Der doppelte Jesus
Wie alle Oberammergauer Passionsspieler müssen auch die beiden Jesus-Darsteller mindestens 20 Jahre in Oberammergau wohnen und dürfen sich ein Jahr lang den Bart nicht schneiden lassen.
Sie werden sich die 102 Vorstellungen teilen. Wer bei der Premiere am 15.Mai 2010 Jesus sein wird, entscheidet kurz zuvor das Los. Es ist eine hohe Auszeichnung, wer vom Spielleiter in Abstimmung mit dem Gemeinderat als Jesus vorgeschlagen wird, doch er muss auch die Schmerzen der Osterpassion erleiden. Allein der Tod, fast nackt am Kreuz, die Fußsohlen an Nägeln abgestützt, dauert über 20 Minuten:
"Wir hatten gerade jetzt vergangene Woche die Fotoaufnahmen für den Bildband gemacht, ich habe jetzt noch blaue Flecken auf dem Rücken auf dem Kreuzweg, weil man natürlich das dumme Ding da tragen muss und es ist sauschwer, die schupsen und so. Das sind schon physische Schmerzen, die man erleiden muss. Man muss eine Zeit lang auf dem Boden herumliegen. Das ist alles andere als angenehm."
Andreas Richter, 30 Jahre alt, ist einer der beiden Jesusdarsteller, von Beruf Psychologie in Garmisch-Partenkirchen. Wie auch der andere Jesusdarsteller Frederik Mayet; Betriebswirt und Pressesprecher in einem Münchner Theater, geht Richter unter Tags seinem Beruf nach. Mehr als die psychischen Leiden macht dem Psychologen zu schaffen, wenn er im Dorf die Ausgrenzung von Jesus spielen muss.
"Aber was mir mehr kommt, als das Physische auch so ein psychisches Leiden. Man kann sich schon sehr schnell damit identifizieren, wenn man verspottet wird. Also wir haben Proben im kleinen Theater, das sind alle in Zivilkleidung. Man sitzt im auf einem Stuhl. Das sind 50 Rottler rundherum, die sind auch alle in Zivilkleidung. Man kennt jeden. Die sind alle bärtig, plötzlich stehen die auf und fangen an, einen zu verspotten. Man ist ziemlich schnell eigentlich da drin. Man muss da nicht viel spielen."
Es ist Karwoche. Doch die Kreuzigung spielte sich ja nicht im Frühling in kühlen bayrischen Wäldern ab. Deshalb pilgerten die Oberammergauer Passionsdarsteller auch nach Jerusalem.
"Es ist total hilfreich, dass wir uns an den Originalschauplätzen mit den Originaltexten auseinandergesetzt haben, viel diskutiert haben und dann ein Gespür gekriegt haben. Das ist staubig, heiß und das ist einfach so ganz anders als jetzt in Oberbayern."
Spielleiter Christian Stückl hat die Diskussion über den ursprünglichen antisemitischen Gehalt der Passionsspiele auch dadurch entschärft, dass er das Passionsgeschehen als innerjüdischen Konflikt darstellt. Die Oberammergauer müssen daher auch immer wieder Hebräisch singen und sprechen.
"Was einem da ganz extrem bewusst wird, dass Jesus Jude durch und durch war, er wurde beschnitten, hat die Bar Mitzwa gehabt, er hat in der Synagoge gelehrt. Er hat gesagt: Vom Gesetz soll kein Jota weggestrichen werden. Er ist auch in dem Bewusstsein als Jude gestorben. Wir erzählen da nicht die Geschichte des ersten Christen, sondern die Geschichte eines Mannes aus Galiäa. Im Abendmahl steht der siebenarmige Leuchter, und das Mahl, das da gefeiert wird, ist erstmal ein Pessachfest."
Jesus auf der Bühne und Jesus auf Reisen. Wenn Andreas Richter und Frederik Mayet im letzten Jahr mit dem Passionsspielteam verreisen, bleiben sie nicht incognito. In Amerika, von wo nach wie vor die meisten auswärtigen Besucher kommen, habe bereits der Grenzbeamte von "the passion play" in Oberammergau gewusst. Und auch am See Genezareth wurden sie sogleich als Jesus identifiziert, erzählt Frederik Mayet.
"Waren am See Genezareth und haben Petrusfisch gesessen. Und dann kam eine andere Bustour rein, und die haben uns als Oberammergauer entlarvt. Sitzen da natürlich 50 Leute mit langen Haaren und Bärten herum - gut, nicht 50 - es waren auch einige Frauen dabei – und dann ging's sofort los, dass wir beim Petrusfisch-Essen fotografiert wurden, wie so ein Souvenirgeschichten und Sehenswürdigkeiten."
Beim Spiel freuen sich die beiden Jesusdarsteller vor allem auf eine Szene. Den Einzug nach Jerusalem, wenn sie mit Beifall empfangen und gewürdigt werden.
"Die angenehmste, schönste Stelle ist natürlich die erste Szene, wenn man auf dem Esel in Jerusalem einreitet, 500 Leute um einen herum sind, 'Heil dir' singen, einem zujubeln und dann, wenn man die Rede beginnt, praktisch dann einem auch an den Lippen kleben. Das ist praktisch eine Stelle, wo man praktisch so auf einem Teppich getragen wird. Und wenn dann 5000 Zuschauer im Publikum sitzen und man die Sätze auf den Punkt dann spricht, dass das eine tolle Szene wird."
