Einkaufen auf dem Land

Fast wie bei Tante Emma

29:51 Minuten
"Emmas Tag & Nacht Markt" steht über den Fenstern eines 24-Stunden-Dorfladens.
Ein ausgefuchstes System aus Chipkarten, Selbstzahlkassen und Apps soll dafür sorgen, dass künftig auch im Dorf rund um die Uhr eingekauft werden kann. © picture alliance / dpa / Martin Schutt
Von Ernst-Ludwig von Aster |
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Wer auf dem Land lebt, braucht ein Auto, um einzukaufen. Dorfläden gibt es nicht mehr, weil sie angeblich nicht rentabel sind. Doch Start-ups beweisen nun das Gegenteil. Und siehe da, Tante Emma funktioniert. Wenn auch ein bisschen anders als früher.
Im niedersächsischen Örtchen Blender in der Weser-Marsch, knapp zehn Kilometer von der Kreisstadt Verden entfernt, steht ein rotes Backsteingebäude. Früher war hier eine Filiale der Volksbank. Doch die ist schon lange geschlossen. Wie so viele Geschäfte in Blender.
Seit einiger Zeit aber leuchtet ein knallgelbes Schild über dem Eingang der alten Volksbankfiliale. „tante enso“ steht darauf in lila Kleinbuchstaben. „Dein Minisupermarkt hier vor Ort“. Rund um die Uhr kann man hier einkaufen, so die Werbung auf dem Fenster. Eine Rentnerin schiebt den Rollator über die Schwelle. Eine Kamera registriert jede Bewegung. Drinnen steht Marlies vor den Nudelregalen und räumt ein.
Marietta, die Rentnerin, fingert einen verknitterten Einkaufszettel aus ihrer Jackentasche und erzählt aus ihrem Leben. „Mein Mann kann nicht mehr so gut mit dem Auto fahren, ich werde 80, er ist schon 80. Der Laden ist ein Segen hier für uns, wirklich!“

Echte Menschen im digitalen Supermarkt

Marietta manövriert ihren Rollator durch die Gänge. Im ersten Regal warten Cornflakes, Haferflocken & Co. Gegenüber Nudeln, Reis, Tomatensoße. Am Ende des Ganges surrt eine Kühltheke mit Rotkohl, Weißkohl, Karotten, Paprika. Oben links stehen die Eier – die kommen aus der Region. Genauso wie die Milch. „Lokaler Held“ steht auf postkartengroßen grünen Schildern, die Produkte aus der Region markieren. Gelb markiert sind Angebote, die auf Kundenwunsch ins Sortiment aufgenommen wurden.
Alles zusammen finden sich rund 2000 Artikel in den Regalen, sagt Marlies. „Es sind alle Grundnahrungsmittel zu bekommen, wir haben keine 20 Sorten Nudeln, aber 10. Wir haben kein Frischfleisch, dafür abgepackte Ware, genauso Käse, keine Käsetheke, dafür abgepackt. Es wird viel genutzt, auch in den Zeiten, wo keiner da ist, wo also nicht geöffnet ist. Sonnabend, wenn die Jungs nochmal Pizza brauchen oder Grillkohle oder Getränke, dann kommen die Leute und kaufen ein."
Wenn sie und ihre Kollegin Bianca nicht im Dienst sind, dann übernimmt die Technik. Jeder, der eine Kundenkarte hat, kann rund um die Uhr den Laden betreten. Und sich selber an der Scannerkasse abkassieren. Kameras überwachen, dass dabei nichts schief geht. Digitaler Zugang rund um die Uhr, Bedienung gibt es von 9 bis 12 Uhr. Das ist das Angebot. Die Kundenkarte gibt es aber erst ab 18 Jahren. Sonst könnte hier kein Alkohol verkauft werden.
Voll bestückte Regalreihen und Kühlregale in einem kleinen Supermarkt.
Im Dorfsupermarkt tun es auch zehn statt zwanzig Nudelsorten, abgepacktes Fleisch statt einer Theke mit frischen Waren.© Deutschlandradio / Ernst-Ludwig von Aster
Myenso – so heißt das Unternehmen aus dem nahe gelegenen Bremen, das die Idee mit dem Dorfladen 2.0 entwickelt hat. Norbert Hegmann, Ende vierzig, weißes Hemd und Jeans, hat von seinem Büro aus die Bestände in Blender fest im Blick - am Bildschirm.
„Ich kann auf Knopfdruck sehen, wie viel Snickers jetzt noch in Blender im Regal sind. Und das System erkennt dann, wenn zu wenig da sind, dann wird nachbestellt. Wir haben ein paar Großhändler, einer ist Edeka, der beliefert unsere Tante Enso direkt mit dem normalen Standardsortiment."
In Bremen gibt es außerdem ein Zentrallager, wo besondere Produkte, die sogenannten Food-Pioniere, auf ihre Verschickung warten.
Norbert Hegmann kommt eigentlich aus der Supermarktforschung, da hat er mit seinen Kollegen einiges herausgefunden. Zum Beispiel, dass die Kunden mitbestimmen wollen über das Sortiment. Die Landbevölkerung mit logistischer Mangelversorgung rückte schon bald in den Fokus der Unternehmer.
„Wir haben darüber nachgedacht, wie kann man Tante Emma unterstützen. Ein paar Sachen macht Tante Emma richtig gut: Tante Emma kennt die Leute richtig gut, Tante Emma ist als Person ansprechbar. Und rund um die Uhr für die Leute da.“
Nett und um die Ecke. Das aber reicht auf Dauer nicht, um wirtschaftlich zu überleben. In den letzten drei Jahrzehnten schrumpfte die Zahl der kleinen Lebensmittelgeschäfte um 87 Prozent. Von 66.451 auf 8450.
„Was sie aber nicht gut kann, sind günstige Preise, Tante Emma kann auch nicht gut ein großes Sortiment. Tante Emma kann überhaupt nicht digital. Und dann haben wir versucht, was wir in der Stadt gelernt haben, einen digitalen Online-Supermarkt zusammenzubringen mit den Gedanken von Tante Emma“.

