Der Chefausstatter des Nazi-Regimes

Von Jochen Stöckmann |
Als "Generalbaumeister" sollte der Architekt Speer für Hitler Berlin zu "Germania" umbauen Speer, geblendet von der Machtfülle an Hitlers Seite, begeisterte sich für solch schieren Größenwahn. Er sah weder den Zweck der Bauvorhaben, noch machte er sich später als Rüstungsminister Gedanken über das Schicksal der Millionen von Zwangsarbeitern, die für die Bauprojekte herhalten mussten.
Kaum war Hitler 1933 an die Macht gekommen, da begann die Karriere eines bis dato völlig unbekannten Architekten: Albert Speer. Mit treffsicherem Gespür für einschüchternde Effekte setzte dieser nicht einmal dreißig Jahre alte Gefolgsmann die Auftritte des Diktators in Szene. Für die Berliner Mai-Feier auf dem Tempelhofer Feld ließ Speer die Rednertribüne so hoch wie ein zehngeschossiges Haus bauen, drapierte sie mit gewaltigen, 45 Meter langen Hakenkreuzfahnen, leuchtete alles mit Scheinwerfern dramatisch aus. Und im Reichsrundfunk erläuterte der Architekt und "Parteigenosse" den Zweck dieser Übung:

"Dass bei der Länge des Feldes von rund 1000 Metern es notwendig ist, dass wir den Mittelpunkt, von dem aus der Führer spricht so ausgestalten, dass er auch von dem entferntesten Menschen als besonders wirkungsvoll empfunden wird."

Als Benjamin in der ohnehin jungen NS-Führungsriege avancierte der am 19. März 1905 geborene Sohn einer Architektendynastie zum Chefausstatter des Nazi-Regimes. Ob Parteitage oder Pavillon für die Pariser Weltausstellung, Speer sorgte mit Lichtdomen und Fahnenmeer, mit Granit und Marmor für eine perfekte Schauseite der Diktatur. Dazu zählten die größenwahnsinnigen Umbaupläne für Berlin als Reichshauptstadt "Germania". All das schreckte Speer nicht, der noch Mitte der Siebziger bekannte:

"Mit jungen Jahren Bauaufträge zu bekommen, die in der Baugeschichte einmalig waren, hatte natürlich etwas so Faszinierendes, dass ich nicht glaube, dass ich dieser Versuchung widerstehen könnte, selbst wenn sie mir heute geboten würde."

Speers Lehrer Heinrich Tessenow, der unter den Nazis keine Aufträge mehr bekam, kommentierte die Entwürfe seines Assistenten:

"Es macht Eindruck, das ist alles!"

Aber die Architektur war eben nicht "alles": 1942 spannte Hitler Speer als Nachfolger von Fritz Todt, dem tödlich verunglückten Rüstungsminister ein. Der Generalbaumeister wusste, dass es nun um mehr ging als Betonbunker für den Atlantikwall - und er nahm diese Aufgabe als Parteisoldat dankbar an:

"In der Zukunft werden die Aufgaben der Organisation Todt erweitert. Ich selbst werde als Chef dieser Organisation die Uniform mit Stolz tragen. Denn der Erfolg unserer Arbeit ist entscheidend für den Sieg Deutschlands."

Nicht Durchhalteparolen und kriegsverlängernde "Wunderwaffen"-Propaganda, sondern das System der Zwangsarbeit brachte Albert Speer 1946 vor den Internationalen Gerichtshof in Nürnberg. Für sein Rüstungsministerium, das bestätigte der Angeklagte, hatten 14 Millionen Menschen gearbeitet. Von deren Leiden aber wollte er selbst bei einem Besuch des Konzentrationslagers Mauthausen nichts bemerkt haben:

"Ich habe damals eigentlich gedacht, dass in den Konzentrationslagern aus Gründen der Effektivität bessere Zustände herrschen als wie sie tatsächlich geherrscht haben."

Diesen Charakterzug des willigen, allein an "Effektivität" interessierten Technokraten hatte noch während des Krieges Sebastian Haffner im englischen Exil erkannt. Im April 1944 schrieb er im "Observer":

"Er symbolisiert einen Typus, der in allen kriegführenden Staaten wichtig wird: den reinen Techniker. Die Hitler und Himmler mögen wir loswerden, aber die Speers, was auch immer mit ihnen geschieht, werden lange mit uns sein."

Im Nürnberger Prozess forderten zwei der vier Ankläger die Todesstrafe für Speer, das Urteil lautete am Ende auf zwanzig Jahre Gefängnis. Und diese Zeit nutzte der mit einem exzellenten Zahlen- und Faktengedächtnis ausgestattete Häftling zur Ausarbeitung seiner "Memoiren". Nach seiner Entlassung aus der Spandauer Zitadelle gaben die Bücher des 1981 gestorbenen Architekten die Richtung an für einen ganzen Schwall von Biographien der NS-Zeit. Die "Schuldfrage" wurde darin zumeist auf die Person Hitlers geschoben - oder anonymen Kräften wie "der Technik" und "dem Apparat" angelastet, so, wie es Speer mit seinem Schlusswort in Nürnberg vorexerziert hatte:

"Durch die Mittel der Technik, wie Rundfunk und Lautsprecher, wurde 80 Millionen Menschen das selbständige Denken genommen; sie konnten dadurch dem Willen eines einzelnen hörig gemacht werden."