Links auf dradio.de:
Interview mit dem Regisseur Christian Stückl
Links zum Thema:
Homepage 41. Oberammergauer Passionsspiele
"Wir hatten gerade jetzt vergangene Woche die Fotoaufnahmen für den Bildband gemacht, ich habe jetzt noch blaue Flecken auf dem Rücken auf dem Kreuzweg, weil man natürlich das dumme Ding da tragen muss und es ist sauschwer, die schupsen und so. Das sind schon physische Schmerzen, die man erleiden muss. Man muss eine Zeit lang auf dem Boden herumliegen. Das ist alles andere als angenehm."
Andreas Richter, 30 Jahre alt, ist einer der beiden Jesusdarsteller, von Beruf Psychologie in Garmisch-Partenkirchen. Wie auch der andere Jesusdarsteller Frederik Mayet; Betriebswirt und Pressesprecher in einem Münchner Theater, geht Richter unter Tags seinem Beruf nach. Mehr als die psychischen Leiden macht dem Psychologen zu schaffen, wenn er im Dorf die Ausgrenzung von Jesus spielen muss.
"Aber was mir mehr kommt, als das Physische auch so ein psychisches Leiden. Man kann sich schon sehr schnell damit identifizieren, wenn man verspottet wird. Also wir haben Proben im kleinen Theater, das sind alle in Zivilkleidung. Man sitzt im auf einem Stuhl. Das sind 50 Rottler rundherum, die sind auch alle in Zivilkleidung. Man kennt jeden. Die sind alle bärtig, plötzlich stehen die auf und fangen an, einen zu verspotten. Man ist ziemlich schnell eigentlich da drin. Man muss da nicht viel spielen."
Es ist Karwoche. Doch die Kreuzigung spielte sich ja nicht im Frühling in kühlen bayrischen Wäldern ab. Deshalb pilgerten die Oberammergauer Passionsdarsteller auch nach Jerusalem.
"Es ist total hilfreich, dass wir uns an den Originalschauplätzen mit den Originaltexten auseinandergesetzt haben, viel diskutiert haben und dann ein Gespür gekriegt haben. Das ist staubig, heiß und das ist einfach so ganz anders als jetzt in Oberbayern."
Spielleiter Christian Stückl hat die Diskussion über den ursprünglichen antisemitischen Gehalt der Passionsspiele auch dadurch entschärft, dass er das Passionsgeschehen als innerjüdischen Konflikt darstellt. Die Oberammergauer müssen daher auch immer wieder Hebräisch singen und sprechen.
"Was einem da ganz extrem bewusst wird, dass Jesus Jude durch und durch war, er wurde beschnitten, hat die Bar Mitzwa gehabt, er hat in der Synagoge gelehrt. Er hat gesagt: Vom Gesetz soll kein Jota weggestrichen werden. Er ist auch in dem Bewusstsein als Jude gestorben. Wir erzählen da nicht die Geschichte des ersten Christen, sondern die Geschichte eines Mannes aus Galiäa. Im Abendmahl steht der siebenarmige Leuchter, und das Mahl, das da gefeiert wird, ist erstmal ein Pessachfest."
Jesus auf der Bühne und Jesus auf Reisen. Wenn Andreas Richter und Frederik Mayet im letzten Jahr mit dem Passionsspielteam verreisen, bleiben sie nicht incognito. In Amerika, von wo nach wie vor die meisten auswärtigen Besucher kommen, habe bereits der Grenzbeamte von "the passion play" in Oberammergau gewusst. Und auch am See Genezareth wurden sie sogleich als Jesus identifiziert, erzählt Frederik Mayet.
"Waren am See Genezareth und haben Petrusfisch gesessen. Und dann kam eine andere Bustour rein, und die haben uns als Oberammergauer entlarvt. Sitzen da natürlich 50 Leute mit langen Haaren und Bärten herum - gut, nicht 50 - es waren auch einige Frauen dabei – und dann ging's sofort los, dass wir beim Petrusfisch-Essen fotografiert wurden, wie so ein Souvenirgeschichten und Sehenswürdigkeiten."
Beim Spiel freuen sich die beiden Jesusdarsteller vor allem auf eine Szene. Den Einzug nach Jerusalem, wenn sie mit Beifall empfangen und gewürdigt werden.
"Die angenehmste, schönste Stelle ist natürlich die erste Szene, wenn man auf dem Esel in Jerusalem einreitet, 500 Leute um einen herum sind, 'Heil dir' singen, einem zujubeln und dann, wenn man die Rede beginnt, praktisch dann einem auch an den Lippen kleben. Das ist praktisch eine Stelle, wo man praktisch so auf einem Teppich getragen wird. Und wenn dann 5000 Zuschauer im Publikum sitzen und man die Sätze auf den Punkt dann spricht, dass das eine tolle Szene wird."
Links auf dradio.de:
Interview mit dem Regisseur Christian Stückl
Links zum Thema:
Homepage 41. Oberammergauer Passionsspiele