"Der Bürger muss auf der Hut sein"

Rolf Hochhuth im Gespräch mit Susanne Führer |
Der Dramatiker Rolf Hochhuth hat dem Denkmal für Hitler-Attentäter Georg Elser in Berlin "einsame Größe" bescheinigt. Elser, der immer ein Einzelgänger gewesen sei, habe es verdient, in dieser Form gewürdigt zu werden, sagte der Mitinitiator über die 17 Meter hohe Skulptur.
Das Georg-Elser-Denkmal war am Dienstag der Öffentlichkeit übergeben worden, eine 17 Meter hohe Stahlskulptur von Ulrich Klages, die das Profil Elsers zeigt. Sie sei "absolut geglückt und von einsamer Größe".

Hochhuth, der den Anstoß für das Denkmal gegeben hatte, betonte bei der Enthüllung des Denkmals, dass Johann Georg Elser sechs Jahre vor dem Stauffenberg-Attentat, nämlich schon 1938, erkannt habe, was zu tun sei. Ausgezeichnet habe Elser vor allem die Entschiedenheit zur Tat:

"Es gibt immer Leute, die rumquatschen, aber ernst zu nehmen sind allein die, die es durchsetzen. Es gibt nur diese zwei unter Deutschen","

sagte der Dramatiker, wobei er Stauffenberg mit einschloss.

Dass die Tat eines Märtyrers wie Elser jahrzehntelang verkannt worden sei, vor allem auch in der späteren DDR, begründete Hochhuth damit, dass Elser nicht in das Bild des vorbildlichen Kommunisten gepasst habe:

""Er war eben zu idealistisch, er gehörte keinem Kollektiv an, war nie in einer Partei, und Einzelgänger werden nicht geschätzt, weder in so sich nennenden Demokratien noch in Diktaturen. So war das immer."

Insgesamt waren bei dem Attentat am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller acht gestorben, darunter auch die Aushilfskellnerin Maria Strobel. Über 60 Menschen waren verletzt worden, Hitler hatte das Restaurant - anders als von Elser geplant - bereits vor der Explosion verlassen. Eine Schuld am Tod Unschuldiger kann Hochhuth jedoch nicht erkennen:

"Natürlich ist ein Attentat immer auch eine moralische Frage, aber was Elser betrifft, er hatte sich genau informiert: Wann und wie lange spricht Hitler? Und dass Hitler eben elf Minuten früher, weil er nicht den Flieger nehmen konnte, sondern nun den Zug nehmen musste, musste er überstürzt – viel früher als in jedem anderen Jahr – nach Berlin reisen. Und während der Führer sprach – so war es in jedem Jahr – durfte niemals serviert werden. Das hat Elser ganz genau zur Kenntnis genommen. Es ist nicht seine Schuld, dass auch eine Kellnerin umkam. Und die anderen, die umgekommen sind, sind natürlich alles profilierte Nazis gewesen, denn andere durften gar nicht in der Nähe Hitlers während seiner Rede sitzen."

Auf die Frage, was Menschen heute von Johann Georg Elser lernen können, sagte Hochhuth:

"Dass man sich auflehnen muss, dass man auch, glückverdummt wie wir seit 66 Jahren Frieden, aufpassen muss, dass die Demokratie partiell in Diktaturen entartet. Der Bürger muss auf der Hut sein."

Das vollständige Gespräch mit Rolf Hochhuth können Sie in unserem Audio-on-Demand-Angebot mindestens bis zum 8. April 2012 als MP3-Audio hören.

Links auf dradio.de:

Attentäter aus Gewissensgründen - Georg Elser sah das Grauen voraus - am 9. November 1939 verübte er ein Attentat auf Hitler, ohne Erfolg
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