Der ehrgeizige Alte Fritz
Zum 300. Geburtstag Friedrichs II. im Januar 2012 werden knapp zwei Dutzend Neuerscheinungen auf dem Tisch liegen. Der Historiker Jürgen Luh macht als dominierende Eigenschaft des Preußenkönigs nun das Streben nach Größe aus.
In der Verlagswelt wirft das Ereignis seine Schatten schon voraus: Zum 300. Geburtstag des Preußenkönigs Friedrichs II. am 24. Januar 2012 werden knapp zwei Dutzend Neuerscheinungen auf dem Tisch liegen – ein stattlicher Zuwachs für die ohnehin schon uferlose Friedrich-Literatur. Darunter sind Biografien, Lesebücher mit den royalen Schriften, essayistische Würdigungen des Kriegsführers, Schriftstellers und kunstsinnigen Monarchen.
Die Vorhut dieses neuen Ansturms des "alten Fritz" bildet eine Studie des Historikers Jürgen Luh, der seit über vier Jahren das Großprojekt "Friedrich 300" mit einer Reihe von interdisziplinären Fachkonferenzen sowie einer zentralen Ausstellung in Potsdam vorbereitet. Von seinem Buch darf man sich also neben einem Resümee der jüngsten Friedrich-Forschung vor allem eine avanciert zugespitzte, eine "heutige" Sicht auf den großen Preußenkönig erwarten, und das obwohl der Titel nichts Neues zu versprechen scheint.
Ins Zentrum seiner flott geschriebenen Abhandlung stellt Luh den König als Charakter und macht als dessen dominierende Eigenschaft das Streben nach Größe aus. Entsprechend untersucht er in vier Kapiteln Varianten dieses Charakterzuges – Ruhmsucht, Hartnäckigkeit, Eigensinn, Fähigkeit zur Einsicht - und schreitet dafür jedes Mal neu die einzelnen Lebensstationen Friedrichs ab, vom musisch begabten Jüngling unter dem Joch eines strengen Vaters bis zum einsamen Wolf von Sanssouci; vom "Philosophen auf dem Thron", bis zum egomanen Herrscher, der auf einen "kopflosen Nachfolger" setzte, nur um der Nachwelt ein umso strahlenderes Bild von seiner Regentschaft zu hinterlassen.
Dass Friedrich nicht nur, wie andere Fürsten auch, Exerzierplatz, Schlachtfeld und mäzenatische Taten dazu nutzte, um sich (und Preußen) einen Namen zu machen, sondern gerade im Philosophieren und Verseschmieden sein Alleinstellungsmerkmal begriff, weil die Welt einen König als Poeten noch nicht gesehen hatte, das wird plausibel aufgezeigt . Ebenso macht Luh darauf aufmerksam, dass die vermeintliche Freundschaft mit Voltaire vielmehr ein wechselseitiges Zweckbündnis darstellte. Denn zweifellos verschaffte Friedrich die Korrespondenz mit dem Meisterdenker der Aufklärung internationale Aufmerksamkeit, nicht nur in intellektuellen Kreisen.
Es ist nicht ohne Reiz, dem Preußenkönig in dieser Auslegung als Mann mit ausgeprägtem Sinn für 'public relation' zu begegnen, zumal Luh gründlich in den allerorten zugänglichen Quellen nach Belegen fahndet, allen voran bei solchen aus der Feder des Porträtierten selber. Aber er durchforstet auch die Preußen-Literatur der letzten 200 Jahre und räumt mit "liebgewonnenen Legenden" auf. Zum Beispiel derjenigen um den Müller Arnold, dem der König entgegen dem Richterspruch angeblich zu seinem Recht verhalf. Luh weist überzeugend nach, dass die später als aufgeklärt verherrlichte Geste nichts als ein Willkürakt war. Auch von jüngeren Friedrich-Biografen setzt er sich ab, indem er im Gegensatz zu Johannes Kunisch die Unterwerfung Friedrichs unter den Vater konsequent als kühles Kalkül diagnostiziert.
