Der Briefwechsel zwischen Paul Hindemith und dem Schott-Verlag

"Mein Ehrgeiz, mich gedruckt zu sehen, ist nicht so groß"

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Der deutsche Komponist und Dirigent Paul Hindemith bei einer Orchesterprobe, bei der er mit einem Flötisten in Blickkontakt steht.
Paul Hindemith bei einer Probe im Januar 1956. © picture-alliance / Arnold O. Schnittger
Von Matthias Nöther |
Rund 2.800 Schriftstücke umfasst der Briefwechsel zwischen dem Komponistenehepaar Gertrud und Paul Hindemith und den Inhabern Ludwig und Willy Strecker vom Verlagshaus B. Schott’s Söhne in Mainz. Über fast 50 Jahre schreiben sich, von 1919 bis 1967.
Der Briefwechsel beginnt nach dem Zusammenbruch des deutschen Kaiserreichs 1919 und endet kurz vor der Studentenrevolte im Jahr 1967 – er umfasst also entscheidende und höchst unruhige Jahrzehnte der jüngsten deutschen Geschichte. Nun hat der Schott-Verlag den Briefwechsel in vier Bänden herausgegeben. Die Briefe bilden vor allem die Karriere eines der begabtesten deutschen Komponisten des zwanzigsten Jahrhunderts ab und rufen in Erinnerung, wie sehr diese Begabung durch politische Entwicklungen ausgebremst wurde.
Trotz allem sind aber Humor und leichtfüßige Eloquenz nicht die letzten Eigenschaften dieser zunächst geschäftlichen, dann aber auch privaten Briefpartnerschaft, die Musikgeschichte geschrieben hat.
Porträt des Komponisten im Anzug, der an der Kamera vorbei schaut.
Paul Hindemith (1895-1963), der 1935 in die Türkei und fünf Jahre später in die USA emigriert.© imago images / Everett Collection
Für die Erben und Geschäftsführer des Schott-Verlags Ludwig und Willy Strecker war der ehemalige Konzertmeister des Frankfurter Opernorchesters, der berühmteste Vertreter der Neuen Sachlichkeit und der vielleicht vielseitigste deutsche Komponist der Zwanziger Jahre das beste Pferd im Stall.

Selbstbewusst und fordernd

Oft hat man in diesen ersten Monaten und Jahren des Briefwechsels den Eindruck, dass nicht der Verlag, sondern der junge Komponist die Bedingungen für die Zusammenarbeit formuliert.
"Mein Ehrgeiz, mich gedruckt zu sehen, ist nicht so groß. Mir ist es nur darum zu tun, das Stück bis zur nächsten Saison herauszubringen, weil es viel gespielt wird. Wie Sie wissen, gibt es fast gar keine gute moderne Kammermusik, darum bilde ich mir ein, dass dieses Quartett im Stande sein kann, einem 'tief gefühlten Bedürfnisse' abzuhelfen.
Ein Mann präsentiert auf einem Schwarz-weiß-Foto sein Streichinstrument.
Paul Hindemith hier mit seiner Bratsche.© mago images / United Archives International / WHA
Das erreiche ich sehr gut auf dem für mich unbedingt vorteilhaften Wege, das Stück in Selbstverlag zu nehmen, ...meines Erachtens sieht es besser aus, wenn das Stück in einem großen Verlage erscheint.
Mit dem Inhaber eines solchen habe ich nun gestern zufällig gesprochen und er hat mir sofort ... fünfhundert Mark für das Quartett geboten. Sollten Sie mittlerweile gesonnen sein, das 'Ehrenhonorar' ganz bedeutend über diese Summe zu erhöhen, so bin ich mit Ihren Vorschlägen einverstanden. Im anderen Falle ersuche ich Sie um möglichst baldige Zurücksendung der Partitur, damit ich sie dem anderen Verlag schicken kann."

Erhöhte Frequenz

Später wird der Ton privat, ja regelrecht vertraut. So schreibt er aus dem Züricher Exil - in einem kleinen Haus mitten in der Natur komponiert er - und spielt seine Werke zusammen mit seiner Frau, die die Klavierparts übernahm. Hindemith beherrscht alle Orchesterinstrumente - allein die Harfe ausgenommen:
"Blusch, den 29. November 1939. Lieber Willy, vorgestern kamen gleich zwei Briefe von dir auf einmal an, Korrekturen und Päckchen außerdem, ich war also reichlich mit Lesestoff versorgt. Darum muss ich dich auch ein bisschen mit Material beliefern. Morgen schicke ich zwei Sonaten an dich ab, nämlich die für Klarinette und die für Trompete. Das geschah bisher noch nicht, weil wir uns spielenderweise noch nicht davon trennen konnten. Zumal von der Trompetensonate nehme ich an, daß sie dem gesamten Verein der Sachkenner Achtung abringt; vielleicht ist sie das beste, was mir in der letzten Zeit gelungen ist."

Tiefer Einblick in den Lebensweg

Die Briefe zeigen manchmal vordergründig Alltägliches, und doch ist immer der Umgang mit seiner Person und seiner Musik in Deutschland Thema - ihm werden die Professuren verwehrt, seine Musik wird nicht gespielt. Selbst ein hoch angebundener Förderer seiner Musik, der Dirigent Wilhelm Furtwängler, kann daran nichts ändern.
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