Der Einfluss der Kirche auf die Politik
Deutschland ist ein Paradebeispiel für die Säkularisierung, das Abdrängen des Religiösen in die Privatsphäre. Die Entkirchlichung ist weit fortgeschritten. In Ostdeutschland sind 70 Prozent der Bevölkerung konfessionslos.
Dennoch gibt es auch andere Tendenzen, man kann sogar von einer neuen Sichtbarkeit der Religion, einem neuen Grad öffentlicher Präsenz reden: nicht nur bei den Trauerfeierlichkeiten in Rom, sondern auch bei den Auseinandersetzungen hierzulande, ob über das Kreuz in Schulen, über das Tragen des Kopftuchs, über das Klonen oder wie in Berlin über den Religionsunterricht an Schulen. Karsten Voigt, Koordinator der deutsch- amerikanischen Beziehungen stellt für seine eigene Partei, die einst strikt antiklerikale SPD, fest:
"Interessanterweise ist es so, dass der Anteil der Leute in der deutschen Politik, die sich religiös begründen, nicht abnimmt, sondern zunimmt, und das gilt auch für Ostdeutschland, obwohl die Bevölkerung dort überwiegend säkular ist. Deutschland ist das Land mit den meisten Theologen im Parlament, die USA sind das Land mit den meisten Gläubigen im Kongress."
Deutschland und die USA entwickelten sich in Bezug auf die religiöse Kultur auseinander, meint Karsten Voigt, und dabei gehe es nicht nur um säkular und religiös:
"Zum Beispiel ist es so, dass in Deutschland die Begründung eines Krieges mit Hinweis auf Werte und religiöse Überzeugung ein Tabu ist. Es hat in der Vergangenheit in Deutschland so etwas gegeben bis hin zum Ersten Weltkrieg, und weil es missbraucht worden ist, empfinden alle Deutschen dies als einen Missbrauch der Religion. Auch die Verbindung von Patriotismus und Religion ist etwas, das es in Deutschland gegeben hat und was missbraucht worden ist und deshalb bei uns mit großen Vorbehalten betrachtet wird."
Die katastrophalen Erfahrungen Europas mit politischen Religionen wie Faschismus und Kommunismus hält der Göttinger Professor Hartmut Lehmann für eine der Ursachen für die Skepsis, wenn Glauben und Politik vermischt werde:
"Man gehörte dazu, zu einer politischen Partei mit starkem Glauben, links oder rechts. Und tat dies auch schließlich mit großen Opfern. Schließlich aber mit dem Ergebnis der katastrophalen Niederlage von 1945 und genau so dann dem Debakel von 1989. Da war das zweite große Experiment von Glauben und Dazugehören, sein Leben widmen war damit beendet. Und da entstand Skepsis gegenüber religiöser Bindung überhaupt."
Religiöse Einflüsse auf die Politik hat es in der amerikanischen Politik immer gegeben. Trotz der strikten verfassungsmäßigen Trennung von Staat und Kirche war und ist das öffentliche Leben in einem Maße von religiösen Bekundungen durchdrungen, das viele Europäer befremdet.
Aber 200 Jahre lang dominierte ein protestantisches Establishment, das für eine moderate, weltoffene und wohltätige Christlichkeit stand und konsensfähig war. Mit dieser Dominanz ist es vorbei, stattdessen prägen evangelikale und fundamentalistische Strömungen das Bild, missionseifrige Christen dringen in Einrichtungen des öffentlichen Lebens vor, die vorher kaum religiös beeinflusst waren. Für diesen Wandel, den er den Verlust der Mitte nennt, hat Professor Rainer Prätorius von der Bundeswehrhochschule Hamburg diese Erklärung.
"Es ist ein schlafender Riese aufgewacht. Wie ist es möglich, dass urplötzlich so viele Halleluja-Menschen in die Politik einsteigen? Und dann muss man antworten, die waren immer da, die waren nur politik-abstinent. Das änderte sich schlagartig am Beginn der 70er Jahre. Die Urknallfunktion dafür hatte das berühmte Urteil des Supreme Court, dem die Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs folgte. Das hatte einen nicht wieder einzuholenden Mobilisierungseffekt für den Eintritt der konservativen, fundamentalistischen, bibeltreuen Christen."
Nach Ansicht des Berliner Professors für Religionspädagogik Rolf Schieder ist die Kirche in Deutschland für ihre schwindende Bedeutung selbst mit verantwortlich, die Säkularisierung oft nur eine bequeme Ausrede um den Mangel an Mitgliedern und Gottesdienstbesuchern zu erklären. Sie verlasse sich bei Konflikten viel zu sehr auf den Staat, statt selbst Unterstützung zu mobilisieren. Etatismus sei die Krankheit der Kirche in Deutschland, sagt er und rät im Zusammenhang mit dem Berliner Konflikt, ruhig einen Blick in die USA zu wagen:
"So könnte ich mir vorstellen, dass man in der Berliner Diskussion nicht nur eine Medienkampagne starten müsste und darauf warten sollte, dass sich die SPD im Blick auf den Religionsunterricht bewegt. In Amerika würden dann eben die christlichen Gruppen eine "issue-campaign" machen, würden ihre jeweiligen Abgeordneten eben einladen zu Gesprächen, zu Diskussionen und sie so lange auf das Problem hinweisen, bis sie vielleicht doch sich zu bewegen bereit sind."