Die Einwohner müssen Genossen werden

Die Ortschaft Blender wurde zum Versuchsort. Hegmann & Co  befragten weiter die Kunden, brachten die Logistik zum Laufen. Und die Technik. Nach zwei Jahren Probezeit waren sie sicher, dass es funktioniert. Tante Enso ging auf Standortsuche. Und siehe da: Das Interesse war riesig, erzählt Hegmann. "Es haben sich 900 Bürgermeister und Bürgerinitiativen bei uns beworben, weil sie gerne einen Enso haben wollen. Da haben wir gesagt, das sind so viele, das können wir gar nicht bedienen.“
Also läuft ein Auswahlverfahren. Wer zwischen 1000 und 3000 Einwohner hat und keinen Supermarkt im Umkreis einiger Kilometer, der hat gute Chancen in die nächste Runde zu kommen.
Menschen sitzen in einer Halle auf Bänken und an Tischen und schauen sich eine Präsentation an.
Damit ein Tante-Enso-Laden im Dorf eröffnen kann, müssen mindestens 300 Bewohner zu Genossenschaftern werden.© Deutschlandradio / Ernst-Ludwig von Aster
„Dann unterzeichnen wir eine Absichtserklärung mit dem Bürgermeister, und die erste Bedingung ist: Wir brauchen eine Fläche. Wir brauchen einen Laden, den wir zu wirtschaftlich attraktiven Konditionen mieten können. Oder wir brauchen ein Grundstück, auf dem ein neuer Tante Enso errichtet werden kann."
Doch das reicht noch nicht. Denn dann sind die Bewohner dran. Sie müssen mitmachen, wenn sie einen Markt im Ort haben wollen. Die Bürger müssen Genossen werden. Nicht alle, aber viele. Mindestens 300 Anteile sollen sie zeichnen. "Zweite Bedingung: Nur wenn ihr es schafft, mindestens 300 Menschen zusammenzubekommen, die jeweils 100 Euro einzahlen - also nicht einer, der 30.000 zahlt, sondern 300 mal 100, glauben wir Euch, dass ihr wirklich einen Supermarkt braucht und auch ernsthaft bei uns einkaufen wollt.“
Bis jetzt haben mehr als 30 Orte die 300 Anteil-Hürde genommen.

