. “Ich war fasziniert von der Musik, die aus Deutschland kam, dieses ganze Krautrockzeug: Faust, Klaus Schulze, Tangerine Dream und solche Sachen. Es war sehr experimentell und ganz anders als die Musik in England. 1978 bin ich nach Berlin gefahren, eigentlich nur um Platten zu kaufen.”
Zugang zur Underground-Kulturszene findet er schnell, bald schon arbeitet er als Türsteher, Musiker, Band-Manager und Musikproduzent. Der Grund fürs Bleiben lag vor allem im Lebensgefühl der Stadt: “Ich habe eine Freiheit gesehen, eine ganz andere Art und Form, als ich es aus England kannte.”
Der andere Planet nebenan
Interessiert hat Reeder nicht nur der tolerante und wilde Westteil der Stadt, sondern auch das Paralleluniversum hinter der Mauer: “Ich kannte meine West-Welt, England, Manchester. Ich war auch in Frankreich, Belgien und anderswo. Aber dieses Ost-Berlin war für mich, als ob ich auf einen ganz anderen Planeten runtergebeamt wurde.”
Als Brite konnte er so oft über die Grenze, wie er wollte. Freundschaften entstanden, auch mit Ost-Berliner Punks. Er schmuggelte Kassetten für sie “nach drüben”, etwa mit Musik der Toten Hosen, deren Tonmann er damals war. Schließlich bringt er auch die Band selbst in den Osten, zu einem geheimen Auftritt in einer Kirche. So zeigt es auch der Film "B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin 1979-89" aus dem Jahr 2015, in dem Reeder als Erzähler durch diese Jahre führt.
Eine Jugend im Plattenladen
Geboren wurde Mark Reeder 1958 in Nordengland. “Mein Vater war früher Matrose. Meine Mutter hat während des Krieges in der Flugzeugfabrikation gearbeitet. Wir haben am Rand von Manchester gewohnt, in einem Council House, sozialer Wohnungsbau. Wir sind so eine richtige Arbeiterklasse-Familie.”
Schon früh begeistert er sich für Musik. Mit 14 beginnt er, in einem Plattenladen zu arbeiten, und fühlt sich dort wohler als irgendwo anders. Auch, als er eine Ausbildung zum Werbegrafiker absolviert, bleibt er dem Laden treu: “Ich habe beides gleichzeitig gemacht. Ich habe am Wochenende im Plattenladen gearbeitet und in meiner Mittagspause. Irgendwann habe ich den Job beim Grafiker geschmissen.”
Musik aus China und Litauen
Aktuell macht Reeder Musik mit dem litauischen Sänger Alanas Chosnau: elektronische Sounds, die ein wenig an die 80er-Jahre erinnern. “Es hat ein bisschen Techno, es hat ein bisschen Eighties, ein bisschen alles zusammen.”
Außerdem ist er Produzent der chinesischen Band Stolen, die er zum ersten Mal auf einem Festival in Chengdu erlebt hat. “Ich war mit Stolen auf Tour mit New Order. Stolen waren auf der Europatour der Support Act. Das war sehr, sehr schön.”
Pandemiebedingt erfolgt die gemeinsame Arbeit an der neuen Platte leider mit Tausenden Kilometern Abstand, was lästig ist, nicht nur wegen der Zeitverschiebung: “Es dauert viel, viel länger.”
Hilfreich dabei, diese Hürden zu nehmen, ist mit Sicherheit die Tatsache, dass Reeder nur drei bis vier Stunden Schlaf braucht. “Schon immer, auch als kleines Kind. Ich bin Zwilling, meine Schwester kann 24 Stunden schlafen, sie hat meine Gene geklaut”, erklärt er lachend.
(mah)