Tom Franz mit Regina Carstensen: Sehnsucht Israel. Mein Leben zwischen Kippa, Küche und Koriander
Gütersloher Verlagshaus 2018
256 Seiten, 20,00 Euro
Religion geht durch den Magen
Tom Franz ist in Israel ein Star: Sieger der israelischen Kochshow "Masterchef". Gepunktet hat er dort mit deutscher Küche. "Zwischen Kippa, Küche und Koriander" lautet der Untertitel seines Buches, in dem er erzählt wie aus ihm - einem deutschen Anwalt - ein strenggläubiger Jude wurde.
Café Roladin in Ra’anana am nördlichen Stadtrand von Tel Aviv. Herrliche Cremetorten und Strudel liegen in den Glasvitrinen. Sonntag vormittag herrscht hier viel Betrieb. Mit federnden Schritten betritt Tom Franz den Raum – sportliche Gestalt, kurze Haare, strahlendes Lächeln.
Kippa und Zitziot, Schaufäden seines Gebetsschals, die unter den Kleidern hervorschauen, lassen keinen Zweifel: Tom Franz versteht sich als frommer Jude. Er setzt sich so an den kleinen Bistro-Tisch, dass ihn nicht alle Gäste sofort erkennen – denn seit er im Jahr 2013 die in Israel beliebte Kochshow "Masterchef" gewonnen hat, ist er hier eine Celebrity.
"'Ich bin ja nicht in Deutschland bekannt geworden, nur weil ich gut kochen konnte, ich bin auch nicht in Israel bekannt geworden, weil ich gut kochen konnte. Also schon, es war der Anlass, aber der Grund ist doch dahinter die ganze Geschichte und die ist länger und tiefer und verbindet halt Deutschland und Israel und das macht das halt so interessant, weil das halt nicht irgendein Land ist und irgendeine Religion... Aus Deutschland nach Israel zu gehen, vom Christentum zum Judentum zu gehen, aus der Anwaltskanzlei in die Küche zu gehen, das sind einfach gute Richtungen, die sind interessant."
Wie er sich Israel annäherte
Zumindest hat Tom Franz die Erfahrung gemacht, dass sein deutsches und israelisches Publikum begeistert auf seine private Geschichte reagiert und so hat er sie jetzt detailliert – vielleicht passagenweise etwas zu detailliert - aufgeschrieben: Wie er seine Liebe zu Israel entdeckte – bei einem Schüleraustausch. Wie er sich Israel annäherte – durch den Dienst in einem Altersheim mit der Aktion Sühnezeichen.
"Ein Großteil der Freiwilligen hatte sich für diesen Dienst aus einem einzigen Motiv heraus entschieden – Sühne ableisten für die Shoah. Wir nannten sie Edelsühner. Die Shoah war zwar auch in meinem Bewusstsein, auch ich spürte Verantwortung – wohlgemerkt keine Schuld –, aber noch wichtiger war, in diesem wunderbaren Land zu leben, inmitten dieser wunderbaren Menschen. Etwas zog mich zu ihnen hin."
Vom kiffenden Partygänger zum treuen Ehemann
So weit, so typisch. So häufig gehört. Das Besondere an Franz aber ist: Sein Weg führte nicht nur aus Erftstadt-Lechenich nach Tel-Aviv. Sondern der säkulare, Party-feiernde, gelegentlich kiffende, durchaus promiskuitive, ehrgeizige Rechtsanwalt wird schließlich zum treuen Ehemann, mehrfachen Familienvater und frommen Juden "am Rande zur Orthodoxie", wie er selbst sagt. Katalysator, schreibt Franz, war eine spirituelle Bewusstseinserweiterung infolge eines Joints.
"Zum Schluss führte dieser außergewöhnliche Rausch zu einem ganz starken Gefühl von Gott und Sehnsucht nach Wahrheit. Ich wusste nun, wo ich hingehen sollte. Das musste nicht speziell Israel sein, aber zwangsläufig das Judentum."
Jetzt kocht er streng koscher
Von einem Tag auf den anderen isst Franz weder Schweinefleisch noch Tintenfische. Und er beginnt, tiefer in die jüdische Religion einzutauchen – ein Prozess, an dessen Ende für ihn die Konversion steht.