  Digitale Technologie nicht nur zum Daddeln

Einige hundert Kilometer weiter südöstlich, im thüringischen Örtchen Altengottern, gibt es endlich auch wieder einen Einkaufsladen. Und es ist kein Tante Enso. Die 69-jährige Petra Fleckenstein bringt die Einkaufskörbe zurück zum Eingang. Seit zweieinhalb Jahren können auch die 1000 Einwohner von Altengottern rund um die Uhr einkaufen, und zwar in Emmas Tag und Nachtmarkt. Petra Fleckenstein ist die „Standortbeauftragte“. Ein Minijob. Und ein netter Zuverdienst für die Rentnerin.
Die Automatiktür öffnet sich. Peter John kommt herein. Kariertes Hemd, Handy in der Brusttasche, schwarze Jeans, Sportschuhe. John ist einer der Marktmacher von Altengottern. Eigentlich eher ein Technik-Profi. Er betreibt ein IT-Geschäft, programmiert, installiert Anlagen für die Telekom. Aber er ist kein Stadtmensch.
„Wir kommen alle vom Lande und haben gesagt. Was macht man mit den digitalen Technologien? Was kann man Sinnvolles machen? Denn nur zum Daddeln kann ja die Hochtechnologie nicht sein. Und da haben wir uns an so ein Konzept ran gemacht. Wir nennen das ja auch digitale Infrastruktur-Plattform.“
Kartenlesegeräte, Kassenscanner, Kontrollkameras, automatische Lagerhaltung – das alles ist schon lange verfügbar. Peter John verknüpfte die Einzelteile zu einem technischen Gesamtorganismus, das Design für den Markt entwarf ein befreundeter polnischer Metallbauer, um Produkt-Palette und Lieferung kümmerte sich ein Logistik-Profi aus Potsdam. In Altengottern testeten sie ihr Konzept.

Angebot wird per App überwacht

Auch hier ist die Kundenkarte der Türöffner zum Dorfsupermarkt. Sind die Personalien registriert, gibt es eine PIN-Nummer. Dann kann es losgehen.
Ein Mittdreißiger in Arbeitskleidung steigt aus seinem Lieferwagen, holt die Karte aus dem Portemonnaie. Erst öffnet sich die Automatiktür. Dann ein Vorraum. Hier warten rechts Schließfächer, es können Pakete deponiert werden. Für den Eintritt zum Einkaufsmarkt braucht es Karte und PIN-Nummer. Der Handwerker tippt. 30 Sekunden später steht er zwischen den Regalen. Er kommt öfter, sagt er, „wenn zuhause mal was fehlt, Milch zum Kaffee, mal Wurst, Käse, Eier, Brötchen. Eigentlich alles, was es hier so gibt." Er verschwindet Richtung Kuchenregal.
Peter John lässt den Blick prüfend durch den Laden schweifen. Rund 1200 Produkte sind im Angebot, Tabak und Alkohol gibt es nicht - aus Sicherheits- und Jugendschutzgründen. Der Rest wird einmal die Woche geliefert. Soviel wie möglich kommt aus der Region. Darauf achtet Peter John.
„Wie zum Beispiel der Bäcker, der uns hier täglich beliefert mit frischen Brötchen. Und der Fleischer beliefert uns auch, aber der hat gerade Urlaub. Also das ist halt so in so einem kleinen Dorf. Wenn der Urlaub hat, gibt es halt keine Wurst, aber das wissen die Leute und die sind sehr zufrieden damit.“
36 Kameras filmen von der Decke, haben jedes Regal im Blick. Und jeden Kunden. Per App überwachen Schlachter und Bäcker ihr Angebot. Sie liefern Nachschub, wenn Brötchen und Wurst knapp werden. Der Handwerker ist fertig, geht zur Scannerkasse, hält den Strichcode eines Marmorkuchens vors Lesegerät: 4,47 Euro. Fertig. Nun fährt er mit Kuchen und Milch zu seiner Mutter.
Peter John blickt zufrieden. Das Geschäft läuft. Und die Nachfrage steigt. Jeden Tag bekommt er Anfragen von drei oder vier Bürgermeistern. 500 bis 2500 Einwohner, das ist die Zielgruppe. Denn das Geld wird mit dem Warenumsatz verdient. Dafür bauen sie auch, wenn gewünscht, einen komplett neuen Dorfmarkt. Inklusive WLAN, Solaranlage auf dem Dach und bei Bedarf einer E-Tankstelle.
Aber eine Bedingung stellt John: „Der Bürgermeister muss uns oder sollte uns ein Grundstück zur Verfügung stellen. Das ist uns ganz wichtig, weil wir die Grundstücke nicht kaufen wollen. Wir wollen ein öffentliches Grundstück für 20 Jahre haben. Wir sichern damit für 20 Jahre in der Gemeinde die Nahversorgung und dafür stellt uns die Kommune das Grundstück zur Verfügung.“
Grundstück gegen Grundversorgung. Dieser Deal wird in Thüringen von der Landesregierung unterstützt. Es gibt Fördermittel, die Peter John natürlich gelegen kommen. „Da wir ja sehr viele Projekte umsetzen wollen, können wir gar nicht so viel finanzielle Mittel aufbringen, um das in so vielen Orten zu gewährleisten.“

