Wie roch das antike Ägypten?
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Mit experimenteller Archäologie das alte Ägypten begreifen: Die Ägyptologin Dora Goldsmith analysiert die Duftwelt der antiken Hochkultur und baut sie nach. Denn Gerüche spielten in der ägyptischen Gesellschaft eine zentrale Rolle.
Im alten Ägypten waren Gerüche extrem wichtig. Die Düfte von damals sind nach so vielen tausend Jahren zwar verflogen, aber die Beschäftigung mit ihnen hilft Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wie der Ägyptologin Dora Goldsmith, die Kultur der alten Ägypter besser zu verstehen. Denn dort wurde die Welt nach Gerüchen in Gut ("Maat") und Böse ("Isfet") eingeteilt.
"Sie haben die Welt von Maat mit guten Gerüchen assoziiert und die Welt von Isfet mit Gestank", erklärt Goldsmith.
"Die Ägypter haben geglaubt, dass Welt alleine stinkt. Und man braucht den König, um Maat zu schaffen, diese Welt von Ordnung und Gerechtigkeit zu schaffen. Gleichzeitig schafft er auch Düfte für die Welt, damit die Menschen leben können. Das hat auch mit Urbanisation, mit Städten zu tun. Der König schafft Städte für die Menschen, und in der Stadt kann man gut in Ordnung leben, da ist es sauber und riecht gut. Der Gegensatz ist die Welt von Chaos, wo es stinkt, da gibt es keine Ordnung und man lebt in den Sümpfen."
Im Prinzip hatte zwar jeder Zugang zu Duftstoffen, aber da fast alle Zutaten aus dem Ausland kamen und dementsprechend teuer waren, hatten die Reicheren die besten Duftstoffe, bis zu den göttlichen Gerüchen, die nur die Könige nutzen durften. Zum Beispiel sTi nTr, den wertvollsten Duft.
Dann gab es Duftmischungen wie "Kyphi", die die Ägypter genutzt haben, um ihr Haus auszuräuchern oder ihre Kleidung. Darin sind Harze, Myrrhe, Weihrauch, Mastix, das ist ein Strauch, aber auch Wacholderbeeren zum Beispiel. Dora Goldsmith hat in griechischen Texten gefunden, dass auch die Tempel jeden Tag mit Kyphi ausgeräuchert wurden.
"Es gab sehr viele Opfergaben und jede Opfergabe hat gerochen und der Duft war sehr wichtig, der war nicht nur ein Essensduft, sondern jeder Duft hatte eine Botschaft. Es gab zum Beispiel Milch, Wein, Bier, Brot, Kuchen, Gemüse, Lotusblumen, Kleidung getränkt im Lotusöl, Blumensträuße, Fleischopfer auch. Und alle diese Düfte zusammen haben die Götter zu ihren Tempel gelockt und der Tempel war das Zuhause für die Götter. Und solange sie zu Hause sind, gibt es Frieden in Ägypten."
Mit "experimenteller Archäologie" das alte Ägypten begreifen
Dora Goldsmith ist in Budapest großgeworden, hat erst in Israel studiert und forscht nun an der Freien Universität Berlin. Sie liest sich durch Originaltexte von 3.400 vor Christi bis 500 nach Christi und scannt die Texte gewissermaßen nach Wörtern wie Duft, stinken, Parfum, riechen, Geruch, um zu erkennen, welche Bedeutung die Gerüche hatten.
Manche Düfte produziert sie selber nach, wenn sie die Rezepte dazu findet. Mittlerweile hat sie fast 100 Zutaten zu Hause für ihre Duftexperimente. Sie macht das, um die Texte besser verstehen zu können, sie nennt das "experimentelle Archäologie" – und versucht dabei auch, den eigenen Geschmack hintenanzustellen:
"Es gibt Sachen, die ich nicht so angenehm finde, zum Beispiel Kampfer, damit haben die Ägypter ganz gerne Kleidungen getränkt und sie fanden das sexy. Und für mich ist Kampfer überhaupt nicht sexy, ich finde das ganz unangenehm. Aber ich vergesse das, wenn ich die Gerüche rekonstruiere, weil ich mich dafür interessiere, wie die Geruchsempfindung damals war."
Neben alten Dokumenten sind auch archäologische Fundstücke eine wichtige Quelle zur Erforschung der altägpytischen Geruchswelt. Immer wieder mal werden bei Ausgrabungen von Gefäßen Rückstände von Duftstoffen gefunden. Und auch Mumien helfen dabei, denn diese wurden auch mit Salben, Ölen und Essenzen behandelt.
Was der Geruch einer Mumie verrät
Um festzustellen, welche Stoffe genutzt wurden, riecht Dora Goldsmith auch in Museen ganz gern mal an den Mumien.
"Ich war sowieso in den Museen und da habe ich gefragt, darf ich denn riechen? Und sie haben gedacht am Anfang, vielleicht etwas stimmt mit mir nicht, aber keiner hat etwas gesagt, sondern: Ja, ja, riechen Sie. Und ich hab an alle mögliche Sachen gerochen, also Tiermumien, Menschenmumien, Särgen, alles was organisch ist, habe ich gerochen. Ich hab sogar an einem einbalsamierten Magen gerochen, das war in einem Museum in Hannover. Das hatte den besten Geruch, ich wollte danach essen."
Solche Experimente können dabei helfen, die Alltagskultur besser zu verstehen und der Geruch kann auch helfen, Fehler zu vermeiden, wenn es darum geht, um welche Techniken oder Materialien es sich handelt. Genau auf so einen Fehler ist Dora Goldsmith einmal gestoßen:
"Ich hatte an einem Sarg gerochen und ich wusste gleich, ok, das ist Wacholder, ich kenne den Duft. Und dann habe ich gehört, das war 100 Jahre lang ein Fehler im Katalog, sie dachten, das wäre Zeder und dann haben sie das vor kurzen, in einem Labor analysiert und herausgefunden, das ist kein Zedernholz, das ist Wacholder. Und ich wusste das gleich, weil ich den Duft kenne."