Für den Säkularismus hier und die Dominanz des Religiösen in den USA gibt es nicht nur eine Ursache. In Amerika hat ganz sicherlich die massenhafte Einwanderung religiös geprägter Menschen eine wichtige Rolle gespielt. In Deutschland, da war man sich bei dieser Veranstaltung einig, könnte die Auseinandersetzung mit dem Islam der Debatte durchaus neue Impulse geben.
"Interessanterweise ist es so, dass der Anteil der Leute in der deutschen Politik, die sich religiös begründen, nicht abnimmt, sondern zunimmt, und das gilt auch für Ostdeutschland, obwohl die Bevölkerung dort überwiegend säkular ist. Deutschland ist das Land mit den meisten Theologen im Parlament, die USA sind das Land mit den meisten Gläubigen im Kongress."
Deutschland und die USA entwickelten sich in Bezug auf die religiöse Kultur auseinander, meint Karsten Voigt, und dabei gehe es nicht nur um säkular und religiös:
"Zum Beispiel ist es so, dass in Deutschland die Begründung eines Krieges mit Hinweis auf Werte und religiöse Überzeugung ein Tabu ist. Es hat in der Vergangenheit in Deutschland so etwas gegeben bis hin zum Ersten Weltkrieg, und weil es missbraucht worden ist, empfinden alle Deutschen dies als einen Missbrauch der Religion. Auch die Verbindung von Patriotismus und Religion ist etwas, das es in Deutschland gegeben hat und was missbraucht worden ist und deshalb bei uns mit großen Vorbehalten betrachtet wird."
Die katastrophalen Erfahrungen Europas mit politischen Religionen wie Faschismus und Kommunismus hält der Göttinger Professor Hartmut Lehmann für eine der Ursachen für die Skepsis, wenn Glauben und Politik vermischt werde:
"Man gehörte dazu, zu einer politischen Partei mit starkem Glauben, links oder rechts. Und tat dies auch schließlich mit großen Opfern. Schließlich aber mit dem Ergebnis der katastrophalen Niederlage von 1945 und genau so dann dem Debakel von 1989. Da war das zweite große Experiment von Glauben und Dazugehören, sein Leben widmen war damit beendet. Und da entstand Skepsis gegenüber religiöser Bindung überhaupt."
Religiöse Einflüsse auf die Politik hat es in der amerikanischen Politik immer gegeben. Trotz der strikten verfassungsmäßigen Trennung von Staat und Kirche war und ist das öffentliche Leben in einem Maße von religiösen Bekundungen durchdrungen, das viele Europäer befremdet.
Aber 200 Jahre lang dominierte ein protestantisches Establishment, das für eine moderate, weltoffene und wohltätige Christlichkeit stand und konsensfähig war. Mit dieser Dominanz ist es vorbei, stattdessen prägen evangelikale und fundamentalistische Strömungen das Bild, missionseifrige Christen dringen in Einrichtungen des öffentlichen Lebens vor, die vorher kaum religiös beeinflusst waren. Für diesen Wandel, den er den Verlust der Mitte nennt, hat Professor Rainer Prätorius von der Bundeswehrhochschule Hamburg diese Erklärung.
"Es ist ein schlafender Riese aufgewacht. Wie ist es möglich, dass urplötzlich so viele Halleluja-Menschen in die Politik einsteigen? Und dann muss man antworten, die waren immer da, die waren nur politik-abstinent. Das änderte sich schlagartig am Beginn der 70er Jahre. Die Urknallfunktion dafür hatte das berühmte Urteil des Supreme Court, dem die Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs folgte. Das hatte einen nicht wieder einzuholenden Mobilisierungseffekt für den Eintritt der konservativen, fundamentalistischen, bibeltreuen Christen."
Nach Ansicht des Berliner Professors für Religionspädagogik Rolf Schieder ist die Kirche in Deutschland für ihre schwindende Bedeutung selbst mit verantwortlich, die Säkularisierung oft nur eine bequeme Ausrede um den Mangel an Mitgliedern und Gottesdienstbesuchern zu erklären. Sie verlasse sich bei Konflikten viel zu sehr auf den Staat, statt selbst Unterstützung zu mobilisieren. Etatismus sei die Krankheit der Kirche in Deutschland, sagt er und rät im Zusammenhang mit dem Berliner Konflikt, ruhig einen Blick in die USA zu wagen:
"So könnte ich mir vorstellen, dass man in der Berliner Diskussion nicht nur eine Medienkampagne starten müsste und darauf warten sollte, dass sich die SPD im Blick auf den Religionsunterricht bewegt. In Amerika würden dann eben die christlichen Gruppen eine "issue-campaign" machen, würden ihre jeweiligen Abgeordneten eben einladen zu Gesprächen, zu Diskussionen und sie so lange auf das Problem hinweisen, bis sie vielleicht doch sich zu bewegen bereit sind."
Für den Säkularismus hier und die Dominanz des Religiösen in den USA gibt es nicht nur eine Ursache. In Amerika hat ganz sicherlich die massenhafte Einwanderung religiös geprägter Menschen eine wichtige Rolle gespielt. In Deutschland, da war man sich bei dieser Veranstaltung einig, könnte die Auseinandersetzung mit dem Islam der Debatte durchaus neue Impulse geben.