300.000 Euro Umsatz im Jahr braucht es

In Bremen hat Myenso eine Halle im Post-Industrial-Ambiente gemietet, es findet die Generalsversammlung statt, parallel dazu die Probier-Messe „Foodpioniere“. Norbert Hegmann steht auf der Bühne. Gut 250 Besucher sitzen auf Paletten. Alle sind Genossen, weitere sind via Internet zugeschaltet.
Kann Tante Enso mit der Nachfrage auf dem Lande Schritt halten? Das interessiert viele hier. „Wir versuchen es“, ist die Antwort.
Inge Kloppenburg ist zum ersten Mal auf einer Gesellschafterversammlung. Seit gut einem Jahr ist sie Enso-Genossin. Hat einen Anteil gezeichnet, damit auch in ihrem Ort ein neuer Markt entstehen kann. „Für mich ist das definitiv Neuland. Ich habe den Zeitungsartikel darüber gelesen und habe gedacht, da musst Du mit einsteigen. Und bis jetzt bin ich zufrieden. Und vor allem bin ich neugierig gewesen, deshalb bin ich hier bei der Versammlung.“
In einer großen Halle sind verschiedene Stände mit Lebensmitteln zum Probieren aufgebaut.
Auf der Messe "Foodpioniere" können Genossenschafter Lebensmittel probieren, die es anschließend vielleicht auch in die Tante-Enso-Läden schaffen.© Deutschlandradio / Ernst-Ludwig von Aster
Inge Kloppenburg kommt aus Hemmingstedt, einem kleinen Örtchen unweit von Heide. Vor allem die Möglichkeit regionale Produkte im Sortiment zu sehen, hat sie fasziniert.
Wer vertreten sein wird in den zukünftigen Enso-Filialen, entscheidet sich auf der benachbarten Messe. 40 Foodpioniere stellen sich in der alten Werfthalle dem Publikum und bieten ihre Produkte zum Probieren an. Pflanzliches Fleisch aus dem Drucker, alkoholfreier Wein, fairer Kaffee.
Jeder Besucher bekommt am Eingang einen kleinen Beutel mit 30 Plastiktalern. An jedem Stand wartet ein großes, rotes Plastiksparschwein. Wo es schmeckt, landen Taler im Schwein. Am Ende wird ausgezählt. Den drei Erstplatzierten spendiert Myenso Promotion-Pakete im Gesamtwert von 90.000 Euro. Und einen Platz in seinen Regalen.

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Nebenan geht die Gesellschaftsversammlung zu Ende. 300.000 Euro Umsatz im Jahr braucht es, damit ein Dorfladen sich rechnet. Bis jetzt haben es noch alle geschafft, berichten die Geschäftsführer. Im Schnitt liegt der Umsatz bei 500.000 Euro.
Ein Pärchen schlendert durch die Messe, probiert Cappuccino-Schokolade, greift später zum Zitronenkeks. Beide kauen genüsslich. Seit Monaten warten sie auf ihren Dorfladen. In Drangstedt, einem kleinen Ort zwischen Bremerhaven und Cuxhaven. Mit gerade mal 1600 Einwohnern.
„Ich hoffe, dass es zum nächsten Frühjahr mal soweit ist. Myenso hat nur gesagt, dass sie in Verhandlungen sind, aber es sollen jetzt wohl auch mal konkret Grundstücke in Frage kommen.“ Solange müssen die beiden in den Nachbarort zum Einkaufen fahren. Dort ist das Angebot aber begrenzt, Regionales oder leckere Zitronenkekse findet man dort nicht.

