Der entschleunigte Hauptstadtpoet

Von Susanne von Schenck |
Er ist ein Shootingstar der Schweizer Szene: Jürg Halter alias Kutti MC begeistert mit seinen Mundartauftritten nicht nur die Fans in Bern. Mit näselnder Stimme kultiviert er auf seinem Album "Jugend und Kultur" die gepflegte Langsamkeit. Mit seinem Gedichtband "Ich habe die Welt berührt" ist der HipHopper in der Hochkultur angekommen.
Jürg Halter war sieben Jahre alt, als Fritzli starb.

"Fritzli – das war ein tragisches Schicksal, das war mein erstes und liebstes Meerschweinchen. Jahre nach seinem Tod habe ich das dann verarbeitet, in diesem Lied. Es ist wie eine Hymne."

Er sieht aus wie der nette Junge von nebenan. Schwarz gekleidet, die dunklen Haare glatt nach hinten gekämmt. Mittelgroß, ein paar Bartstoppeln im Gesicht. Brille. Ein unauffälliger Typ. Jürg Halter, 25 Jahre alt.

"Ich komme aus Bern, das ist ja die Hauptstadt der Schweiz. Man denkt immer, es sei Zürich, weil, Zürich ist die größte Stadt der Schweiz, aber es ist Bern. Ich bin dort aufgewachsen."

Der Vater ist ein renommierter Glasmaler und Kunstglaser, die Mutter arbeitet in einem Altenheim. Einer seiner Großväter war beim Theater.

Aber Jürg Halter will nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten, der die Werkstatt bereits in der dritten Generation betreibt. Er geht in Clubs, besucht eine Wirtschaftsfachschule und gründet eine Band.

"Das war eine miserable Band, ich hab auch miserable Texte geschrieben. Aber so fängt alles an."

Jürg Halter schreibt sich an der Hochschule der Künste in Bern ein – und rappt weiter. Zu seinen Mundartauftritten strömen die Schweizer Hip-Hop-Fans. Bald reist er durch die halbe Welt. Seinen größten Erfolg hat er 2003 in Chicago, dem Ursprungsort der Spoken Word Szene, eingeladen von Marc Smith, Erfinder des Poetry Slam, dem Dichterwettstreit der Postmoderne. Mit seinem Bernerdytsch-Rap schafft Jürg Halter es ins Finale und wird als National Hip Hop Slam Champion gefeiert. Fortan nennt er sich Kutti MC - MC steht für "Master of Ceremony". Und Kutti?

"Ja, der hat mich gefunden. Das ist ein Geschenk Gottes. Ich stand irgendwann im Sommer auf einer Bühne und wusste nicht, was sagen. Ich hab zum Himmel geschaut und dann kam der Name nieder zu mir. Da habe ich gesagt: Mein Name ist Kutti MC. Und seitdem ist es so."

Im letzten Jahr erschien "Jugend und Kultur", Kutti MCs erstes Album. Frisch-freche Sprachexperimente und unkonventioneller Wortwitz zeichnen es aus. Der Rapper stilisiert sich zum Event, gibt den entschleunigten Hauptstadtpoeten, der mit näselnder Stimme die Langsamkeit kultiviert. Er ist aber auch ein kritischer Kopf, einer, der die Schweizer Jugend analysiert und mit seiner eigenen Generation abrechnet: mit der alternativen Kulturszene und ihren In-Treffs, mit den Globalisierungsgegnern, die doch nur Spaß haben wollen.

Auf Fragen antwortet er meistens mit "Ja-Nein". Und überhaupt scheint der 25-jährige Schweizer zwei Seelen zu haben: eine musikalische als Kutti MC und eine poetische - als Jürg Halter hat er einen Gedichtband veröffentlicht, den die Kritik in den höchsten Tönen lobte.

"Mich hat halt immer die Sprache und all ihre Möglichkeiten interessiert. Im Rap ist es halt ein viel direkterer unvermittelter Ausdruck. Es ist auch ein ganz anderes Publikum, was man damit erreicht. Da geht es nicht nur um den Text, sondern um die Verbindung von Sprache und Musik und Stimme. Das ist viel komplexer. Und die Sprache ist dann geschrieben, ist linear, diese Texte müssen funktionieren auf dem Blatt."

"Ich habe die Welt berührt" ist im renommierten Züricher Amann Verlag erschienen. Es ist keine "Lyrik von der Stange". Der Dichter würfelt die Welt neu zusammen: Japan, Österreich, Surinam oder Deutschland – eine fiktive Reise um den Globus. Seine Gedichte leben von der Lust am Text und der Lust am Klang der Worte.

"In Deutschland in der Imbissbude des Türken: ich ahne die Schönheit der Türkei:
Wasser, blaues, Strände, weiße, Tränen aus Türkis und der Döner Kebab:
Deutschland
auf dem Poster die Türkei
ich bestelle ein Getränk aus Jogurt und frage die Aushilfe des Türken, was sie in Südamerika sehen wollte, wenn sie dort hinfliegen würde, sie spricht von einer anderen Kultur sehen;
ich verstehe nicht."