Allerdings schießt Luh schon mal übers Ziel hinaus, wenn er jedweder von Friedrichs Handlungen, selbst dem missglückten Fluchtversuch des Kronprinzen, einen unbedingten Willen zur Selbstinszenierung unterstellt. Dennoch liest man diese Studie jenseits ausgetretener akademischer Pfade mit Gewinn.
Rezension von Edelgard Abenstein
Jürgen Luh: Der Große. Friedrich II. von Preußen
Siedler-Verlag, München 2011
288 Seiten, 19,99 Euro
Die Vorhut dieses neuen Ansturms des "alten Fritz" bildet eine Studie des Historikers Jürgen Luh, der seit über vier Jahren das Großprojekt "Friedrich 300" mit einer Reihe von interdisziplinären Fachkonferenzen sowie einer zentralen Ausstellung in Potsdam vorbereitet. Von seinem Buch darf man sich also neben einem Resümee der jüngsten Friedrich-Forschung vor allem eine avanciert zugespitzte, eine "heutige" Sicht auf den großen Preußenkönig erwarten, und das obwohl der Titel nichts Neues zu versprechen scheint.
Ins Zentrum seiner flott geschriebenen Abhandlung stellt Luh den König als Charakter und macht als dessen dominierende Eigenschaft das Streben nach Größe aus. Entsprechend untersucht er in vier Kapiteln Varianten dieses Charakterzuges – Ruhmsucht, Hartnäckigkeit, Eigensinn, Fähigkeit zur Einsicht - und schreitet dafür jedes Mal neu die einzelnen Lebensstationen Friedrichs ab, vom musisch begabten Jüngling unter dem Joch eines strengen Vaters bis zum einsamen Wolf von Sanssouci; vom "Philosophen auf dem Thron", bis zum egomanen Herrscher, der auf einen "kopflosen Nachfolger" setzte, nur um der Nachwelt ein umso strahlenderes Bild von seiner Regentschaft zu hinterlassen.
Dass Friedrich nicht nur, wie andere Fürsten auch, Exerzierplatz, Schlachtfeld und mäzenatische Taten dazu nutzte, um sich (und Preußen) einen Namen zu machen, sondern gerade im Philosophieren und Verseschmieden sein Alleinstellungsmerkmal begriff, weil die Welt einen König als Poeten noch nicht gesehen hatte, das wird plausibel aufgezeigt . Ebenso macht Luh darauf aufmerksam, dass die vermeintliche Freundschaft mit Voltaire vielmehr ein wechselseitiges Zweckbündnis darstellte. Denn zweifellos verschaffte Friedrich die Korrespondenz mit dem Meisterdenker der Aufklärung internationale Aufmerksamkeit, nicht nur in intellektuellen Kreisen.
Es ist nicht ohne Reiz, dem Preußenkönig in dieser Auslegung als Mann mit ausgeprägtem Sinn für 'public relation' zu begegnen, zumal Luh gründlich in den allerorten zugänglichen Quellen nach Belegen fahndet, allen voran bei solchen aus der Feder des Porträtierten selber. Aber er durchforstet auch die Preußen-Literatur der letzten 200 Jahre und räumt mit "liebgewonnenen Legenden" auf. Zum Beispiel derjenigen um den Müller Arnold, dem der König entgegen dem Richterspruch angeblich zu seinem Recht verhalf. Luh weist überzeugend nach, dass die später als aufgeklärt verherrlichte Geste nichts als ein Willkürakt war. Auch von jüngeren Friedrich-Biografen setzt er sich ab, indem er im Gegensatz zu Johannes Kunisch die Unterwerfung Friedrichs unter den Vater konsequent als kühles Kalkül diagnostiziert.
Allerdings schießt Luh schon mal übers Ziel hinaus, wenn er jedweder von Friedrichs Handlungen, selbst dem missglückten Fluchtversuch des Kronprinzen, einen unbedingten Willen zur Selbstinszenierung unterstellt. Dennoch liest man diese Studie jenseits ausgetretener akademischer Pfade mit Gewinn.
Rezension von Edelgard Abenstein
Jürgen Luh: Der Große. Friedrich II. von Preußen
Siedler-Verlag, München 2011
288 Seiten, 19,99 Euro