Der Besessene

Von Jörg Taszman |
Frankreichs schillerndster und bekanntester Produzent Luc Besson hat nun wieder selbst einen Film gedreht: "Angela" kommt am Donnerstag in die deutschen Kinos und zeigt eine fast simple Liebesgeschichte in einem märchenhaften Paris.
Luc Besson überzieht bei jedem Interview, weil er nicht nur auf Fragen antwortet, sondern gerne den Journalisten Gegenfragen stellt. Er redet sehr viel und sagt dabei nicht immer etwas. Der leicht untersetzte, kleine Franzose kann kaum still sitzen, lacht viel, ist ständig in Bewegung. Zum ersten Mal seit 1999 hat er wieder Regie geführt.

"Angel-A", die einfache, fast simple Liebesgeschichte spielt in einem Märchen-Paris in Schwarz-Weiß. Ein kleiner Mann voller Zweifel mag nicht mehr leben und trifft auf eine große, blonde Frau. Angela ist nicht von dieser Welt: Engel, Hure, Mama und Nonne in einem.

Die Frauenfiguren in den Filmen von Luc Besson sind immer Klischee und doch etwas anders. In "Nikita" ging es um eine Auftragsmörderin, die von männlichen Staatsdienern manipuliert wurde. Das 12-jährige Mädchen Mathilda in "Leon" wollte ganz naiv von einem noch naiveren Killer lernen, wie man Menschen erschießt. In "Jeanne d’Arc" musste die starke Frau sterben, weil die Männer Angst vor ihr bekamen. Was hat es mit dem Frauenbild von Luc Besson auf sich?

Luc Besson: "Ich glaube, das ist eine Reaktion auf die Filme der 70er und 80er Jahre. Da war immer ein muskelbepackter Held, der die Welt rettete, und das Mädchen weinte im Hintergrund. Das war nicht fair und seit Nikita bemühte ich mich, starke und interessante weibliche wie männliche Hauptfiguren zu erschaffen. Das war eine Form der Rehabilitation. Das Image des Mannes ist stark zu sein, während die Frau schwach ist. Ich hielt es für interessant, von der Schwäche der Männer und der Stärke der Frauen zu erzählen. Ich wollte von der femininen Seite in jedem Mann und der maskulinen Seite in jeder Frau erzählen."
Luc Besson ist ein Mann der Gegensätze. Er spricht fließend Englisch und würde doch nie nach Hollywood gehen. Seine Firma heißt Europa und produziert viel englischsprachige Action-Filme wie "Transporter 1 und 2" oder Filme mit dem Kung-Fu Star Jet Li. Und doch kommen auf einen Actionfilm noch vier kleinere Produktionen, die stilistisch bis zum klassischen Arthouse-Film gehen. Wie stark greift Luc Besson als Produzent in die Arbeit der Anderen ein?

"Es gibt verschiedene Rollen. Ich arbeite mit dem Regisseur vor dem Drehbeginn und mache das Casting mit ihm. Ich will sicher gehen, dass wir denselben Film drehen, wissen, was wir wollen. Er muss verstehen, was im Rahmen des Budgets möglich ist. Wenn der Dreh dann beginnt, ist der Regisseur der einzige Kapitän an Deck. Ich komme nicht an den Set. Meine Regisseure beschweren sich sogar darüber. Sie denken, es ist mir egal und fragen: Warum kommst du nicht? Und ich antworte: Okay, ich komme. Lass uns zusammen Mittag essen. Meistens bin ich während der Dreharbeiten nur ein oder zwei Mal am Drehort."

In Frankreich ist Besson umstritten. Das Feuilleton, die großen einflussreichen Tageszeitungen wie "Le Monde" oder "Libération" mögen sein Kino nicht, machen sich boshaft über ihn lustig. Er gilt als größenwahnsinnig und intellektuelles Leichtgewicht. Auch bei den Césars gingen Luc Besson Filme immer leer aus. Die Hochglanzmagazine "Studio" und "Premiere", ein wenig vergleichbar mit der deutschen Zeitschrift "Cinema", haben Luc Besson immer hochgejubelt.

Seine Filme, die im Rest der Welt oft als Arthouse galten, sind im eigenen Land lange Blockbuster gewesen. "Le grand bleu" der in Deutschland "The big Blue" hieß, sahen fast 10 Millionen Franzosen. Auch "Subway" mit Isabelle Adjani und Christopher Lambert oder "Nikita" und "Leon" erreichten in Frankreich ein Millionenpublikum.

Nach dem Flop mit "Jeanne d’Arc", in dem Bessons damalige Ehefrau Milla Jovovich die Hauptrolle spielte, hatte der Franzose dann genug vom Regie führen. Mit seinem neuen Film "Angela" kam die Lust am Drehen zurück. Auch weil er sich nicht mehr selbst belügen wollte, behauptet Luc Besson.

"Bei meinem Debütfilm 'Le dernier combat/Der letzte Kampf' sagten alle, mein Drehbuchautor Pierre Jolivet habe den Film eigentlich gemacht, denn Besson sei viel zu jung. Bei 'Subway' hieß es dann, Isabelle Adjani, der Star, hätte im Schneideraum gesessen, also angeblich war auch das nicht mein Film. Ich litt etwas darunter. Bei 'Nikita' war die Hauptdarstellerin nicht so bekannt und auch nicht wirklich gut und ich wusste das. Ich wollte der Welt beweisen, wie gut sie ist und das war falsch. Die beste Schauspielerin für diesen Part hätte die Rolle bekommen müssen."

Er ist ein Besessener, der jahrelang zuviel gearbeitet hat und schon um 5 Uhr früh aufstand, um zwei Stunden lang zu schreiben. Seine Filme sind unausgeglichen, oft naiv, aber nie uninteressant. Und eins muss man Luc Besson lassen: Er ist clever und hat ein Händchen für neue Trends und Hits. So produzierte und schrieb er "Taxi", dem ein zweiter und dritter Teil folgte. Bei "Die purpurnen Flüsse" schrieb er das Drehbuch.

Bullen und Politiker kann er nicht leiden, die kommen fast in jedem seiner Filme schlecht weg. Auch auf die französische Filmbranche ist Luc Besson nicht gut zu sprechen. Er meint "Die betreiben doch nur Nabelschau und gründen einen Ausschuss nach dem anderen und diskutieren nur. Während wir in Frankreich immer nur reden, drehen sie in Hollywood Filme."

In Zukunft will Besson nicht nur Regie führen, produzieren und verleihen, sondern auch seine eigenen Studios. Aber das dauert noch ein paar Jahre, meint er vorsichtig.