Ein Überlebender der Kulturrevolution
55:07 Minuten
Zunächst ganz auf der Seite des Kommunismus in der jungen Volksrepublik China, geriet Xilin Wang, geboren 1936, unter konterrevolutionären Verdacht: 14 Jahre Straflager und Verbannung, die ihn nicht brechen konnten. Er komponierte mit überwältigender Kraft.
Xilin Wang zählt zu den bedeutendsten Komponisten Chinas. Er zeichnet sich durch einen ausdrucksstarken, effektvollen Kompositionsstil aus. Wang wurde 1936 in Kaifeng in der chinesischen Provinz Henan geboren. Aufgrund des frühen Todes seines Vaters und der Armut seiner Familie, trat er einer Künstlergruppe innerhalb der Volksbefreiungsarmee bei.
Träger des höchsten chinesischen Staatspreises
1955 wurde er an der Central Military Music Conducting School in Peking aufgenommen. Ab 1957 studierte Wang Komposition und Dirigieren am Shanghai Conservatory of Music. Für seinen Studienabschluss komponierte er 1962 seine erste Sinfonie. Anschließend wurde er Composer in Residence beim Beijing Central Radio Symphony Orchestra. Seine sinfonische Suite "Yunnan Tone Poem" gewann 1963 den höchsten chinesischen Staatspreis.
Verbannt, gefangen, gefoltert
Im selben Jahr, kurz vor der chinesischen Kulturrevolution, hielt Wang einen Vortrag, der die Kulturpolitik der Regierung kritisierte. Dies führte zu seiner Entlassung und zu einer 14-jährigen Verbannung.
"Es war Oktober 1968, da bin ich von den Leuten fast totgeschlagen worden. Ich habe mir immer gesagt, ich bin unschuldig, habe nichts verbrochen, während die Leute mich schlugen. Aber die Schläge der Leute haben meine inneren Energien befreit. Und ich habe mir geschworen: 'Ich werde niemals sterben, ich werde überleben'. Und so fand ich den Weg, mit Musik, mit Sinfonien meine Schmerzen mitzuteilen."
Bis 1971 war er Zwangsarbeiter in der Stadt Datong, wo er unter Verfolgung, Folter und Haftstrafen litt. In den darauffolgenden Jahren befand er sich im Exil und wurde zum Komponisten des Southeast Shanxi Song and Dance Ensemble ernannt.
Begegnung mit der Avantgarde
Nach Ende der Kulturrevolution 1978 kehrte Wang nach Peking zurück. Dort lernte er zum ersten Mal die Musik der europäischen Avantgarde kennen, unter anderem Schönberg, Bartók, Strawinsky und Penderecki. Diese Begegnung schlug sich unmittelbar in seiner kompositorischen Technik nieder, indem er begann, Sequencing, Minimalismus, Toncluster, ebenso wie folkloristische Elemente in seine sinfonischen Werke einzubeziehen.
Politische Wirren initiieren Musik
Zu seiner dritten Sinfonie zum Beispiel, die 1989 entstand - mitten im Jahr des schrecklichen Massakers auf dem Tian-Anmen-Platz - berichtet er: "Das Unrecht belastet mich, der Tod so vieler Leute, ich möchte in der Musik nicht nur mein eigenes Schicksal, sondern das Schicksal meiner ganzen Generation widerspiegeln. Ich brauchte 10 Jahre zur Vorbereitung und musste erst die nötige Technik, die musikalische Sprache finden, um diese Sinfonie schreiben zu können. Genau zu diesem Zeitpunkt, 1989, das war wirklich der Moment, wo ich den Impuls und die starke Motivation erhielt, den Plan umzusetzen."
Wangs umfangreiches Oeuvre besteht aus acht Sinfonien, zahlreichen Konzerten, sinfonischen Suiten und Ouvertüren; des weiteren Kammermusik, Vokalwerke und Filmmusik. Seine Werke werden in China und Europa aufgeführt. Derzeit ist Wang Composer in Residence beim Beijing Symphony Orchestra.
Der chinesische Schostakowitsch
Wangs Musik ist nicht traditionell chinesisch, sondern westlich in dem Sinne, dass er für die Klangkörper der westlichen Musik komponiert, die in seinen frühen Jahren in China allerdings nur ein ganz schmales Repertoire hatte. Die Moderne war allenfalls durch propagandistische Sowjetmusik präsent.
Er hat sich aus den Bruchstücken der westlichen Musiksprache seine eigene Ausdruckswelt geschaffen, im Falle der 3. Sinfonie 1990 wirkt sie wie eine unversöhnliche Klage, unnachgiebig und berstend vor Kraft, wie ein Strafgericht.