 Die Nachfrage ist riesig

Im Örtchen Altengottern in Thüringen sitzt Peter John auf einer Holzbank vor seinem Markt, isst ein Stück Gebäck vom örtlichen Bäcker, Petra Fleckenstein hat Kaffee gekocht. Drei Männer im Sportdress, Helm auf dem Kopf, stoppen ihre Räder vor dem Markt und holen sich ein Getränk.
Die Marktbewegung in Thüringen breitet sich aus. Immer mehr Bürgermeister lassen sich von dem Konzept überzeugen, meint John. „Die Kommunen kommen auf uns zu. Ich weiß immer gar nicht, wie wir das alles schaffen sollen, wir sind ein Start-up-Unternehmen, wir können gar nicht so schnell wachsen, wie der Bedarf da ist. Tatsächlich gibt es deutschlandweit Bedarf, wir machen ja auch Führungen durch die Märkte.“
An einem verlassenen Gebäude in einem kleinen Dorf ist noch ein verblasstes Rewe-Logo zu erkennen.
In den letzten drei Jahrzehnten schrumpfte die Zahl der kleinen Lebensmittelgeschäfte um 87 Prozent von 66.451 auf 8450.© Deutschlandradio / Ernst-Ludwig von Aster
Doch nicht nur Bürgermeister interessieren sich für das Konzept. Neulich kam Besuch aus Hessen vorbei. Vertreter einer Lebensmittelkette, die selbst vor einigen Jahren mit einem Dorfladen-Konzept gescheitert war. Ein Markt-Wettrennen auf dem Land, das auch die großen Handelsketten aufmerksam verfolgen.
„Wir haben jetzt komplett in der Projektierung 20 Märkte, die jetzt fertiggestellt sind, hier sieben in Thüringen, dann sind wir gerade noch unterwegs in Bayern.“ Für John und seine Kollegen eine ganz neue Erfahrung. Denn dort machte die Kommune eins von vorneherein klar: Ohne Bierverkauf gibt es keinen Dorfsupermarkt. Nun konzipieren die Marktmacher einen Extra-Anbau für die Brauerei-Produkte. „Es gibt eine West-Erweiterung. Wir sind in Bayern, bei Regensburg und an der Nordseeküste. Also besser geht es doch nicht.“

Konkurrenz in der Marktlücke

Und dort konkurrieren dann die zwei Konzepte: amtlicher Nahversorgungsdeal kontra örtliche Genossenschaft. Denn die Bremer Myenso-Pioniere sind auch schon im Süden, versichert Norbert Hegmann in seinem Büro.
„Wir haben hier eine große Metapinnwand, an denen wir die Dörfer, in denen wir arbeiten, angepinnt haben. Hier sieht man zum Beispiel ein Dorf, Wollbach, das ist in Südbayern. Die Bremer Marktmacher bauen aber nicht nur in Bayern. Sie haben auch Thüringen fest im Blick. Norbert Hegmann zeigt auf die Pinnwand. „Hier sehen wir Zeller. Das ist ein Ort mit 1700 Einwohnern, dort bauen wir unseren ersten eigenen Supermarkt. Holzrahmenbauweise, Hanfisolierung, Solar auf dem Dach.“
3000 Dörfer, das ist das Ziel der Genossenschaft. Das wären dann 300.000 Genossen und Genossinnen träumt Hegmann weiter. Das würde sie von Investoren unabhängig machen. Das wäre die wahre Marktrevolution, glaubt er. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg voller Überraschungen. So wie neulich erst in Blender, dort wo alles begann, erinnert sich Hegmann.
„Ende letzten Jahres wurde von der Gemeinde ein neues Baugebiet ausgeschrieben. Und in diesem neuen Baugebiet soll sich auf 800 Quadratmetern, gesamte Verkaufsfläche, ein Supermarkt ansiedeln. Wir durften uns präsentieren und Rewe hat sich präsentiert.“
Deutschlands Einzelhändler Nummer 2, Rewe, gegen den Dorf-Marktmacher aus Bremen. Showdown in einem kleinen Ort in Niedersachsen. „Und wir haben gegen Rewe gewonnen, haben den Zuschlag bekommen und bauen jetzt unser nächstes Modul, eine Mini-Mall auf dem Dorf. Und der Gedanke ist, dass wir auf ungefähr der Hälfte der Fläche einen Tante Enso-Laden machen. Und die restlichen Flächen an regionale Hersteller vermieten.“
Es tut sich was auf dem Land. Rentabilität hat offenbar weniger mit dem Markt, als mit Einfallsreichtum zu tun.
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