"Judentum ist etwas, was viel mit Lernen zu tun hat. Und es ist nicht Lernen für einen Abschluss, es ist nicht lernen für eine Prüfung. Sondern lernen ist Selbstzweck. Man lernt, um sich mit der uns übergebenen Torah zu beschäftigen, mit dem, was Gott von uns will. Und dieses Lernen ist halt etwas, was in den Alltag gehört. Man bemüht sich, diejenigen, die so religiös sind wie ich, jeden Tag eine Stunde zu lernen, zusätzlich zu den Gebeten, die ja auch schon gute anderthalb Stunden am Tag dauern."
Dass es im Judentum so viele Vorschriften für den Alltag, besonders für die Zubereitung von Speisen, aber auch für die Feiertagsrituale gibt, fasziniert Franz. Seit er sich zur Konversion entschlossen hat, kocht er strikt koscher.
"Im Judentum ist Kochen und Essen erst mal Teil der religiösen Handlung. Es gehört in die Feiertage hinein, aber der Prozess vom Einkaufen bis zur Zubereitung der Speisen folgt in vielen Bereichen nach gewissen Vorschriften, die, wenn man die einhält mit der richtigen Einstellung, dann ist man schon dabei, Gottesdienst zu tun."
Die Küche als spiritueller Raum
Kochen ist ihm Gottesdienst, die Küche ein spiritueller Raum.
"Das, was man freitags kocht, schmeckt am Schabbat, wenn man aus der Synagoge kommt, Kiddusch gemacht hat, und den Segen über das Brot gesprochen hat, schmeckt anders und schmeckt weit besser als das gleiche, das man an jedem andern Tag isst. Es gibt da eine Zutat, die nennt sich halt: Die Einhaltung des Schabbat. Und das ist das teuerste Gewürz auf der Welt, denn das kann man nicht kaufen. Man muss es tun. Man muss es leben. Und dann kann man es erleben."
Wer am Schabbat auf Arbeit verzichte, könne das Essen mit mehr Ruhe genießen. Franz weiß, dass viele seiner Erzählungen etwas wunderlich, wenn nicht gar märchenhaft klingen: Etwa wie er mit durch Gottes Fügung seine Frau Dana gefunden hat: eine bildschöne PR-Expertin in der Restaurant und Food-Szene, die ihn bei seiner Karriere als Masterkoch unterstützt hat – und die wie er bereit war, sich dem religiösen Leben zuzuwenden.
Oder wie ihm eine Sternschnuppe signalisierte, dass er die Kochshow "Masterchef" gewinnen würde. Gerade aber weil er ein Bewusstsein dafür behalten hat, wie man denkt, wenn man nicht religiös lebt, kann er gut zwischen den Welten vermitteln – zwischen Israelis und Deutschen, aber auch zwischen unterschiedlichen jüdischen Strömungen in Israel.
"Weil ich halt von außen nicht nur als Säkularer und sondern als Nicht-Jude da reingekommen bin, hab ich halt einen Blickwinkel, der sehr vermittelnd ist, weil er halt das Unverständnis, das man erst mal von zu Hause mitbringt, kennt. Also da komme ich ja her. Ich hab auch mal Unverständnis gehabt, ich konnte damit auch nichts anfangen, ich war auch völlig säkular und konnte auch mit der starken Religiosität nichts anfangen."
Mut, die eigenen Sehnsüchte ernst zu nehmen
Es ist diese Perspektive, die das Buch gerade für ein junges, wenig informiertes Publikum hierzulande interessant macht: Es verschreckt nicht durch Überkomplexität, sondern erklärt in einfacher, leicht verständlicher Sprache vieles über die deutsch-jüdische Geschichte seit der Shoah, es berichtet vom Alltagsleben in Israel, vielen Aspekten des religiösen Judentums und vor allem ermutigt es, die eigenen Sehnsüchte ernst zu nehmen.
"Mein Leben ist eine Reise in Richtung des inneren Kompasses und das ist eine Reise, die ist schwer zu gehen, denn der Kompass funktioniert anders, als die Wegweiser, die um uns herum auf dem Weg stehen."