Walter Moers: "Der Bücherdrache"
192 Seiten, Penguin Verlag, 20 Euro
Der Kontinent der Buchlinge
03:30 Minuten
Das neue Buch "Der Bücherdrache" von Walter Moers hat gleich die Bestsellerliste gestürmt. Darin geht es wieder ums Fantasieren, Fabulieren, Lesen und Schreiben. Für unseren Rezensenten mischt sich in die Lektüre auch Enttäuschung.
Wie die Zeit vergeht: 20 Jahre hat Zamonien mittlerweile auf dem Buckel, dieser fantastische Kontinent, den Walter Moers in "Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär" erfunden hat. Seither hat er diesen Kontinent in immer neuen Romanen ausgeschmückt. Und auch "Der Bücherdrache" spielt dort.
Immer geht es Walter Moers ums Fantasieren und Fabulieren, ums Schreiben und Lesen und um Bücher. Die haben in Zamonien allerdings ein gefährliches Eigenleben, manche haben sogar Reißzähne und jagen ihre Leser. Sie leben an Orten wie dem "Labyrinth der träumenden Bücher". Und in so einem Labyrinth, dem Ormsumpf, spielt auch der neue Roman. Alles wie gehabt also.
Abenteuer im Ormsumpf
Auch Hildegunst von Mythenmetz kommt wieder vor, diese hochbegabte Schriftsteller-Echse von der Lindwurmfeste. Und sein Buchling: Hildegunst 2. Das kleine, schmächtige, zyklopische Wesen hat eigentlich nur einen Lebenszweck. Er lernt das Gesamtwerk von Mythenmetz auswendig, Wort für Wort, Abenteuer für Abenteuer. Diesmal aber erlebt der kleine Buchling selbst eines: tief im Ormsumpf, beim Bücherdrachen. Wie immer hat Moers das Buch selbst illustriert, mit aufwändigen Zeichnungen, die sich durch den Text schlängeln. Das ist toll.
Dass "Der Bücherdrache" gleich die Bestsellerliste stürmt, ist kein Wunder. Wer vor 20 Jahren den 700-Seiten-Wälzer über "Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär" verschlungen hat, kauft wahrscheinlich bis heute blind jedes neue Zamonien-Buch. Auch ohne viel von der Handlung zu wissen, denn der eigentliche Star ist sowieso der Kontinent.
Dünnes Buch statt dicker Schmöker
Auch ich habe "Der Bücherdrachen" gerne gelesen: eine fantasievolle Geschichte voller Moers-typischer Details, liebevoll formuliert. Trotzdem schleicht sich bei mir in letzter Zeit Enttäuschung in die Lektüre. Zum einen, weil Moers eben immer mehr von dem liefert, was wir lieben – das ist aber einfach nicht mehr neu. Zum anderen, weil Moers früher pralle, dicke Schmöker geschrieben hat. Die letzten Bücher sind aber dünner und in meinen Augen auch dürftiger. Auch "Der Bücherdrache" ist kein typisch verwinkelter Zamonien-Roman, sondern eine lineare Kurzgeschichte. Schön erzählt, unterhaltsam. Keine Frage. Aber in einem der früheren Moers-Romane wäre das ganze Buch nur eine Nebenepisode gewesen.
Wer also endlich wieder tief in Zamonien versinken will, dürfte enttäuscht sein. Wer dagegen einfach nur einen Kurztrip nach Zamonien plant, kann sich auf ein paar schöne Stunden mit dem Bücherdrachen freuen.