Der digitale Fingerabdruck

Von Annette Schneider-Solis |
Seit über 100 Jahren hilft der Fingerabdruck der Polizei, Verbrecher zu finden. Das Verfahren zur Fingerspurensicherung hat sich in der Zwischenzeit nur wenig weiterentwickelt. Doch schon bald könnten Computer und optische Hilfsmittel den Ermittlern die Arbeit wesentlich erleichtern.
"Durch diese Tür muss ja irgendwas gegangen sein, irgendjemand. Schauen wir mal, ob wir Fingerabdrücke finden. Ah, hier ist was, so ein bisschen sieht man jetzt. Da, wo also diese fettigen und feuchten Bestandteile der Fingerspur sind, bleiben die feinen Partikel des Pulvers haften, und wir können die Spuren dann sichtbar machen."

Michael Ulrich zückt den Fotoapparat und hält die Fingerspur im Bild fest. Zuvor hat er den Abdruck akribisch mit Rußpulver abgepinselt und so sichtbar gemacht. Das typische Rillenmuster hebt sich nun deutlich vom Untergrund ab. Michael Ulrich leitet die Tatortgruppe am sachsen-anhaltischen Landeskriminalamt. Die Sicherung von Fingerabdrücken ist sein tägliches Brot:

"Die Techniken, die wir dazu verwenden, die haben sich seit 1903 nicht so wesentlich verändert. Wir haben den Rußpulverpinsel, der durchaus noch seine Berechtigung hat. Wir sind also immer in der Situation, dass wir irgendwelche Substanzen an die Fingerspur bringen müssen, damit sie einen farblichen Kontrast zum Untergrund darstellen. Dieser farbliche Kontrast lässt uns die Linienstruktur des Fingerabdrucks sehen. Die können wir dann vergleichen mit Vergleichsmaterial einer Person und so die Identität des Verursachers feststellen."

Bis der Fingerabdruck vom Tatort jedoch mit der Sammlung in der riesigen Datenbank verglichen werden kann, vergeht wertvolle Zeit. Werden Spuren mit ins Labor genommen, dauert es oft tagelang, bis ein verwertbarer Fingerabdruck vorliegt.

Künftig soll das wesentlich schneller gehen! Digi-Dak heißt ein Forschungsprojekt, das vom Bund gefördert wird und dessen Leitung die Informatiker der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg übernommen haben. Digi-Dak steht für Digitale Daktyloskopie.

Dabei werden die Fingerabdrücke von Spezialkameras aufgenommen und dreidimensional wie ein Höhenprofil gespeichert sagt der Informatiker Mario Hildebrandt:

"'"Hier geht es darum, latente Spuren, die normalerweise nicht sichtbar sind, zum Beispiel an Oberflächen von Tatorten zu erfassen, hochauflösend und unverändert, damit diese für die Analyse im normalen Polizeigebrauch genutzt werden können.""

Im Büro am Institut für Informatik: Auf einer Werkbank befindet sich ein Metallteil, das auf Fingerabdrücke untersucht wird. Ein optischer Sensor in der Größe einer kleinen Taschenlampe fährt über dem Teil hin und her. Mithilfe chromatischer Weißlichtsensorik, wie sie auch in der Oberflächenanalyse von winzigsten Strukturen auf Werkstoffen eingesetzt wird, sucht der Scanner nun nach Fingerabdrücken und liest sie dreidimensional ein.

Mit einem Höhenprofil im Tausendstel Millimeterbereich. Punkt für Punkt, Zeile für Zeile tastet der Scanner das Metallteil ab. Zunächst wird mit einer Grobmessung festgestellt, ob überhaupt Fingerspuren vorhanden sind, dann wird per Feinmessung der Abdruck abgebildet.

Bis zu 1000 Punkte pro Millimeter erfasst der Scanner, erklärt Claus Vielhauer, Prof. an der Fachhochschule Brandenburg:

"Wenn wir jetzt Daten in dieser Auflösung vorliegen haben, können wir die Erkennungsziele, nämlich die Detektion von Fingerspuren, also: wo sind welche und wo sind keine, bzw. die Alterung von Spuren bzw. auch den Übergriff der Spuren. Also, wie können wir mit Hilfe von Methoden aus der Informatik diese Ziele erreichen. Die Vision ist natürlich, so was sehr zeitnah durchzuführen. Und dann wirklich im Minutenbereich so was in der Praxis machen zu können."

Die Informatik soll die Daktyloskopie revolutionieren! Eines der größten Probleme ist die Analyse von sich überlagernden Fingerabdrücken, die möglicherweise auch von verschiedenen Personen stammen. Bisher waren solche Tatortspuren völlig unbrauchbar für die Kriminalisten. Das soll sich jetzt ändern!

Marcus Leich verändert die Ansicht auf seinem Computerbildschirm. Wo eben noch eine riesige Fingerspur war, auf der kleinste Hauptporen wie Vulkane erscheinen, dort sieht man jetzt ein kleines Gebirge. Das Höhenprofil einer Fingerspur. Der Informatiker lässt verschiedene Ansichten über den Monitor wandern. Stoppt bei zwei sich überlagernden Fingerabdrücken.

"Woran von uns und anderen geforscht wird ist, dass man diese Fingerabdruckmuster separieren kann, sodass man am Ende zwei getrennte Fingerabdruckbilder bekommt, die man mit klassischen Methoden analysieren kann. Da sehen wir hier ein Ergebnis, wurde im letzten Wintersemester von Studenten von uns erzielt, was ziemlich beeindruckend ist. Das ist Ergebnis von anderer Gruppe, die testen das mit künstlich überlagerten Fingerabdrücken und Bildbearbeitungsprogramm."

Hier ist die Wissenschaft noch am Anfang, und hier wird es wohl verschiedene Lösungen geben.

Weiter sind die Informatiker bei einer anderen kniffligen Sache: Der Altersbestimmung einer Fingerspur. Was für die Ermittler von unschätzbarem Wert ist - denn an den meisten Tatorten könnten sie alte Spuren einfach ignorieren.

Hier haben die Informatiker schon ganze Arbeit geleistet, erzählt Professorin Jana Dittmann:

"Schweiß hat sehr viel Flüssigkeit drin, und je nachdem, wie hoch der Wasserstand auf unserem Fingerabdruck ist mit allen Zusätzen, können wir sagen, ob es eine frische Spur ist. Die Unterscheidungen, das sind wirklich 10-Minuten-Abstände, haben wir. Jetzt können wir schon sagen, ob eine Spur 24 Stunden alt ist oder mehrere Tage. Wenn die Probe ein gewisses Alter hat, altert sie weniger. Und da arbeiten wir, um noch feingranularer zu bestimmen, um sagen zu können, das liegt Monate oder Jahre zurück."

Die Informatiker haben Computerprogramme entwickelt, mit denen Polizisten die bisherigen digitalen Möglichkeiten der Fingersuche nutzen können. Das geschieht im LKA Sachsen-Anhalt - allerdings nur versuchsweise. Bis der digitale Fingerabdruck bei der Verbecherjagd helfen wird, dauert es noch. In der Zwischenzeit werden Michael Ulrich vom LKA Sachsen-Anhalt und seine Kollegen weiter mit Rußpulver und Pinsel Spuren sichern.